Weltfrauentag

Aktivistinnen während Corona – Kundgebungen mit Abstand

Aktivistinnen während Corona – Kundgebungen mit Abstand

Aktivistinnen während Corona – Kundgebungen mit Abstand

Lea Pook/shz.de
Kiel
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Birthe Lohmann protestiert - sie fordert eine langfristige Sicherung von Schwangerschaftsabbrüchen. Foto: Michael Staudt

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Am 8. März findet der Internationale feministische Kampftag statt – mehrere Bündnisse in SH haben Proteste geplant.

Am 8. März findet zum 100. Mal der jährliche Internationale Frauentag statt – um nicht nur Frauen zu adressieren, auch Internationaler feministischer Kampftag genannt. Auf der ganzen Welt fordern Menschen an diesem Tag mehr Gender-Gerechtigkeit – oft auf großen Demonstrationen.

Auch in Schleswig-Holstein wird zum 8. März mobilisiert. Aber wie genau funktioniert aktivistische Arbeit mitten in einer Pandemie? Ich habe mit Vertreterinnen zweier Bündnisse gesprochen, die den 8. März 2021 ins Zentrum ihrer Arbeit gerückt haben.

„Wenn wir streiken, steht die Welt still“

In Kiel hat sich das Bündnis „8M-Kiel – Feministisches Bündnis“ dieses Jahr für den 8. März neugegründet und ruft unter dem Motto „Wenn wir streiken, steht die Welt still!“ zum feministischen Streik auf.  8M-Kiel vertritt die Ansicht, dass viele gesellschaftliche Probleme einen gemeinsamen Kern haben: Menschen würden aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert, in Geschlechterrollen gedrängt und könnten nicht frei über ihren Körper entscheiden. Gründe für einen feministischen Streik sieht das Bündnis daher genug: Die schlechten Arbeitsbedingungen für die meist weiblichen Pflegekräfte, die sich während der Pandemie nochmal verschärft haben; die Einschränkungen der körperlichen Selbstbestimmung beim Thema Schwangerschaftsabbruch; die Nicht-Anerkennung der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt von Menschen sowie sexuelle Übergriffe im Alltag.

„Ohne uns steht die Welt still“ – das Motto des diesjährigen Kieler Streiks . Foto: 8M-Kiel - Feministisches Bündnis

Streiken könne man nicht nur in der Fabrik, sondern „auch im privaten Haushalt. Putzen, Kochen, Kindererziehung, aber auch Zuhören, Trösten und stetiges Kümmern gehören dazu. Das alles wird kaum gesehen, anerkannt oder vergütet. Wie viel geleistet wird, fällt manchmal erst auf, wenn es liegengelassen wird“, so das Bündnis.

Drei Kundgebungen und Streik-Cafés

Deshalb wird es am 8. März 2021 Streikkundgebungen an drei verschiedenen Orten geben: von 10:15 bis 11:15 Uhr am Städtischen Krankenhaus, von 12:00 bis 13:00 Uhr an der Zuwanderungsabteilung der Ausländerbehörde und von 13:45 bis 14:45 Uhr am Familienzentrum-Gaarden.

Und in Flensburg?

Und auch Flensburg mobilisiert. Ich sprach mit Birthe Lohmann, die seit einigen Jahren bei der Feministischen Aktion Flensburg aktiv ist. Die Mitglieder organisierten bereits letztes Jahr zum 8. März 2020 eine große Demonstration und veranstalten regelmäßig öffentlichkeitswirksame Aktionen zu feministischen Themen in Flensburg.

Ein symbolischer Kirchenaustritt

Zum 8. März 2021 wird es von ihnen um 17 Uhr eine coronabedingt kleine Kundgebung für 25 Personen geben, für die eine Voranmeldung notwendig ist. Das Motto? „Die Krise war schon vorher da“ – es soll sichtbar werden, dass die Covid-19-Pandemie gesellschaftliche Problemlagen, wie schlechte Bezahlung für Sorgearbeit und Gewalt gegen Frauen sichtbarer gemacht, aber nicht erst hergestellt hat.

Es wird verschiedene Sprecherinnen geben und das wichtigste ist, dass wir dort einen symbolischen Austritt aus der Kirche vollziehen werden.

Birthe Lohmann, Feministische Aktion Flensburg

Warum? Das erklärt sie mir.

Keine Schwangerschaftsabbrüche im neuen Krankenhaus

Lohmanns inhaltlicher Fokus liegt auf dem Thema Schwangerschaftsabbruch. „Dazu gehört die Situation mit dem ökumenischen Krankenhaus, was 2026 fertiggestellt werden soll. Dort sollen keine Schwangerschaftsabbrüche mehr vorgenommen werden. Die Diako, das evangelisch geführte Krankenhaus, hatte bisher einen Vertrag mit der Stadt Flensburg und Abbrüche vorgenommen“, erklärt sie. Nun sollen die Krankenhäuser zusammengelegt werden und die katholischen Maltester geben die Regeln vor: Keine Abtreibungen im neuen Krankenhaus.

Als Symbol der Kleiderbügel

Lohmann übt daher vehement Kritik an den kirchlichen Trägern.

In meiner eigenen Familie haben sich in den 50er und 60er Jahren zwei meiner Cousinen umgebracht – vermutlich, weil sie ungewollt schwanger waren. Das war die Zeit vor der Pille. Mit der Pille sind die Suizide zurückgegangen. Die katholische Kirche weigert sich bis heute Verhütungsmittel zu akzeptieren. Das ist menschenverachtend.

Birthe Lohmann, Feministische Aktion Flensburg

Als Symbol bei ihren Aktionen nutzt die Gruppe daher öfter den Kleiderbügel aus Draht. Ein Gegenstand, mit dem viele Frauen früher versuchten, Abtreibungen selbst vorzunehmen. „Wenn es medizinisch keine gute Versorgung gibt, führt das dazu, dass Frauen sich selber helfen. Es ist lebensgefährlich mit Draht in die Gebärmutter einzudringen, weil sich der Muttermund bei Schwangeren extrem stark zuzieht. Und die Kirche und Konservativen drängen dahin zurück.“

Keine Kompromissangebote

Besonders stört sie, dass von Seiten der Kirchen keine ernstzunehmenden Kompromissangebote gemacht würden. „Klaus Deitmaring, [der Geschäftsführer des Malteser-Krankenhauses Anm. der Redaktion] sagt dem Inhalt nach: «Wir haben keine Kompromissmöglichkeit und können keine Problemlösung realisieren.» Das bedeutet: Wir haben das entschieden und reden nicht mit euch.“ Die evangelische Kirche betone zwar, dass Austausch wichtig sei, füge sich aber den katholischen Regeln. Und Reden helfe nur wenig, wenn man eine Abtreibung braucht. Für Lohmann repräsentiert das patriarchales Denken in Reinform. „Da geht es nur um Macht und Geld und nicht um das Leid von Frauen und anderen Menschen mit Uterus.“

Aktivismus unter Corona-Bedingungen schwierig

Dagegen möchte Lohmann gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der Feministischen Aktion protestieren. Die diesjährige Veranstaltung unter Pandemiebedingungen zu realisieren, sei jedoch sehr schwierig gewesen. Die Mitglieder hätten sich neben Uni, Arbeit und Schule noch zusätzlich am PC über den Onlinedienst Zoom getroffen. Durch die Corona-Mutation hätten sie die Planung immer wieder umschmeißen und flexibel halten müssen. Bis kurz vor Schluss sei nicht klar gewesen, was eigentlich stattfinden könne. „Aber das Thema ist so wichtig, wir können das nicht einfach ausfallen lassen.“ Zudem rufe das Bündnis auch bei Instagram zu Online-Protest und eigenen Aktionen auf.

Foto: 8M-Kiel - Feministisches Bündnis

Lohmann zählt sowieso auf die Kraft der Gedanken:

Jede Person, die demonstriert hat in Gedanken noch zehn weitere Freund*innen und Verbündete dabei. Dann sind wir 250.

Birthe Lohmann, Feministische Aktion Flensburg

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