Kampf gegen Kartelle

Mexikanischer Drogenboss und «El Chapo»-Sohn in USA gefasst

Mexikanischer Drogenboss und «El Chapo»-Sohn in USA gefasst

Mexikanischer Drogenboss und «El Chapo»-Sohn in USA gefasst

dpa
Mexiko-Stadt/Washington
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Ismael Zambada war Mitbegründer des gewalttätigen Sinaloa-Kartells. (Archivbild) Foto: Mario Rivera Alvarado/AP/dpa

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War es Verrat? Oder doch ein Deal mit der Justiz? Die Festnahme eines der gewieftesten Narco-Bosse aus Mexiko in den USA hat den Stoff für eine Serie. Experten warnen indes vor mehr Gewalt.

Einer der mächtigsten und meistgesuchten Drogenbosse Mexikos ist nach jahrzehntelanger Fahndung in den USA festgenommen worden. Die US-Behörden hätten Ismael «El Mayo» Zambada, Mitbegründer des berüchtigten Sinaloa-Kartells, in der texanischen Grenzstadt El Paso gefasst, teilte US-Justizminister Merrick Garland am Donnerstag (Ortszeit) mit. 

Mit ihm sei Joaquín Guzmán López verhaftet worden, ein Sohn des in den USA inhaftierten Capos Joaquín «El Chapo» Guzmán Loera und ebenfalls einer der Anführer des Kartells.

Zu den Umständen der Festnahme machte Garland keine Angaben. US-Medien berichteten unter Berufung auf Sicherheitsbeamte, dass Zambada getäuscht und in eine Falle gelockt worden sei. Das «Wall Street Journal» schrieb, er habe sich mit Guzmán López in ein Privatflugzeug gesetzt und gedacht, sie würden geheime Landeplätze in Mexiko besichtigen. Stattdessen sei die Maschine über die Grenze in die USA geflogen und auf einem kleinen Flugplatz in Texas gelandet, wo beide dann festgenommen worden seien. 

Von den eigenen Leuten verraten?

Die «New York Times» berichtete, Guzmán López selbst habe Zambada in das Flugzeug gelockt. Der Schlag sei monatelang vorbereitet worden, hieß es in den Berichten weiter. Mexikanische Medien schrieben dagegen, die beiden hätten sich freiwillig den US-Behörden gestellt - möglicherweise nach einem Deal mit der Justiz. 

Im Gegensatz zu anderen Drogenbossen, die gerne ein extravagantes Luxusleben zur Schau stellten, habe Zambada sehr zurückgezogen und eher diskret gelebt, hieß es. Zugleich habe der 76-jährige Ex-Kompagnon von «El Chapo» im großen Stil Politiker und Sicherheitsbeamte geschmiert. Dadurch habe er in seinen rund 50 Jahren im Drogengeschäft bislang nie gefasst werden können. 

Nach außen habe er sich als wohlhabender Rancher gegeben. Als solcher war er auch als «El Señor del Sombrero» (Der Herr mit dem Hut) bekanntgeworden. Sein Spitzname «El Mayo» soll sich ableiten von seinem zweiten Vornamen Mario. 

Die ständige Angst, gefasst zu werden

«Ich habe Panik davor, eingesperrt zu werden», hatte Zambada 2010 der mexikanischen Zeitschrift «Proceso» gesagt. Er lebe permanent in Angst. Sollte er festgenommen werden, hoffe er, den Mut zu haben, sich umzubringen, sagte er damals. Auf die Frage, ob er jemals gefasst werden würde, antwortete er: «In jedem Augenblick oder nie.» 

«El Mayo und Guzmán López reihen sich ein in eine immer länger werdende Liste von Anführern und Verbündeten des Sinaloa-Kartells, die das Justizministerium in den Vereinigten Staaten zur Rechenschaft zieht», sagte Garland. Beide hätten die kriminellen Machenschaften des Kartells angeführt, darunter die Herstellung der tödlichen Droge Fentanyl, die in den USA für eine verheerende Gesundheitskrise sorgt.

Das synthetische Opioid ist rund 50-mal stärker als Heroin und nach Angaben des Justizministeriums die häufigste Todesursache von Menschen zwischen 18 und 49 Jahren. Ursprünglich ist Fentanyl ein starkes Schmerzmittel.

Fachleute warnen vor mehr Gewalt

Experten glauben jedoch, dass die Festnahmen nicht viel bewirken werden. Es sei unwahrscheinlich, dass diese einen größeren Einfluss auf den Schmuggel von Fentanyl oder anderer Drogen aus Mexiko haben werden, sagte der Analyst Falko Ernst von der Denkfabrik International Crisis Group der «New York Times». 

Das Sinaloa-Kartell sei inzwischen eine stark dezentralisierte Organisation. «Wir sprechen hier nicht von einer Struktur, die von einigen wenigen Bossen abhängt - sie ist sehr diffus und widerstandsfähig gegen solche Schläge.» Stattdessen können es nun zu einem Machtkampf um die Vorherrschaft und somit zu mehr Gewalt kommen. 

Der mexikanische Kolumnist Héctor de Mauleón schrieb in der Zeitung «El Universal», die Festnahme Zambadas könne viele in seinem Land nervös machen - aus Angst, dass «El Mayo» auspackt. «In Mexiko kann das ein Erdbeben auslösen, denn Zambada ist der Drogenboss, der am längsten in Freiheit war.» 

Belohnung in Millionenhöhe

Das US-Außenministerium hatte eine Belohnung von bis zu 15 Millionen US-Dollar (13,8 Mio Euro) für Informationen ausgesetzt, die zur Festnahme Zambadas führen könnten. Gegen ihn liegen mehrere Anklagen in den USA vor, unter anderem wegen Verschwörung zur Herstellung von Kokain, Heroin, Methamphetamin und Fentanyl, zu Mord und Geldwäsche.

Zambada war nach «El Chapos» Festnahme im Jahr 2016 Chef eines Teils des Sinaloa-Kartells geblieben. ««El Chapo» verbüßt in den USA eine lebenslange Haftstrafe. Vier seiner Söhne, die als «Los Chapitos» («die kleinen Chapos») bekannt sind, traten als Anführer einer weiteren Fraktion auf - darunter auch der nun festgenommene Guzmán López.

Der jüngste von ihnen, Ovidio Guzmán, wurde festgenommen und im September von Mexiko an die USA ausgeliefert. Nach Angaben der US-Strafvollzugsbehörde wurde er erst vor zwei Tagen aus der Haft entlassen - ohne dass es ein Gerichtsverfahren und Verurteilung gegeben hätte. 

Auch «El Mayos» Sohn, Vicente Zambada Niebla, ist in den USA wieder frei. 2019 wurde er dort zu 15 Jahren Haft verurteilt, er kooperierte später mit den Justizbehörden und wurde vorzeitig freigelassen.

Die Kartelle aus Sinaloa und Jalisco führen blutige Bandenkriege

Neben zahlreichen kleineren Banden gibt es in Mexiko zwei große Drogenkartelle, die aus den Bundesstaaten Sinaloa und Jalisco stammen. Sie liefern sich gewalttätige Auseinandersetzungen um die Kontrolle des Drogenhandels und der Schleusung von Migranten, die in die USA gelangen wollen. 

Die Festnahmen von Drogenbossen führen häufig zu einer Zunahme der Gewalt. Im vergangenen Jahr wurden in Mexiko, das rund 126 Millionen Einwohner hat, mehr als 30.000 Morde registriert. 

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