RBB-Affäre
RBB-Führung nach Vertrauensverlust durch die ARD unter Druck
RBB-Führung nach Vertrauensverlust durch die ARD unter Druck
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Die ARD hat in der RBB-Affäre um die abberufene Intendantin Patricia Schlesinger das Vertrauen in die Spitze des Rundfunks Berlin-Brandenburg verloren. Dort wächst nun der Druck auf die Führungsriege.
In der Vetternwirtschaft-Affäre um die abberufene Intendantin Patricia Schlesinger wächst der Druck auf die Geschäftsleitung des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) immer weiter.
Der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow sprach am Samstag im Namen der Intendantenriege von verloren gegangenem Vertrauen in die RBB-Führung in der Aufarbeitung der Affäre. Eine solche Distanzierung unter öffentlich-rechtlichen ARD-Häusern ist beispiellos. In der ARD-Hauptnachrichtensendung «Tagesschau» am Samstagabend um 20 Uhr war das die Topnachricht.
Der RBB-Redaktionsausschuss forderte noch am Abend den sofortigen Rückzug der Geschäftsleitung. In einer Erklärung, die der Deutschen Presse-Agentur vorlag, hieß es: «Die RBB-Geschäftsleitung genießt kein Vertrauen mehr - weder in der ARD noch im eigenen Haus. Deshalb muss sie unverzüglich zurücktreten.» Der Ausschuss schrieb zudem: «Auch wir als Vertretung der Journalistinnen und Journalisten im RBB vertrauen nicht mehr darauf, dass mit dieser Geschäftsführung eine lückenlose Aufklärung möglich ist.»
DJV fordert «überzeugenden Neuanfang» nach «System Schlesinger»
Der geschäftsführende RBB-Intendant Hagen Brandstäter und der Sender äußerten sich am Samstag nicht zu dem ARD-Vorstoß. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte einen «überzeugenden Neuanfang» und sprach von einem «System Schlesinger». Der medienpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Stefan Förster, empfahl dem Rundfunkrat die Wahl einer «unabhängigen und überparteilichen Persönlichkeit als Interims-Intendanten».
Personelle Konsequenzen zog am Samstag die Rundfunkratsvorsitzende Friederike von Kirchbach. Sie trat schon vor der Erklärung Buhrows mit sofortiger Wirkung zurück. Das Kontrollgremium muss in Kürze den Weg zu einer neuen Intendantenwahl ebnen. Die Legislaturperiode des aktuellen Rundfunkrats läuft zugleich Ende des Jahres aus.
Verwaltungsrat tagt am Montag
Am Montag trifft sich das zweite Kontrollgremium bei dem ARD-Sender, der Verwaltungsrat. Bei der Sitzung will er über die konkrete Auflösung von Schlesingers Vertrag befinden und damit auch über die Frage, ob sie eine Abfindung erhalten soll.
ARD-Chef und WDR-Intendant Buhrow, der nach dem Rücktritt Schlesingers als ARD-Vorsitzender vor kurzem wieder die Geschäfte übernommen hatte, sieht die aktuelle Situation bei der kleineren ARD-Anstalt so: «Es scheint so instabil, dass man sagen kann, es besteht die Gefahr, dass sich die Strukturen des RBB anfangen aufzulösen.»
Die Intendantinnen und Intendanten wollen sich jetzt sogar hin und wieder ohne den RBB zu Sitzungen treffen. Aus Kreisen verlautete, dass es am Freitagabend zum ersten Mal eine Intendantenschalte ohne den RBB gab. Deutlicher kann ein Signal an die RBB-Führung nicht sein. «Wir, die Intendantinnen und Intendanten der ARD, haben kein Vertrauen mehr, dass der geschäftsführenden Leitung des Senders die Aufarbeitung der diversen Vorfälle zügig genug gelingt», hieß es von ARD-Chef Buhrow. Längst hat der Skandal auch das Ansehen des gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit ramponiert. Die ARD-Häuser sehen sich jetzt einem Generalverdacht ausgesetzt.
Umstrittenes Bonus-System für Führungskräfte
Nach dpa-Informationen soll mangelnde Aufklärung bei dem umstrittenen Bonus-System für Führungskräfte eine Rolle für den jetzt deutlichen Schritt in dem ARD-Kreis gespielt haben. Es war auch zu hören, dass manchmal nach Intendantenschalten ganz neue Sachlagen zu Vorwürfen rund um den RBB vorlägen, die zuvor nicht von dem Sender in der Runde kommuniziert worden seien.
Der Intendant des Norddeutschen Rundfunks (NDR), Joachim Knuth, hat den Vertrauensverlust der ARD in die RBB-Leitung mit fehlender Transparenz bei der Aufarbeitung der Affäre begründet. Knuth sagte am Samstag der Deutschen Presse-Agentur: «Das fehlende Vertrauen gilt der geschäftsführenden Leitung des RBB, weil die mehrfach eingeforderte Transparenz nicht hergestellt wurde.»
Zugleich betonte der NDR-Intendant: «Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des RBB gilt unsere Solidarität, sie sind und bleiben Teil der ARD-Familie und können sich unserer Unterstützung sicher sein.» Nötig sei jetzt ein zügiger Prozess, aus dem der RBB als Ganzes gestärkt hervorgehe.
RBB tief in der Krise
Der RBB ist seit Aufkommen der Vorwürfe der Vetternwirtschaft gegen Schlesinger und den zurückgetretenen Chefkontrolleur Wolf-Dieter Wolf in eine tiefe Krise gestürzt. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ermittelt wegen des Verdachts der Untreue und Vorteilsannahme. Es gilt die Unschuldsvermutung. Es gibt zudem eine externe Untersuchung einer Anwaltskanzlei. Ergebnisse gibt es noch nicht.
Schlesinger und Wolf wiesen die Vorwürfe zurück. Auch Schlesingers Ehemann und Ex-«Spiegel»-Journalist Gerhard Spörl steht im Fokus der Staatsanwaltschaft. Er hatte Aufträge von der landeseigenen Messe Berlin bekommen. Dort war Wolf auch Chefaufseher.
Viele Vorwürfe: Abendessen, Boni und eine grüne Pflanzenwand
Es gibt eine Serie von Vorwürfen: Es geht um Beraterverträge, Abendessen, Reisen, Massagesitze in einem teuren Dienstwagen, verschleierte Boni, eine grüne Pflanzenwand in der Chefetage – das alles in einem notorisch klammen Sender mit der schlechtesten ARD-Quote im Programm. Die Debatte dreht sich um fehlendes Fingerspitzengefühl und Moral.
Das umstrittene Bonus-System für Führungskräfte in dem Sender, das erst auf öffentlichen und internen Druck hin bekannt wurde, brachte besonders viele auf die Palme. Schlesinger bekam zudem eine kräftige Gehaltserhöhung um 16 Prozent auf 303.000 Euro.
Schlesinger war seit Jahresbeginn ARD-Vorsitzende und seit 2016 RBB-Intendantin, sie hatte es nach ganz oben geschafft. Ein Prestigeamt, die oberste Lobbyistin für die ARD. Erst auf enormen Druck hin trat sie zurück.