Corona-Pandemie

RKI: Inzidenzanstieg vor allem bei Jüngeren

RKI: Inzidenzanstieg vor allem bei Jüngeren

RKI: Inzidenzanstieg vor allem bei Jüngeren

dpa
Berlin
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Die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland steigt. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

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Vor allem bei Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen gibt es laut RKI einen Anstieg der Corona-Fälle. Ist das eine gute Nachricht, weil sie selten schwer krank werden - oder ein Vorbote für das, was in anderen Altersgruppen noch folgt?

Der derzeitige Anstieg der Corona-Inzidenz in Deutschland betrifft Senioren kaum, wohl aber die öfter noch ungeimpften jüngeren Menschen.

Das Robert Koch-Institut (RKI) weist die höchsten Werte von 32 Fällen pro 100.000 Einwohner für vergangene Woche bei den 15- bis 24-Jährigen aus. Bei Kindern zeigen sich in RKI-Daten vergleichsweise geringe Anstiege, Experten hatten aber auch einen dämpfenden Einfluss der Sommerferien auf die Ansteckungen erwartet. Für die Intensivstationen mag der Trend hin zu jüngeren Infizierten erst einmal wie ein gutes Zeichen wirken; erneute Spitzenbelastungen ähnlich wie in vergangenen Corona-Wellen halten Fachleute aber je nach Entwicklung durchaus noch für möglich.

«Wir haben bei den bisherigen Wellen mit Sars-CoV-2 gesehen, dass die Altersgruppe der 15- bis 34-Jährigen nur zu einem sehr geringen Anteil schwere Verläufe entwickelt haben, die intensivmedizinisch versorgt werden mussten», sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. «Das betraf weit unter ein Prozent der Infizierten. Zum Vergleich: Bei den Menschen über 60 sind es knapp 15 Prozent.» Aber man könne noch nicht sagen, wie sich das mit der neuen Delta-Variante verhalte. Der Blick gehe in Länder wie Großbritannien und Spanien, die in der Entwicklung ein paar Wochen voraus seien.

«Viele Millionen noch nicht geimpft»

«Relativ gesehen, werden dank der Impfungen weniger Erkrankte mit der Delta-Variante einen schweren Verlauf nehmen - das sieht man schon in Großbritannien», sagte Marx. «Was wir allerdings immer dabei bedenken müssen: Wir haben viele, viele Millionen Menschen noch nicht oder noch nicht komplett geimpft. Wenn dann die Rate an Neuinfektionen um ein Vielfaches höher ist, kann die Zahl der Patienten absolut genauso hoch werden wie in der zweiten und dritten Welle.» Welche Größenordnungen möglich sind, zeigt das Beispiel Großbritannien: Die Zahl der Neuinfektionen auf 100.000 Menschen innerhalb einer Woche bei den jungen Erwachsen lag dort zuletzt bei knapp über 1150 - der höchste je festgestellte Wert seit Ausbruch der Pandemie im vergangenen Jahr.

Dass je nach erreichter Impfquote und Verhalten der Bevölkerung erneut schlimmstenfalls in der Spitze über 6000 Covid-19-Fälle gleichzeitig auf Intensivstationen landen könnten, zeigen auch Szenarien, die das RKI am Donnerstag für Herbst und Winter vorgelegt hat. Es mahnte an, jetzt vorbeugend zu handeln.

Drosten zeigt sich besorgt

Auch der Berliner Virologe Christian Drosten erklärte, dass es eine deutlich höhere Impfquote als aktuell brauche, um eine schwere Winterwelle zu vermeiden. Er sei «zunehmend besorgt» darüber, dass der Impffortschritt nicht schneller gehe. Viele Menschen wiegen sich nach seiner Einschätzung in falscher Sicherheit, weil die Inzidenzen gerade niedrig sind.

Die Fachwelt steht nun vor der Frage, wie viele Infizierte man zulassen kann, ohne dass die Krankenhäuser Probleme bekommen. Der Blick auf Inzidenzzahlen müsse sich mit zunehmender Impfquote ändern, so Drosten. «Es kommt im Moment zu einer fortschreitenden Entkopplung zwischen Inzidenz und Krankheitsschwere.» Momentan sei die Lage auf den Intensivstationen unproblematisch, schildert Divi-Experte Marx. «Die allermeisten Patienten, die wir derzeit behandeln, liegen dort seit der dritten Welle.» Nur Einzelfälle mit Covid-19 würden an den Standorten neu aufgenommen.

«Solange wir in Krankenhäusern keine Folgen sehen, ist das Ziel der Impfungen erreicht», sagte der Präsident der Gesellschaft für Virologie, Ralf Bartenschlager, der dpa. «Das Virus wird ohnehin nicht mehr verschwinden, es wird jedes Jahr vor allem im Herbst und Winter wiederkommen und wer bis dahin nicht geimpft ist, wird sehr wahrscheinlich infiziert.» Der Experte der Universität Heidelberg rief dazu auf, die Inzidenz über den Sommer niedrig zu halten, davon werde man dann im Winter profitieren.

Für die vierte Welle rechnet Bartenschlager dank der Impfungen nicht damit, dass sie wie die vorherigen durch alle Altersgruppen hindurchschwappe. «Sie wird vor allem nicht immune Menschen treffen, deren Anzahl mit der Zeit immer kleiner werden wird. Für manche Gruppen wie Kinder muss man annehmen, dass das Virus schneller sein wird als die Impfung, aber diese Gruppe erkrankt auch sehr selten schwer.»

Forderung nach Tests in Schulen

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, mahnte unterdessen zu Beginn des neuen Schuljahres große Corona-Vorsicht an. Es brauche «eine Phase mit besonderen erhöhten Infektionsschutzmaßnahmen an Schulen», sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. In den ersten ein bis zwei Monaten des neuen Schuljahrs solle etwa «eine vollständige Maskenpflicht auch während des Unterrichts für alle Altersstufen gelten». Zudem sollten seiner Meinung nach die regelmäßigen Schnelltests fortgeführt werden, und zwar «am besten dreimal pro Woche». Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, machte in den Funke-Zeitungen sogar noch mehr Druck. Ziel müsse es sein, tägliche Testungen vor Unterrichtsbeginn zu ermöglichen, sagte er. Anfang August beginnt in den ersten Bundesländern das neue Schuljahr.

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