Internationaler Frauentag

Schleswigs Gleichstellungsbeauftragte im Interview

Schleswigs Gleichstellungsbeauftragte im Interview

Schleswigs Gleichstellungsbeauftragte im Interview

Marle Liebelt/shz.de
Schleswig
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Schleswigs Gleichstellungsbeauftragte Karin Petersen-Nißen arbeitet für ein buntes und tolerantes Schleswig. Foto: Marle Liebelt

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Karin Petersen-Nißen ist seit über 20 Jahren Schleswigs Gleichstellungsbeauftragte. Im Interview erzählt sie von ihrer Arbeit.

Am 1. März 2000 hat Karin Petersen-Nißen ihr Amt als Schleswigs Gleichstellungsbeauftragte angetreten. Heute, 21 Jahre später, kämpft sie noch immer für die Belange von Frauen und für ein gleichgestelltes und offenes Schleswig. Im Interview mit Redaktionsmitglied Marle Liebelt erzählt sie von ihrer Arbeit und was sie sich für Schleswig wünscht.

Frau Petersen-Nißen, seit 2000 sind Sie im Amt. Eine ganz andere Zeit?

Karin Petersen Nißen: 21 Jahre. Das ist schon eine lange Zeit. Ja, seitdem hat sich wirklich viel getan. Gleichzeitig sprechen wir aber in vielen Bereichen über dieselben Themen. Fordern dieselben Dinge.

Fangen wir mit etwas Positivem an. Was hat sich verbessert?

Wir sind auf einem guten Weg was die Vereinbarkeit von Familie und Job angeht. Aber nicht am Ende, das muss ich auch sagen. Aber ein Beispiel: Als ich hier im Rathaus angefangen habe, war es ein No-Go, sein Kind mit zur Arbeit zu bringen. Das gab es einfach nicht und wäre auch nicht gern gesehen worden. Irgendwann haben wir einen Arbeitsraum geschaffen, extra für den Fall, dass man mal keine Kinderbetreuung hat und das Kind mitkommen muss. Unser Anke-Zimmer.

Weil Anke da immer mit ihren Kindern reingeht?

(lacht) Nein. ANKE-Zimmer steht für: Arbeits-Notfall-Kinder-Eltern-Zimmer. Dieses Angebot wird aber gar nicht mehr so viel genutzt, weil es inzwischen im ganzen Haus toleriert wird, wenn hier mal ein Kind mit zur Arbeit muss.

Bringen auch Männer ihre Kinder mal mit zur Arbeit?

Das kam vor, ja. Aber häufiger sind es Frauen. Daran sieht man, dass wir noch weit davon entfernt sind, dass die sogenannte Care-Arbeit, in dem Fall das Kümmern um die Kinder, gleichermaßen von Vätern wie Müttern geleistet wird. Meistens bleibt es doch an der Mutter hängen.

Weil die Väter sich nicht in der Rolle sehen?

Das kann zum Teil noch so sein, klar. Aber häufig liegt es gar nicht am Vater selbst, der das nicht möchte. Sondern vielmehr am Arbeitgeber, den Kollegen oder den Strukturen, die das erschweren. Männer müssen sich dafür oft rechtfertigen oder sind unangenehmen Kommentaren ausgesetzt.

Auch im Rathaus?

Ich hoffe nicht! Nein, wir sind sicher nicht am Ziel angekommen, aber auf dem richtigen Weg. Die Stadt ist als Arbeitgeberin auch der Gleichstellung stärker verpflichtet. Anders als Privatunternehmen.

Was kann die Stadt noch besser machen?

Repräsentation wäre da zum Beispiel ein großes Thema. In der Ratsversammlung sind Frauen deutlich in der Unterzahl. Und es ist wichtig, dass Frauen dort, wo Entscheidungen getroffen werden, angemessen vertreten sind.

Weil Frauen anders Politik machen?

Ja. Sie haben einfach einen anderen Blick auf Themen. Das gilt auch für die Posten in den Ämtern der Stadt. Frauen werfen den Genderblick deutlicher auf Entscheidungen. Es ist nie gut, wenn bestimmte Ressorts rein männlich besetzt sind.

Wie geht denn der Genderblick im Bauamt zum Beispiel?

Ist eine Kita im Wohngebiet? Gibt es Spielplätze? Dunkle Ecken, in der besonders Frauen sich unwohl fühlen? Aspekte, für die Frauen oft einfach sensibler sind, weil sie sie mehr betreffen.

Also mehr Frauen in politische Ämter?

Definitiv. Oder anders gesagt: Halbe Macht den Männern! (zwinkert) Frauen sollten überall vertreten sein. Wenn das nicht von alleine passiert, muss eben nachgeholfen werden. Auch, damit Mädchen überall weibliche Vorbilder haben und nicht mit dem Gefühl aufwachsen, manche Berufe oder Tätigkeiten machen halt nur Jungs und Männer. Gerade wenn es um Berufe geht, in denen Entscheidungen getroffen werden, darf niemand das Gefühl haben, er oder sie gehöre dort nicht hin.

... gilt ja nicht nur für Frauen. Die Ratsversammlung ist zum Beispiel sehr weiß.

Auch das gehört zu meiner Gleichstellungsarbeit dazu. Ich wünsche mir ein buntes Schleswig. Ich möchte, dass möglichst viele Gruppen in der Stadt sichtbar sind, toleriert, aber vor allem auch wertgeschätzt werden. Unterschiedlich sein ist ja gerade die Bereicherung.

Wie kann man das erreichen?

Durch verschiedene Aktionen. Wir machen zum Beispiel beim Projekt „Echte Vielfalt“ mit.

Worum geht es da?

Da geht es vor allem darum, verschiedene sexuelle Identitäten als Teil unserer Gesellschaft zu stärken und die Heterosexualität als Norm abzuschaffen. Paare müssen nicht aus einem Mann und einer Frau bestehen. Genauso wenig wie Familien immer Mutter-Vater-Kind-Konstellationen sein müssen.

Wie muss ich mir das Projekt vorstellen?

Es soll vor allem auf das Thema aufmerksam machen. Jeder kennt den Regenbogen als Symbol der Lesben und Schwulenbewegung. Wir überlegen, ob wir ihn zum Beispiel als Symbol in der Stadt sichtbar machen. Auf Plakaten, Flyern oder auch Bildern, die in Kitas und Schulen gemalt und dann an verschiedenen Stellen ausgehängt werden.

Reicht es, auf das Thema aufmerksam zu machen?

Nein. Das löst keine Probleme oder Missstände. Aber es geht auch nicht, ohne dass man ein Bewusstsein schafft. Dafür sind so Aktionen nach wie vor notwendig. Der anstehende Frauentag am 8. März ist das beste Beispiel. Nur weil wir einen internationalen Frauentag haben, sind Frauen nicht gleichgestellt. Sie bekommen weniger Gehalt, ihnen wird Gewalt angetan, sie übernehmen mehr Care-Arbeit als Männer, sind in Spitzenpositionen der Wirtschaft und Politik klar unterrepräsentiert. Der Frauentag ist ein wiederkehrendes Ereignis, an dem auf diese Schieflagen aufmerksam gemacht wird. Das ist enorm wichtig.

Was wünschen Sie sich von den Schleswigern und Schleswigerinnen in Bezug auf eine geschlechtergerechte Gesellschaft?

Gehen Sie aufmerksam durch die Stadt, hören Sie einander zu. Schauen Sie hin, wenn Ungerechtigkeit passiert und stehen Sie füreinander ein. Respektieren und tolerieren Sie einander. Aber vor allem: Schätzen Sie einander Wert!

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