Tod eines Kindes

Vater beteuert Unschuld in Prozess um Tod des kleinen Sohnes

Vater beteuert Unschuld in Prozess um Tod des kleinen Sohnes

Vater beteuert Unschuld in Prozess um Tod des kleinen Sohnes

dpa
Innsbruck
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Der Ort eines Überfalls oder der Ort eines Mordes? Der Vater eines Sechsjägrigen steht unter schwerem Verdacht. Foto: Georg Köchler/Zoom Tirol/apa/dpa

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Ein Vater soll sein Kind in einen Fluss gestoßen haben. Der Deutsche bestreitet das vehement. Viele Zeugen sollen helfen, die Vorwürfe zu bewerten. Die acht Geschworenen spielen eine Schlüsselrolle.

Unter Tränen hat im Mordprozess um den Tod eines sechsjährigen Kindes der angeklagte Vater vor dem Landgericht Innsbruck jede Schuld bestritten. Er sei in der fraglichen Nacht mit seinem geistig beeinträchtigten Kind wie so oft wegen dessen Unruhe spazieren gegangen. Dabei sei er überfallen, mit einer Flasche niedergeschlagen und beraubt worden, wiederholte der aus Deutschland stammende 39-Jährige bisherige Aussagen. Während seiner Ohnmacht müsse sein Sohn Leon in den nahen Fluss gefallen sein. Laut Anklage hat der Mann diese Version erfunden und vielmehr selbst den Jungen im August 2022 in die Hochwasser führende Kitzbüheler Ache gestoßen. 

Leon auf Sandbank entdeckt

Am 28. August 2022 gegen fünf Uhr morgens hatte ein Passant auf der Promenade in St. Johann in Tirol den bewusstlosen Vater gefunden, daneben einen umgekippten Kinderwagen. Wenig später entdeckten Einsatzkräfte Leon auf einer Sandbank der Ache. Er war laut Obduktion ertrunken.

Ankläger: Lange Ohnmacht unglaubwürdig

Die Staatsanwaltschaft erklärte zum Auftakt, es sei vollkommen unglaubwürdig, dass der 39-Jährige über eine Stunde lang ohnmächtig gewesen sein soll. «Die Medizin kann es uns nicht erklären, warum er so lange bewusstlos war - die Strafjustiz kann es.» Videoaufnahmen zeigten, dass sich die Tatwaffe beim angeblichen Überfall - eine Sektflasche - im Kinderwagen befunden habe. Es gebe keine DNA-Spuren von einem etwaigen Täter am Handy oder an der Kleidung des Angeklagten - somit sei dies nicht mit dem angeblichen Raubüberfall in Einklang zu bringen. Das Handy - damals das neueste iPhone - sei nicht gestohlen, sondern in einem Mülleimer entsorgt worden.

Außerdem habe das Mobiltelefon die Schritte eines angeblichen Räubers nicht aufgezeichnet, argumentierte der Ankläger. Aus der Handyauswertung gehe obendrein hervor, dass der Mann kurze Zeit vor dem Tod des Kindes nach dem Wort «ohnmächtig» gesucht habe.

Gutachter zweifeln an langer Bewusstlosigkeit

Ein Gerichtsmediziner zweifelte in seinem Gutachten an, dass die Kopfverletzungen des Verdächtigen schwer genug für eine Bewusstlosigkeit gewesen seien. Der 39-Jährige habe eine kleine Rissquetschverletzung am Hinterkopf und einige Abschürfungen im Gesicht gehabt. «Die Verletzung ist nicht übereinstimmend mit der langen Bewusstlosigkeit. Üblicherweise gibt es da gar keine Bewusstlosigkeit», so der Gutachter. Bei einem wuchtigen Schlag mit einer Flasche würden andere Verletzungen auftreten. Auch für eine psychiatrische Sachverständige war eine lange Bewusstlosigkeit aus neurologischer Sicht nicht erklärbar, es gebe keinen objektiven Grund dafür. 

Verteidigung sieht voreingenommene Ermittlungen

Die Verteidigung kritisierte die Ermittlungen scharf. Ab einem bestimmten Zeitpunkt seien diese nicht mehr ergebnisoffen gewesen, sondern hätten den Tatverdacht erhärten sollen, so einer der Verteidiger vor Beginn der Verhandlung. Zudem habe der Vater sein Kind geliebt. Das könnten sicher auch die geladenen Zeugen bestätigen, gab sich die Verteidigung selbstbewusst. 

Ein zweiter Verteidiger betonte, dass auch zwischen die Eheleute «kein Blatt Papier passt». Der Junge habe zudem vor seinem Tod erhebliche Fortschritte gemacht, seine Prognose sei gut und die Betreuung gesichert gewesen. Ein fehlender Kindergartenplatz könne nicht als Motiv dienen.

Staatsanwalt: Verdächtiger wollte vielleicht Kind erlösen

Auch der Ankläger räumte ein, dass der 39-Jährige wohl ein liebevoller Vater gewesen sei. Aber als die Suche nach einem Kindergartenplatz gescheitert sei, habe sich der 39-Jährige in einer Nachricht an die Mutter gefragt, «wie viele Rückschläge man verkraften» könne. «Vielleicht wollte er sein Kind erlösen, vielleicht wollte er seine Familie erlösen», meinte der Staatsanwalt. Der Verdächtige lebt seit 2010 in Österreich. Nach Angaben der «Tiroler Tageszeitung» lernte er damals seine Frau kennen. Das Paar hat noch eine Tochter. 

Bei den Ermittlungen wurden mehrere Sachverständigengutachten eingeholt und 100 DNA-Spuren analysiert. Unter anderem war überprüft worden, welche Mobiltelefone zur Tatzeit rund um den Tatort eingeloggt gewesen waren. 

Acht Geschworene spielen Schlüsselrolle

Die Ermittler waren zunächst von einem Raubüberfall ausgegangen. Aber dann wendete sich das Blatt und der Vater wurde ein halbes Jahr nach dem Vorfall festgenommen. Der Prozess ist zunächst auf drei Tage anberaumt. In dieser Zeit sollen rund 25 Zeugen aussagen. Eine Schlüsselrolle bei dem Prozess spielen die acht Geschworenen. Geschworene sind juristische Laien, die nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden. Sie allein bestimmen über Schuld oder Unschuld des Verdächtigen. Das Urteil soll es am 1. August geben.

 

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