Krieg in der Ukraine
Koalitionsstreit um Kampfpanzer-Lieferungen eskaliert
Koalitionsstreit um Kampfpanzer-Lieferungen eskaliert
Koalitionsstreit um Kampfpanzer-Lieferungen eskaliert
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Schon lange ringt die Bundesregierung mit sich: Grüne und FDP drängen auf stärkere auch militärische Unterstützung Kiews, Kanzler Scholz und seine SPD mahnen zur Vorsicht. Nun kommt es zum offenen Krach.
Die Differenzen innerhalb der Ampel-Regierung um Kampfpanzer-Lieferungen an die Ukraine wachsen sich zu einem handfesten Koalitionskrach aus. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich lieferten sich einen heftigen öffentlichen Schlagabtausch mit gegenseitigen Schuldzuweisungen.
Strack-Zimmermann bezeichnete Mützenich auf Twitter als «das Sinnbild aller zentralen Verfehlungen deutscher Außenpolitik». Sie schrieb: «Seine Ansichten von gestern führen in die Probleme von morgen. Er ist nicht mehr in der Lage, sein Weltbild der Realität anzupassen.»
Mützenich fordert Vernunft statt «Schnappatmung»
Am Freitag hatte Strack-Zimmermann Kanzler Olaf Scholz (SPD) im ZDF-«heute journal» angegriffen, was wiederum eine heftige Reaktion Mützenichs auslöste. «Frau Strack-Zimmermann und andere reden uns in eine militärische Auseinandersetzung hinein. Dieselben, die heute Alleingänge mit schweren Kampfpanzern fordern, werden morgen nach Flugzeugen oder Truppen schreien», sagte Mützenich der Deutschen Presse-Agentur. «Eine Politik in Zeiten eines Krieges in Europa macht man nicht im Stil von Empörungsritualen oder mit Schnappatmung, sondern mit Klarheit und Vernunft.»
Strack-Zimmermann hatte die Kommunikation insbesondere von Scholz in der Frage von Kampfpanzer-Lieferungen an die Ukraine als «Katastrophe» bezeichnet, denn einerseits unterstütze Deutschland die Ukraine massiv, durch die ausbleibende Entscheidung bei den Kampfpanzern entstehe aber ein anderer Eindruck. Scholz bleibe Erklärungen dafür schuldig.
Strack-Zimmermann: «Deutschland hat leider versagt»
«Die Geschichte schaut auf uns, und Deutschland hat leider gerade versagt», sagte die FDP-Politikerin mit Blick auf die weiterhin ausstehende Entscheidung der Bundesregierung über die Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern an Kiew. Am Freitag hatten sich die Verbündeten zu einer Ukraine-Konferenz in Ramstein getroffen, bei der weitere Milliardenhilfen für das von Russland überfallene Land vereinbart wurden. Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kündigte am Rande des Treffens eine Überprüfung der Verfügbarkeit und Stückzahl der Leopard-Panzer an.
«Zumindest wäre ein Signal richtig gewesen, den Partnern schon mal grünes Licht zu geben», sagte Strack-Zimmermann. Damit meinte sie den Wunsch von Ländern wie Polen, eigene Leopard-2 aus deutscher Produktion an die Ukraine zu liefern. Dazu benötigen sie eine Genehmigung aus Berlin. Sie sei sich allerdings sicher, dass die Leopard-2-Panzer am Ende an die Ukraine geliefert würden.
Mützenich betonte, Sicherheitspolitik beschränke sich nicht auf Waffenlieferungen. «Eine enge Abstimmung mit der militärischen Weltmacht USA und der Versuch einer Einbeziehung der aufsteigenden Ordnungsmacht China ist für ein belastbares Ende des Krieges in der Ukraine elementar.» Beiden Ansprüchen werde Scholz seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine gerecht. Er warnte auch vor einem neuen Kalten Krieg. «Zahllose alte und neue Kriege, auch in Europa, mit allen furchtbaren Konsequenzen wären die Folgen.»
Auch die grüne Bundestags-Vizepräsidenten Katrin Göring-Eckardt zeigte sich enttäuscht. «Ich hätte mir gewünscht, dass bereits in dieser Woche die deutsche Regierung den Weg für die Lieferung von Leopard-Panzern freigemacht hätte», sagte sie der Funke Mediengruppe. «Diese werden in der Ukraine dringend gebraucht. Die Ukraine verteidigt nicht nur ihr eigenes Land, sondern auch unsere Freiheit.»
Botschafter Makeiev: «Wir brauchen deutsche Panzer»
Der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev forderte die Bundesregierung eindringlich auf, den Weg für die Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern sofort freizumachen. «Wir brauchen deutsche Panzer - und zwar jetzt», sagte er der dpa. «Wir haben keine Zeit zum Prüfen, Überlegen und Zögern. Was wir brauchen: entscheiden, trainieren und koordiniert liefern. Unverzüglich.» Makeiev zeigte sich vom Ergebnis der Ramstein-Konferenz enttäuscht. «Ich muss ehrlich sein, wir hatten viel mehr von unseren deutschen Partnern erwartet.» Auch Präsident Wolodymyr Selenskyj habe bei der Konferenz deutlich gemacht, dass es in der Macht Deutschlands liege, ob die Panzer geliefert werden.
SPD-Außenpolitiker Nils Schmid betonte im Deutschlandfunk, es sei ja nicht so, dass Pistorius nun anfangen müsse, Panzer zu zählen, sondern es gehe darum, für die Unterstützung der Ukraine sinnvolle Pakete in Abstimmung mit Partnern zu schnüren. Und das müsse vorbereitet werden. «Der Eindruck, der gelegentlich entstanden ist, es gebe eine geschlossene Koalition und Deutschland stehe im Weg - dieser Eindruck ist falsch.» Schmid betonte, eine sorgfältige und umsichtige Abwägung der Eskalationsrisiken und Abstimmung mit den Verbündeten sei nötig. Offensichtlich gebe es noch kein einheitliches Meinungsbild, «das heißt aber nicht, dass eine solche Waffenlieferung nicht kommen kann. Es wird weiter daran gearbeitet.»
Zuletzt hatte es Berichte gegeben, wonach Scholz die Lieferung des US-Kampfpanzers vom Typ Abrams zur Bedingung für eine mögliche Entsendung deutscher Kampfpanzer gemacht habe. Pistorius hatte jedoch auch nach Aussage von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin klargemacht, dass es einen solchen Zusammenhang nicht gebe.
Auch die Außenminister der baltischen Länder forderten Deutschland auf, Leopard-Panzer an die Ukraine zu liefern. «Das ist nötig, um die russische Aggression zu stoppen, der Ukraine zu helfen und den Frieden in Europa schnell wieder herzustellen», schrieb der lettische Außenminister Edgars Rinkevics auf Twitter - nach eigenen Angaben auch im Namen seiner Amtskollegen aus Estland und Litauen. «Deutschland hat als europäische Führungsmacht diesbezüglich eine besondere Verantwortung.»
Kämpfe gehen unvermindert weiter
Bei einer neuen Offensive im Süden der Ukraine hat das russische Militär derweil nach eigenen Angaben Geländegewinne erzielt. Die Region Saporischschja gilt als strategisch wichtig. Beide Seiten haben dort große Truppenkontingente stationiert. Aus ukrainischer Sicht wäre ein russischer Vormarsch gefährlich, weil dann die eigenen im Osten stationierten Truppen zur Verteidigung des Donbass in Gefahr geraten könnten, eingekesselt zu werden. Auf russischer Seite befürchtet man, dass die Ukrainer mit einem Vorstoß Richtung Meer einen Keil zwischen die russischen Truppen treiben könnten, womit die Versorgung der Einheiten in der Region praktisch unmöglich würde.
Nach britischer Einschätzung herrscht in der Ukraine derzeit ein militärisches Patt. «Der Konflikt befindet sich insgesamt in einer Sackgasse, teilte das britische Verteidigungsministerium mit. «Es besteht jedoch eine realistische Möglichkeit lokaler russischer Vorstöße um Bachmut.» Die Stadt im ostukrainischen Gebiet Donezk steht seit Monaten im Mittelpunkt der Gefechte.