Krieg in der Ukraine

Butscha: Grausame Bilder nach russischem Rückzug

Butscha: Grausame Bilder nach russischem Rückzug

Butscha: Grausame Bilder nach russischem Rückzug

dpa
Kiew
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Ein zerstörtes Auto auf einer Landstraße in Butscha. Fast 300 Zivilisten wurden entlang der Straße in Butscha, einer Pendlerstadt außerhalb der Hauptstadt, getötet. Foto: Mykhaylo Palinchak/SOPA Images via ZUMA Press Wire/dpa

Die russischen Truppen ziehen sich aus der Umgebung von Kiew zurück. Nach und nach wird die schreckliche Hinterlassenschaft deutlich. Die Welt zeigt sich entsetzt über die Situation in Butscha.

Nach dem Rückzug der russischen Truppen aus der Umgebung der ukrainischen Hauptstadt Kiew bietet sich ein Bild des Grauens. In der wochenlang heftig umkämpften Vorstadt Butscha im Nordwesten Kiews wurden zahlreiche Leichen entdeckt.

Nach ukrainischen Angaben lagen Dutzende Tote auf den Straßen. In einem Massengrab wurden etwa 280 Todesopfer bestattet, die während der Angriffe nicht beigesetzt werden konnten.

Viele von ihnen seien von russischen Soldaten erschossen worden, twitterte der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak. «Sie waren nicht beim Militär, sie hatten keine Waffen, sie stellten keine Bedrohung dar», schrieb er. «Wie viele derartige Fälle ereignen sich gerade in den besetzten Gebieten?»

Auf einem Foto, das Podoljak in seinem Tweet teilte, waren erschossene Männer zu sehen, bei einem von ihnen waren die Hände auf dem Rücken gefesselt. Die Echtheit des Bildes konnte nicht unabhängig geprüft werden. Auch weitere Berichte ukrainischer Medien über vermeintliche Gräueltaten russischer Soldaten konnten nicht unabhängig überprüft oder bestätigt waren. Unter ein anderes Bild kommentierte Podoljak: «Die Hölle des 21. Jahrhunderts.»

Internationales Entsetzen

Die Entdeckungen lösten international Entsetzen aus. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach am Sonntag von Horrorszenen nach dem Abzug der russischen Truppen aus der Umgebung von Kiew. Auf Twitter verlangte sie eine unabhängige Untersuchung. Zugleich versicherte sie: «Kriegsverbrecher werden zur Verantwortung gezogen.»

Der britische Sender BBC berichtete in einem Film aus Butscha, dass Bewohner von jungen russischen Wehrpflichtigen auf der Flucht um Hilfe angefleht worden seien. «Dies ist ein Friedhof der russischen Hoffnungen, Kiew einzunehmen», sagte ein BBC-Reporter zu Aufnahmen verkohlter Panzer und anderer Militärfahrzeuge. Er ließ eine Bewohnerin namens Maria zu Wort kommen: «Zum ersten Mal seit 38 Tagen haben wir wieder Brot.»

Klitschko: Völkermord in Butscha

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko sagte der «Bild»-Zeitung: «Das, was in Butscha und anderen Vororten von Kiew passiert ist, kann man nur als Völkermord bezeichnen.» Für die Kriegsverbrechen sei der russische Präsident Wladimir Putin persönlich verantwortlich. Klitschko forderte: «Für die ganze Welt und insbesondere Deutschland kann es nur eine Konsequenz geben: Kein Cent darf mehr nach Russland gehen, das ist blutiges Geld, mit dem Menschen abgeschlachtet werden.» Ein Embargo auf russisches Gas und Öl müsse sofort kommen. Das russische Verteidigungsministerium in Moskau nahm zu den Vorwürfen zunächst nicht Stellung.

EU-Ratspräsident Charles Michel hat Russland für Gräueltaten in der Umgebung von Kiew verantwortlich gemacht. Der belgische Politiker warf den russischen Truppen bei Twitter vor, in der Vorortgemeinde Butscha ein Massaker angerichtet zu haben. Die EU werde beim Sammeln von Beweisen helfen, um die Verantwortlichen vor internationale Gerichte stellen zu können. Zugleich kündigte er weitere EU-Sanktionen gegen Russland und Unterstützung für die Ukraine an.

Kuleba fordert härtere Sanktionen

Nach Bekanntwerden von Gräueltaten hat der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba härtere Sanktionen der G7-Staaten gegen Russland gefordert. «Das Massaker von Butscha war vorsätzlich. Die Russen zielen darauf ab, so viele Ukrainer wie möglich auszulöschen», schrieb Kuleba auf Twitter. «Wir müssen sie aufhalten und rausschmeißen.»

Dem britischen Sender Times Radio sagte Kuleba, es habe sich bei den Getöteten weder um Guerilla-Kämpfer noch um Menschen gehandelt, die den Russen Widerstand geleistet hätten. Sie seien aus Ärger und reiner Mordlust getötet worden. Er fügte hinzu: «Russland ist schlimmer als der IS, Punkt.»

Kuleba kündigte an, sich dafür einzusetzen, dass die Verantwortlichen für Gräueltaten in seinem Land zur Verantwortung gezogen würden. Dazu gehöre auch der russische Außenminister Sergej Lawrow, den er als «einen der Architekten der russischen Aggression gegen die Ukraine» bezeichnete.

Die britische Außenministerin Liz Truss kündigte unterdessen mit Blick auf die Gräueltaten an, Großbritannien werde «nicht eher ruhen», bis die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen seien. Das schließe russische Kommandeure und Personen innerhalb der russischen Regierung mit ein, betonte sie.

Auch US-Außenminister Antony Blinken zeigte sich entsetzt über die Gräueltaten. «Man kann nicht anders, als diese Bilder als einen Schlag in die Magengrube zu sehen», sagte Blinken dem Sender CNN. Der Minister verwies darauf, dass die US-Regierung bereits im vergangenen Monat zu dem Schluss gekommen sei, dass russische Truppen in der Ukraine Kriegsverbrechen begingen. «Das ist die Realität, die sich jeden Tag abspielt, solange Russlands Brutalität gegen die Ukraine anhält. Deshalb muss es ein Ende haben.»

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