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EU will Migrationspolitik verschärfen

EU will Migrationspolitik verschärfen

EU will Migrationspolitik verschärfen

dpa
Brüssel
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Die EU will mit dem strengen Kurs gegen Menschenschmuggler ankämpfen sowie mehr Grenzschutz und schnellere Abschiebungen erreichen. Foto: Monika Skolimowska/dpa

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Seit Jahren streiten die EU-Staaten über die gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik. Nun suchen wieder viele Menschen in Europa Schutz. Prompt bestimmt das Thema wieder einen EU-Gipfel.

Wegen der starken Zunahme unerwünschter Migration hat die Europäische Union sich auf eine Verschärfung der gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik verständigt. Kanzler Olaf Scholz und seine Kollegen einigten sich am frühen Freitagmorgen beim EU-Gipfel in Brüssel darauf, illegale Einreisen möglichst von vornhinein zu verhindern beziehungsweise unattraktiver zu machen. Dies soll etwa durch mehr Grenzschutz, schnellere Abschiebungen und einen verstärkten Kampf gegen Menschenschmuggler geschehen.

«Wir werden handeln, um unsere Außengrenzen zu stärken und irreguläre Migration zu verhindern», sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Scholz (SPD) betonte: «Wir sind in der Lage, hier uns zusammenzufinden und gemeinsame Positionen zu entwickeln, die uns für die Zukunft helfen.» Notwendig seien sowohl die Kontrollen an den Außengrenzen als auch die Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern. Die EU habe großen Bedarf an Fachkräften, weshalb auch legale Migration notwendig sei.

Zäune entlang der Außengrenzen?

Nach Angaben von der Leyens soll es in einem ersten Schritt zwei Pilotprojekte geben. Eines sehe vor, die Grenze zwischen dem EU-Land Bulgarien und der Türkei etwa mit Fahrzeugen, Kameras, Straßen und Wachtürmen zu sichern. Diese sollten aus EU-Mitteln, dem bulgarischen Haushalt und Beiträgen der EU-Staaten finanziert werden. Bei dem zweiten Projekt soll es von der Leyen zufolge um die Registrierung von Migranten, ein schnelles Asylverfahren sowie um Rückführungen an der Außengrenze gehen. Den möglichen Standort ließ die deutsche Politikerin offen.

Politisch umstritten war vor dem Gipfel vor allem die Frage, ob künftig auch Zäune entlang der Außengrenzen aus dem EU-Haushalt finanziert werden sollten. Länder wie Österreich oder Griechenland fordern dies vehement, die EU-Kommission, Deutschland und Luxemburg sind dagegen. «Es wäre eine Schande, wenn eine Mauer in Europa gebaut würde mit den europäischen Sternen drauf», sagte Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel am Rande des Gipfels. In der Abschlusserklärung wird die EU-Finanzierung von Zäunen nicht genannt. Es heißt lediglich, dass EU-Mittel unter anderem für «Infrastruktur» an den Grenzen mobilisiert werden sollten.

Asylsysteme sollen entlastet werden

Einig sind sich die EU-Staaten hingegen darin, dass mehr Druck auf Länder gemacht werden sollte, die bei der Rücknahme abgelehnter Asylbewerber nicht kooperieren. Dies soll dazu führen, dass mehr Menschen ohne Bleiberecht die EU verlassen und so die teils stark überlasteten Asylsysteme entlastet werden. Zudem wollen die Mitgliedstaaten künftig gegenseitig Rückführungsentscheidungen anerkennen. Auch das soll Abschiebungen beschleunigen.

Druck auf unkooperative Herkunftsstaaten wollen die EU-Staaten etwa über eine verschärfte Visa-Politik, die Handelspolitik und die Entwicklungshilfe machen. Zugleich sollen aber auch Möglichkeiten für legale Migration geschaffen werden. Österreichs Kanzler Karl Nehammer feierte die Beschlüsse und sprach von einem «neuen Schwerpunkt» in der Migrationspolitik, der nun weiterentwickelt werden müsse. «Den Worten müssen Taten folgen.»

Zahl der Asylanträge gestiegen

Auf der Gipfel-Tagesordnung stand das Thema vor allem deshalb, weil die Zahl der Asylanträge 2022 im Vergleich zum Vorjahr um fast 50 Prozent auf 924.000 gestiegen ist. Hinzu kamen rund 4 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine, die nicht Asyl beantragen müssen.

Knackpunkt in der Asyl- und Migrationspolitik war früher lange die Frage gewesen, ob Schutzsuchende verpflichtend von allen EU-Staaten aufgenommen werden sollten. Länder wie Ungarn, Polen und Österreich lehnten derlei Quoten kategorisch ab. Mittlerweile konzentrieren die EU-Staaten sich eher auf Themen wie einen stärkeren Außengrenzschutz, bei denen es Gemeinsamkeiten gibt. Die oft emotionale Debatte soll versachlicht werden. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte nach dem Gipfel, die Stimmung sei sehr viel ruhiger gewesen als noch 2018.

Kritik an den Beschlüssen

Die geplante Verschärfung der Asyl- und Migrationspolitik stieß teils auf deutliche Kritik. «Symbolhafte Maßnahmen wie Grenzzäune sind keine ernstzunehmende Antwort», sagte der Grünen-Europaabgeordnete Rasmus Andresen am Freitag über die Ergebnisse eines EU-Gipfels in Brüssel. Jan-Christoph Oetjen, migrationspolitischer Sprecher der FDP im EU-Parlament, sagte: «Die Ergebnisse des Rates bei Migrationsfragen sind enttäuschend.» Die Unionsfraktion im Bundestag kritisierte vor allem, dass Scholz keine gleichmäßigere Verteilung der Ukraine-Flüchtlinge durchgesetzt habe.

Länder wie Österreich, Italien und die Niederlande zeigten sich dagegen mehr als zufrieden. Italiens rechte Regierungschefin Giorgia Meloni sprach am Freitag von einem «großen Sieg für Italien». «Der Europäische Rat hält erstmals schwarz auf weiß fest: Die Migration ist ein europäisches Problem und fordert europäische Antworten.» Österreichs konservativer Kanzler Karl Nehammer sprach von einem «echten Durchbruch». Er habe von vielen Kollegen gehört, dass «noch nie so klar, so ehrlich und offen über die Herausforderungen der Migration» gesprochen worden sei.

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