Nahost

Gaza-Krieg: Moment der Hoffnung und weitere Ungewissheit

Gaza-Krieg: Moment der Hoffnung und weitere Ungewissheit

Gaza-Krieg: Moment der Hoffnung und weitere Ungewissheit

dpa
Gaza/Tel Aviv
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Israelische Soldaten sind nahe der Grenze zum Gazastreifen im Süden Israels im Einsatz. Foto: Ohad Zwigenberg/AP/dpa

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Mit der Freilassung einiger aus Israel in den Gazastreifen verschleppter Geiseln gab es für Angehörige Grund zum Aufatmen. Für viele andere geht die Ungewissheit weiter. Der Überblick.

Es ist bereits dunkel, als mehrere Geländewagen des Roten Kreuzes den Grenzübergang Rafah passieren: Knapp sieben Wochen nach den Terrorangriffen der Hamas auf Israel und dem Beginn des Gaza-Kriegs sind die ersten Geiseln infolge eines Abkommens freigekommen. Darunter sind auch vier Deutsche, wie Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Abend bestätigte.

Eine Gruppe von 24 aus Israel verschleppten Menschen konnte den Gazastreifen verlassen, wie ein Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf mitteilte. Israel bestätigte später die Ankunft der Geiseln auf seinem Staatsgebiet. Das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu veröffentlichte am Abend eine Namensliste der 13 israelischen Freigelassenen. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes waren darunter 4 Doppelstaatler, die auch einen deutschen Pass haben - eine 34-Jährige sowie ihre beiden Töchter im Alter von zwei und vier Jahren sowie eine 77-Jährige. Sie waren aus dem Kibbuz Nir Oz entführt worden.

Freigelassen wurden auch zehn entführte Thailänder und ein philippinischer Staatsbürger.

Unter den lebendig Freigelassenen war auch eine 76-jährige Israelin, die vor einigen Tagen von der Terrororganisation Islamischer Dschihad für tot erklärt worden war.

«Ich bin unendlich erleichtert, dass soeben 24 Geiseln aus Gaza freigekommen sind, darunter vier Deutsche, dass ein Vater nach 49 Tagen der Hölle, des unglaublichen Bangens, endlich seine zwei kleinen Töchter, seine Ehefrau wieder sicher in die Arme schließen kann», sagte Baerbock am Rande des Grünen-Parteitags in Karlsruhe. Die Bundesregierung sei allen, die daran mitgewirkt hätten «enorm dankbar». Baerbock dankte persönlich ihrem katarischen Amtskollegen, dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes sowie Ägypten.

Im Gegenzug ließ Israel noch am Abend 39 palästinensische Häftlinge frei, die Haftstrafen verbüßten. Bei ihnen handelt es sich nach Angaben der palästinensischen Häftlingskommission um 24 Frauen und 15 Jugendliche. Der Älteste sei 19 Jahre alt. Die Häftlinge sollten nahe ihrer Wohnorte im Westjordanland oder Ost-Jerusalem freikommen. Nur Stunden zuvor war eine Feuerpause in Kraft getreten, mit deren Beginn auch die Ausweitung humanitärer Hilfslieferungen in den Gazastreifen anlief.

Weitere 13 Israelis sollen Samstag freikommen

Israel erhielt Medienberichten zufolge eine weitere Namensliste mit Geiseln, die an diesem Samstag freigelassen werden sollen. Die Familien von 13 Geiseln seien informiert worden, berichtete unter anderem das israelische Portal Ynet am Freitagabend unter Berufung auf das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Israelische Offizielle bestätigten demnach, dass acht der 13 israelischen Geiseln, die am Samstag freigelassen werden sollen, Kinder seien.

Die von Israel und der Hamas ausgehandelte Waffenruhe soll mindestens vier Tage dauern. Gemäß der Vereinbarung sollen in dieser Zeit insgesamt 50 Geiseln freikommen. Eine Verlängerung der Feuerpause auf bis zu zehn Tage ist möglich, wie das in dem Konflikt vermittelnde Golfemirat Katar mitgeteilt hatte. Insgesamt sieht die zwischen beiden Konfliktparteien getroffene Vereinbarung einen Austausch von bis zu 100 Geiseln aus Israel gegen bis zu 300 palästinensische Häftlinge vor. Bei der Freilassung thailändischer Geiseln hatte der Iran zwischen der Hamas und Thailand vermittelt.

Auslöser des jüngsten Gaza-Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen aus dem Gazastreifen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze begangen hatten. Dabei wurden mehr als 1200 Menschen getötet. Etwa 240 Geiseln wurden nach Gaza verschleppt, auch mehrere Deutsche.

Israel reagierte mit massiven Luftangriffe, einer Blockade des Gazastreifens und begann Ende Oktober eine Bodenoffensive. Dabei wurden nach Angaben der islamistischen Hamas fast 15.000 Menschen getötet. Mehr als 36.000 wurden demnach verletzt. Die Zahlen lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.

Besonders Kinder könnten schwer traumatisiert sein

Die von der Hamas freigelassenen israelischen Geiseln - bei denen es sich um Frauen und Kinder handeln soll - sollten nach Armeeangaben zunächst in geschützten Räumen in Israel untergebracht werden. Nach einer ersten medizinischen Untersuchung und Behandlung sollten sie in Krankenhäuser gebracht werden, wo sie auch ihre Familien treffen können. Die Freigelassenen sollten mit Hubschraubern in verschiedene Kliniken gebracht werden.

Das israelische Militär rief die Öffentlichkeit und die Medien zu Geduld und Sensibilität auf. «Wir bitten alle darum, die Privatsphäre der freigelassenen Geiseln und ihrer Familien zu respektieren.» Psychologen gehen davon aus, dass besonders die Kinder nach sieben Wochen Geiselhaft schwer traumatisiert sein könnten. Sie haben auch am 7. Oktober schlimmste Gewalt miterlebt.

Hunderte Palästinenser wollen in den Norden Gazas

Augenzeugenberichten zufolge machten sich nach Inkrafttreten der Feuerpause am Morgen Hunderte palästinensische Binnenflüchtlinge auf den Weg, um in ihre Wohnorte zurückzukehren. Die Menschen wollten etwa in der Stadt Gaza und in anderen Teilen des nördlichen Gazastreifens nach ihren Häusern oder Wohnungen sowie ihren Angehörigen sehen, hieß es am Morgen. Das israelische Militär warnte jedoch, es sei verboten, sich vom Süden in den Norden des Küstengebiets zu begeben.

Die israelische Armee hatte bereits vor Beginn der Feuerpause gewarnt, der Krieg sei nicht vorbei. Der nördliche Gazastreifen sei weiterhin eine «gefährliche Kriegszone» und es sei verboten, sich dort hin- und herzubewegen. Palästinenser sollten in einer «humanitären Zone» im Süden des Küstenstreifens verbleiben. Es sei aber weiterhin für Zivilisten möglich, sich vom Norden in den Süden zu bewegen.

Die Kämpfe hatten bis kurz vor Beginn der Feuerpause angedauert. Im israelischen Grenzgebiet zum Gazastreifen gab es noch unmittelbar vor Beginn der Waffenruhe und auch kurz danach wieder Raketenalarm, so wie es auch schon bei früheren Waffenruhen der Fall gewesen war. Die israelische Armee hatte zuvor ihre Angriffe im Gazastreifen noch intensiviert und wird ihre Soldaten auch während der Kampfpause dort stationiert lassen.

Verstärkte Hilfslieferungen für den Gazastreifen angelaufen

Mit Beginn der Feuerpause im Gaza-Krieg lief auch die Ausweitung humanitärer Hilfslieferungen in den Gazastreifen an. Seit der Früh seien 137 Lkw entladen worden, berichtete das UN-Nothilfebüro OCHA am Abend. Die Bevölkerung sei mit Lebensmitteln, Wasser und medizinische Gütern versorgt worden, hieß es. Außerdem seien 129.000 Liter Treibstoff und vier Lkw-Ladungen mit Gas angekommen. Laut OCHA handelte es sich um den größten Hilfskonvoi seit dem 7. Oktober, als der Terrorangriff der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel den Konflikt auslöste. Das UN-Büro berichtete auch, dass 21 Patienten in kritischem Zustand aus dem nördlichen Gazastreifen abtransportiert worden seien.

Ägypten hält 200 Lastwagen pro Tag für realistisch, hieß es aus Regierungskreisen. Vor dem Krieg fuhren rund 500 Lastwagen mit humanitären Gütern pro Tag in das von Israel abgeriegelte Gebiet. Seit Mitte November sind es nur noch bis zu einigen Dutzend am Tag.

Immer noch Hunderttausende Menschen im Norden des Gazastreifens

Ob das UN-Hilfswerk für Palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) erstmals seit Wochen auch den Norden des Gazastreifens mit Hilfsgütern beliefern kann, ließ der Sprecher zunächst offen. OCHA verhandele permanent mit allen Konfliktparteien über einen ungehinderten Zugang und Sicherheitsgarantien, sagte er. Im Norden des Gazastreifens sollen sich trotz der israelischen Aufrufe zur Räumung des gesamten Gebiets noch hunderttausende Menschen aufhalten.

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