Nahost

Hamas meldet Tod ihres politischen Anführers Hanija

Hamas meldet Tod ihres politischen Anführers Hanija

Hamas meldet Tod ihres politischen Anführers Hanija

dpa
Teheran/Beirut
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Hamas meldet Tötung ihres Auslandschefs Hanija in Teheran Foto: ---/dpa

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Die Hamas hat nach eigenen Angaben einen ihrer wichtigsten Anführer verloren. Israel meldete zuvor den Tod eines Hisbollah-Kommandeurs. Die beiden Vorfälle heizen die Spannungen in Nahost weiter an.

Die Nachricht von der Tötung des politischen Anführers der islamistischen Hamas, Ismail Hanija, versetzt den Nahen Osten in Aufruhr. Nach Angaben der Terrororganisation wurde er bei einem israelischen Angriff auf seine Residenz in Irans Hauptstadt Teheran getötet. Während es von israelischer Seite zunächst keine Bestätigung gab, verurteilte der Iran den Anschlag auf das Schärfste. Hanijas Blut werde Israel zum Verhängnis werden, sagte Außenamtssprecher Nasser Kanaani. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verurteilte die Tötung Hanijas als einen «feigen Akt». Der Leiter der palästinensischen Autonomiebehörde sprach von einer «gefährlichen Entwicklung». 

Die Nachricht von Hanijas Tötung folgte nur wenige Stunden nach einem israelischen Luftangriff auf einen Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut. Dabei wurde nach Angaben der israelischen Armee Fuad Schukr getötet, ein ranghoher Kommandeur der Schiitenmiliz Hisbollah. Die Hisbollah bestätigte dies bislang nicht. Schukr sei verantwortlich für den Raketenangriff am Samstag auf die drusische Ortschaft Madschdal Schams auf den von Israel annektierten Golanhöhen, bei dem zwölf Kinder und Jugendliche getötet worden waren, teilte Israels Armee mit. Unabhängig ließen sich die Angaben zunächst nicht prüfen.

Die Hisbollah ist mit der Hamas im Gazastreifen verbündet, beide sind wiederum Verbündete des Irans, dem Erzfeind Israels. Seit dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober greift die Hisbollah aus Solidarität mit der Hamas Ziele im Norden Israels an. Ihre Angriffe will sie erst einstellen, wenn es in Gaza zu einem Waffenstillstand kommt. Die Tötung Hanijas werde zu noch mehr Widerstand gegen Israel führen, erklärte die Hisbollah. Durch seinen Tod würden «Widerstandskämpfer an allen Schauplätzen» noch entschlossener kämpfen und «ihren Willen stärken, dem zionistischen Feind gegenüberzutreten.»

Die Türkei verurteilte den Anschlag auf Hanija scharf und warf Israel vor, einen regionalen Krieg anzetteln zu wollen. Der Auslandschef der Hamas sei durch einen «niederträchtigen Anschlag» getötet worden, hieß es in einer Mitteilung des türkischen Außenministeriums. Damit verfolge Israel das Ziel, den Krieg im Gazastreifen auf die Region auszuweiten.

Israel will die gesamte Hamas-Führung ausschalten 

Den Tod Hanijas sehen Beobachter als großen Erfolg für den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Dieser hatte geschworen, nach dem Terrorüberfall der Hamas und anderer Extremisten aus dem Gazastreifen in Israel am 7. Oktober mit 1.200 Toten die Hamas-Führer auszuschalten.

Zwei der rechtsnationalen israelischen Minister reagierten mit Genugtuung auf die Nachricht vom Tod Hanijas. «Hanijas Tod macht die Welt ein bisschen besser» schrieb etwa Amichai Elijahu, Minister für das Kulturerbe, auf der Plattform X.

Hanija, Vorsitzender des Hamas-Politbüros, führte Berichten zufolge mit einem Teil seiner Familie seit Jahren ein Luxusleben in Katar. Er ist seit 2017 Vorsitzender des Politbüros der Hamas, das als oberste Entscheidungsinstanz gilt. Hanija gilt als «übergreifender» Chef der Hamas, während Jihia al-Sinwar Chef im Gazastreifen ist. Im April wurden dort bei einem israelischen Luftangriff laut Hamas drei Söhne und vier Enkelkinder von Hanija getötet. 

Hanija wäre der ranghöchste Hamas-Anführer, der seit Beginn des Gaza-Krieges vor rund zehn Monaten getötet wurde. Sein Tod könnte die indirekten Verhandlungen um eine Waffenruhe, bei denen Katar, Ägypten und die USA vermitteln, erschweren. Der Anschlag auf Hanija werde die Beziehungen zwischen der palästinischen Widerstandsfront und dem Iran noch weiter stärken, sagte Irans Außenamtssprecher Kanaani laut Nachrichtenagentur Isna.

Aufruf zum Generalstreik im Westjordanland

Ein Bündnis der verschiedenen politischen Gruppen im Westjordanland rief als Reaktion auf den Tod Hanijas zu einem Generalstreik auf. Außerdem solle an Kontrollpunkten die Konfrontation mit israelischen Soldaten gesucht werden, hieß es. Ob es sich dabei um Demonstrationen oder Angriffe handeln sollte, blieb unklar. Nach Angaben der iranischen Revolutionsgarden (IRGC), Irans Elitestreitmacht, kam außer Hanija auch einer seiner Leibwächter ums Leben. Hanija habe vor seinem Tod an der Zeremonie zur Vereidigung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian teilgenommen, teilte die Hamas mit. 

Seit Beginn des Gaza-Krieges vor rund zehn Monaten sind bereits eine ganze Reihe von militärischen und politischen Funktionären der Hamas getötet worden beziehungsweise werden für tot gehalten. Erst Anfang Januar war der zweithöchste Anführer der Hamas im Ausland, Saleh al-Aruri, bei einer Explosion in Beirut ums Leben gekommen. Die Hisbollah hatte Israel die Schuld am Tod des Vize-Leiters des Politbüros der Hamas gegeben. 

Israels Armee: Sind auf jedes Szenario vorbereitet

Anfang dieses Monats führte Israels Militär dann einen gezielten Angriff auf den Militärchef der Hamas im Gazastreifen, Mohammed Deif, durch. Israel erklärte, es gebe Grund zu der Annahme, dass der Angriff sein Ziel erreicht habe. Die Hamas dagegen hat erklärt, Deif sei nicht getötet worden. Die israelische Armee hatte zuvor im März die Tötung von Deifs Stellvertreter Marwan Issa bestätigt. Die Hamas indes hat auch dessen Tod nie bestätigt.

Drei Tage nach einem tödlichen Raketenangriff auf den Golanhöhen hatte Israels Armee kurz vor der Nachricht vom Tod von Hanija nach eigenen Angaben in einem Vorort von Beirut Fuad Schukr getötet, einen der ranghöchsten Kommandeure der Schiitenmiliz Hisbollah. Der Schlag birgt die Gefahr einer weiteren Eskalation der Spannungen zwischen der Hisbollah und Israel. Man ziehe es zwar vor, «Feindseligkeiten ohne einen größeren Krieg zu lösen», Israels Militär sei aber «auf jedes Szenario vorbereitet», sagte Armeesprecher Daniel Hagari. 

Hisbollah-Kommandeur soll für Angriff auf Golan verantwortlich sein 

Schukr habe als rechte Hand von Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah gedient und sei dessen Berater für Planung und Leitung von Kriegseinsätzen gewesen, so Israels Armee. Seit 2017 wird er von US-Behörden wegen Verstrickung in einen Anschlag auf US-Truppen in Beirut 1983 gesucht. Für Informationen zu Schukr hatten die USA eine Belohnung von fünf Millionen Dollar (4,6 Millionen Euro) ausgeschrieben. Schukr habe seit dem 7. Oktober auch die Angriffe der Hisbollah auf Israel koordiniert, teilte die israelische Armee weiter mit. 

Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums kamen bei dem Angriff drei Zivilisten ums Leben, zwei Minderjährige und eine Frau. 74 Menschen erlitten den Angaben zufolge Verletzungen, fünf sollen in Lebensgefahr schweben. Augenzeugen berichteten, dass die Attacke auf ein achtstöckiges Gebäude zielte. Das Obergeschoss sei getroffen worden. 

Aus den USA hieß es, man arbeite weiter an einer diplomatischen Lösung, damit es nicht zum nächsten Krieg kommt. US-Präsident Joe Biden glaube an diplomatische Lösungen «vor allem in diesem Moment entlang der Blauen Linie», sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre. Dabei handelt es sich um eine von den Vereinten Nationen gezogene Demarkationslinie an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon. Beide Seiten schienen zuletzt nach nicht daran interessiert, ihre andauernden Gefechte erheblich auszuweiten.

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