Krieg in Nahost

Hoffen auf Grenzöffnung nach Klinik-Explosion

Hoffen auf Grenzöffnung nach Klinik-Explosion

Hoffen auf Grenzöffnung nach Klinik-Explosion

dpa
Tel Aviv/Gaza
Zuletzt aktualisiert um:
Das zerstörte Gebäude der Bäckerei Al Nuseirat im Flüchtlingslager Nusseirat im Gazastreifen. Foto: Hatem Moussa/AP/dpa

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Der Versorgung der Menschen im Gazastreifen droht der Kollaps. Israel will nun Ägypten erlauben, in begrenztem Umfang humanitäre Hilfe zu liefern. Doch wann können die ersten Lkw rollen?

Nach dem Raketeneinschlag bei einer Klinik im Gazastreifen mit möglicherweise Hunderten Toten mehren sich Anzeichen für eine Öffnung des ägyptischen Grenzübergangs für humanitäre Güter.

Ägypten sicherte nach Angaben von US-Präsident Joe Biden zu, zunächst bis zu 20 Lastwagen über den Grenzübergang Rafah in den Gazastreifen zu lassen. Israel, das den Küstenstreifen abgeriegelt hat und dort die islamistischen Hamas-Angreifer bombardiert, versprach, humanitäre Hilfslieferungen aus Ägypten nicht zu behindern. Es hatte die Menschen in Gaza aufgerufen, sich in den Süden zu begeben.

Nach UN-Angaben sind inzwischen rund eine Million Menschen dorthin geflohen, Israels Armee spricht von rund 600.000. Rafah, am Südrand der Küstenenklave, gilt als der einzige Weg, die dringend benötigte Hilfe in den Gazastreifen zu bringen. In der Nacht war jedoch noch unklar, wann genau der Grenzübergang geöffnet wird.

UN-Nothilfekoordinator fordert sofortigen Zugang zum Gazastreifen

«Was wir dringend brauchen, ist ein sofortiger, sicherer Zugang für humanitäre Hilfe im gesamten Gazastreifen», forderte UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths. Er wies auf die sich weiter verschlechternde Lage in Gaza hin: «Die Zerstörung des Krankenhauses gestern hat den Druck auf dieses bröckelnde, angeschlagene und traurige Gesundheitssystem weiter erhöht», sagte er am Mittwoch (Ortszeit) bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats.

Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde hatte für die Explosion an der Al-Ahli-Klinik umgehend Israel verantwortlich gemacht, arabische Nachbarstaaten schlossen sich dem an. Vor allem in arabischen und islamischen Ländern, aber auch in Deutschland kam es zu wütenden anti-israelischen Demonstrationen. Israel wies eine Schuld entschieden zurück und sprach vom Einschlag einer verirrten Rakete der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bewertete den Raketeneinschlag als Bruch des Völkerrechts - vermied aber eine direkte Schuldzuweisung. «Ich verurteile die Täter hinter diesem Angriff, der ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt und als Völkermord an den Menschen in Gaza einzustufen ist», schrieb Erdogan am Mittwoch auf der Online-Plattform X (ehemals Twitter).

Baerbock: Versuchter Brandanschlag auf Synagoge unerträglich

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) versicherte den in Deutschland lebenden Juden und Jüdinnen daraufhin die Solidarität Deutschlands. «Wir stellen uns dem mit aller Kraft des Staates und unserer Gesellschaft entgegen. Nie wieder ist jetzt», schrieb sie auf der Plattform X, früher Twitter. Es sei «unerträglich», dass Jüdinnen und Juden in Deutschland Angst haben müssten, «dass Davidsterne an Häuser gemalt werden & Feuer auf Synagogen geworfen wird».

Israel hatte eine Schuld an der Explosion am Krankenhaus in Gaza entschieden zurückgewiesen und sprach vom Einschlag einer verirrten Rakete der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bewertete den Raketeneinschlag als Bruch des Völkerrechts - vermied aber eine direkte Schuldzuweisung. «Ich verurteile die Täter hinter diesem Angriff, der ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt und als Völkermord an den Menschen in Gaza einzustufen ist», schrieb Erdogan auf der Online-Plattform X (ehemals Twitter).

Biden: Hilfsgüter dürfen nicht an Hamas gelangen

US-Präsident Biden sagte unterdessen auf seiner Rückreise von seinem Besuch in Israel, er habe mit dem ägyptischen Staatschef Abdel Fattah al-Sisi telefoniert. Dieser habe zugesagt, «für den Anfang» zunächst «bis zu 20 Laster» über den geschlossenen Grenzübergang Rafah zu lassen. Danach könnten möglicherweise weitere Lieferungen folgen. Biden betonte aber, sollte die in Gaza herrschende Hamas Lieferungen konfiszieren, «dann hört es auf». Vertreter der Vereinten Nationen würden sich auf der Gaza-Seite um die Verteilung der Güter kümmern.

Nach Berichten von vor Ort wurde der Grenzübergang Rafah durch israelischen Beschuss beschädigt und muss nun repariert werden. Nach ägyptischen Angaben stehen dort rund 3000 Tonnen Hilfsgüter für die eingeschlossenen Menschen bereit. Laut Biden sind Reparaturen an der Straße nötig. Vor Freitag sei die Lieferung daher nicht zu erwarten. Kurz nach dem Treffen mit Biden hatte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu gesagt, sein Land werde humanitäre Hilfe wie Lebensmittel, Wasser und Medikamente nach Gaza nicht behindern. Er machte aber auch deutlich: «Jede Lieferung, die zur Hamas gelangt, wird verhindert.»

UN-Nothilfekoordinator Griffiths wies auf die extreme Wasserknappheit für die Menschen im Gazastreifen hin. Sie seien zunehmend gezwungen, sich aus unsicheren Quellen zu versorgen, wodurch die Bevölkerung dem Risiko von durch Wasser übertragenen Krankheiten ausgesetzt sei.

Russland liefert 27 Tonnen Hilfsgüter für Gazastreifen

Russland liefert nach Angaben des Zivilschutzministeriums in Moskau 27 Tonnen Hilfsgüter für den Gazastreifen. Ein Flugzeug des Typs Iljuschin Il-76 startete mit der Ladung vom Flughafen Ramenskoje bei Moskau, wie das Ministerium mitteilte. Veröffentlicht wurde auch ein Video.

Demnach hatte Kremlchef Wladimir Putin die Fracht angewiesen. Sie werde in Ägypten an die Organisation Roter Halbmond übergeben. Geliefert würden Lebensmittel wie Mehl, Zucker, Reis und Nudeln. Unklar war zunächst, wann die Hilfslieferungen über die Grenze gebracht werden können.

Nach Biden reist auch Sunak nach Israel

Der britische Premierminister Rishi Sunak ist zu einem Kurzbesuch in Israel eingetroffen. Das bestätigte eine Sprecherin der Downing Street in London am Morgen. Der 43-Jährige will unter anderem Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Präsident Izchak Herzog treffen, wie die britische Nachrichtenagentur PA meldete. Danach plant er im Rahmen seiner zweitägigen Reise Besuche in anderen Hauptstädten der Region. PA zufolge will Sunak die Regierungen im Nahen Osten auffordern, eine weitere gefährliche Eskalation zu vermeiden.

Erneut Zwischenfälle auch an Israels Nordgrenze

Derweil hat das israelische Militär erneut Stellungen der pro-iranischen Hisbollah im Libanon angegriffen. Das gab die israelische Armee in der Nacht bekannt. Zuvor hatte sie bereits mitgeteilt, «Terroristen» hätten eine Panzerabwehrrakete auf eine israelische Gegend nahe der Grenze zum Libanon abgefeuert. Das israelische Militär habe mit Artilleriebeschuss reagiert.

Seit den Terrorattacken der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel und Israels Gegenschlägen auf Gaza kam es in den vergangenen Tagen regelmäßig zu Zwischenfällen an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon, die Sorgen vor einer Eskalation schüren. Auch im Westjordanland kam es erneut zu Zwischenfällen. Palästinensischen Angaben zufolge wurde ein 21-Jähriger von Siedlern und zwei Jugendliche bei Konfrontationen mit israelischen Soldaten erschossen. Die Situation drohe «außer Kontrolle» zu geraten, warnte Griffiths.

Das wird heute wichtig

UN-Generalsekretär António Guterres reist nach Kairo. Dort will er sich laut UN-Angaben unter anderem mit Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi treffen, um eine Öffnung des Grenzübergangs Rafah zu erwirken. Das EU-Parlament will am selben Tag eine Entschließung zu Israel verabschieden. US-Präsident Joe Biden will sich derweil am Abend (Ortszeit) in einer seltenen Ansprache aus dem Oval Office an die Nation wenden und unter anderem die Reaktion seines Landes auf die Angriffe der islamistischen Hamas gegen Israel erörtern.

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