Nahost

Israels Armee verschiebt Bodenoffensive

Israels Armee verschiebt Bodenoffensive

Israels Armee verschiebt Bodenoffensive

dpa
Tel Aviv/Gaza
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Nach einem israelischen Luftangriff in der Stadt Khan Yunes im südlichen Gazastreifen löschen Menschen das Feuer in den Trümmern. Foto: Yasser Qudih/XinHua/dpa

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Während Israels Militär seine Vorbereitungen für eine Großoffensive gegen die Hamas-Terroristen im Gazastreifen vorantreibt, fliehen Zehntausende Palästinenser. Kommt es zur humanitären Katastrophe?

Während Zehntausende Palästinenser im Gazastreifen auf der Flucht in den Süden des Gebietes sind, lässt sich Israels Militär mit der geplanten Bodenoffensive gegen die islamistische Hamas anscheinend noch etwas Zeit. Der Angriff hätte eigentlich schon dieses Wochenende beginnen sollen, sei aber wegen des bewölkten Himmels und der deswegen erschwerten Sicht für Piloten und Drohnen vertagt worden, berichtete die «New York Times» unter Berufung auf drei namentlich nicht genannte, ranghohe israelische Offiziere. Ziel ist es, die politische und militärische Führungsebene der Hamas-Terroristen im Gazastreifen auszulöschen, die vor einer Woche Massaker mit Hunderten Todesopfern in Israel begangen haben. Die Bundeswehr hat inzwischen weitere Deutsche aus der Region ausgeflogen.

Zeitung: Israel droht monatelanger Häuserkampf

Die bevorstehende Offensive berge die Gefahr, dass sich Israel in monatelange blutige Häuserkämpfe verstricke, heißt es in der «New York Times». Es werde angenommen, dass sich Zehntausende von Hamas-Kämpfern in Bunkern und Hunderte Kilometer langen unterirdischen Tunnelsystemen unter Gaza-Stadt und den umliegenden Teilen des nördlichen Gazastreifens verschanzen. Israels Armee gehe davon aus, dass die Hamas versuchen wird, Tunnel unter den vorrückenden Bodentruppen zu sprengen.

Sorge um Geiseln

Die Hamas plane zudem, durch geheime Tunnelausgänge hinter die israelischen Linien zu gelangen und von hinten anzugreifen. Ein strategisches Dilemma sei zudem, dass die Terroristen sich unter der Erde mit Geiseln verschanzen könnten und dann nur noch schwer auszuschalten seien, hieß es.

Zwischen 150 und 200 Menschen wurden schätzungsweise in den Gazastreifen verschleppt, wie Israels Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi am Samstag wissen ließ. Das Militär hatte zuvor mitgeteilt, dass die Familien von rund 120 Geiseln informiert worden seien.

Baerbock dringt auf Freilassung der Geiseln

Nach Krisengesprächen in Ägypten appellierte Außenministerin Annalena Baerbock eindringlich an die Hamas, alle Geiseln freizulassen. Der Bundesregierung seien acht Fälle von deutschen Staatsangehörigen unter ihnen bekannt - die meisten seien Doppelstaatler, sagte die Grünen-Politikerin nach einem Treffen mit ihrem ägyptischen Kollegen Samih Schukri in Kairo. Man nutze alle Kanäle, «um alles dafür zu tun, dass diese unschuldigen Menschen freigelassen werden».

Palästinensische Terroristen hatten vergangenes Wochenende im Auftrag der Hamas ein Massaker unter israelischen Zivilisten in Grenzorten und auf einem Musikfestival angerichtet. Mehr als 1300 Menschen wurden getötet. Israel antwortet seither mit heftigen Luftangriffen auf Ziele im Gazastreifen, wo nach palästinensischen Angaben 2329 Menschen getötet und fast 9000 verletzt wurden.

Chaos im Gazastreifen: Zehntausende auf der Flucht

Zehntausende Zivilisten im Gazastreifen sind nun auf der Flucht in den Süden des von Israel hermetisch abgeriegelten Gebiets. Die israelische Armee hatte über zwei zeitlich begrenzte Fluchtrouten informiert, die bis zum Samstagnachmittag von Angriffen verschont bleiben sollten. UN-Generalsekretär António Guterres forderte sofortigen Zugang für humanitäre Hilfe. Die Verlegung schwer kranker und verletzter Patienten ist laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unmöglich. «Solche Menschen zu transportieren, kommt einem Todesurteil gleich», betonte sie. Das UN-Hilfswerk für Palästinensische Flüchtlinge warnte vor akuter Wasserknappheit. «Die Menschen, darunter kleine Kinder, Ältere und Frauen, werden an schwerer Dehydrierung sterben», warnte die Organisation.

USA verlegen weitere Kriegsschiffe nach Nahost

Die USA verlegen derweil weitere Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer, unter anderem den Flugzeugträger «USS Dwight D. Eisenhower», den Lenkwaffenkreuzer «USS Philippine Sea» und zwei Zerstörer. Sie sollen sich den bereits in die Region verlegten Schiffen anschließen, wie das Verteidigungsministerium in Washington am Samstagabend (Ortszeit) mitteilte. Die Kriegsschiffe sollen sich demnach nicht an Kampfhandlungen beteiligen, sondern der Abschreckung dienen. Das Weiße Haus betonte auch, dass man nicht plane, Bodentruppen nach Israel zu schicken.

Scholz und Netanjahu warnen vor Flächenbrand

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versicherte Israel in einem Telefonat mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erneut die Solidarität Deutschlands. Beide seien sich einig, «dass es gilt, einen regionalen Flächenbrand und insbesondere das Eingreifen der Hisbollah in den Konflikt zu vermeiden», teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit. Die Schiitenorganisation im Südlibanon ist ein enger Verbündeter des israelischen Erzfeinds Irans und war bereits 2006 in einen Krieg mit Israel verwickelt. In den vergangenen Tagen kam es an der libanesisch-israelischen Grenze zu Gefechten mit Toten auf beiden Seiten.

Saudi-Arabien hat derweil die Gespräche über eine mögliche Aufnahme von Beziehungen mit Israel eingestellt, wie die Deutsche Presse-Agentur aus saudischen Diplomatenkreisen erfuhr. Der schiitische Iran erklärte eine mögliche Annäherung zwischen Israel und dem sunnitischen Königreich Saudi-Arabien damit für gescheitert. Einige Experten gehen davon aus, dass genau dies ein Hauptziel des Terrorangriffs der Hamas vom vergangenen Samstag war.

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