Ukraine-Krieg

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

dpa
Kiew/Moskau/Chisinau
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Verteidigungsministerin Christine Lambrecht schreitet neben ihrem Amtskollegen Anatolie Nosatii der Republik Moldau die Ehrengarde ab, während sie in der Hauptstadt Chisinau mit militärischen Ehren empfangen wird. Foto: Jörg Blank/dpa

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Angesichts der russischen Drohungen wächst im Westen die Angst vor einem Atomschlag. Die Ukraine verkündet derweil eigene Erfolge auf dem Schlachtfeld.

Einen Tag nach der russischen Annexion von Teilen der Ukraine hallen die Drohungen aus Moskau zum Einsatz von Atomwaffen nach. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) warnte vor einer Lähmung des Westens. Mychajlo Podoljak, ein Berater des ukrainischen Präsidentenbüros, hält es für vorstellbar, dass Russland tatsächlich Atomwaffen einsetzen könnte. Unterdessen verkündete die Ukraine weitere Erfolge der eigenen Offensive. Sie kesselte in der Stadt Lyman im Gebiet Donezk nach eigenen Angaben rund 5000 russische Soldaten ein. Das war zunächst nicht unabhängig zu überprüfen.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Freitag - dem 219. Tag des Krieges - die ukrainischen Gebiete Donezk Luhansk, Cherson und Saporischschja für annektiert erklärt. International wird dieser völkerrechtswidrige Schritt nicht anerkannt. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nannte das Vorgehen Putins die schwerste Eskalation seit Beginn der Invasion am 24. Februar.

In der Region Charkiw wurden am Samstag nach ukrainischen Angaben 20 Menschen beim Beschuss einer zivilen Autokolonne nahe der Stadt Kupjansk getötet. Zu dem Fall gab es zunächst keine Informationen aus Moskau. Erst am Freitag waren bei einem Raketenangriff auf einen zivilen Autokonvoi in der südukrainischen Stadt Saporischschja nach ukrainischen Angaben 30 Menschen getötet worden.

Lambrecht: Von Atomdrohungen nicht lähmen lassen

Verteidigungsministerin Lambrecht sagte bei einem Besuch in Moldau, die russischen Atomdrohungen würden von der Bundesregierung ernst genommen und sehr besorgt beobachtet. «Da gilt es, sehr aufmerksam zu sein. Aber da gilt es auch, sich von solchen Drohungen nicht lähmen zu lassen.» Sie ergänzte: «Das darf nicht dazu führen, dass man nachlässig in der Unterstützung für die Ukraine wird.»

Präsidentenberater Podoljak sagte der «Bild» (Samstag) zu möglichen Atomwaffeneinsätzen: «Angesichts der inneren Panik in der Russischen Föderation und der zunehmenden militärischen Niederlagen steigt das Risiko dafür.» Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, Befürchtungen eines russischen Atomschlags sollte nicht nachgegeben werden.

Putin hatte erst vergangene Woche mit Blick auf die Mobilmachung von 300.000 Reservisten für den Krieg gesagt: «Wenn die territoriale Integrität unseres Landes bedroht wird, werden wir zum Schutz Russlands und unseres Volkes unbedingt alle zur Verfügung stehenden Mittel nutzen. Das ist kein Bluff.»

Russland gibt Stadt Lyman auf

Russland hat in einer weiteren Niederlage gegen die ukrainische Armee die strategisch wichtige Stadt Lyman im Gebiet Donezk aufgegeben. Die Streitkräfte seien wegen der Gefahr einer Einkesselung abgezogen worden, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Samstag in Moskau. Zuvor hatten ukrainische Behörden von rund 5000 eingekesselten russischen Soldaten gesprochen.

20 Zivilisten bei Beschuss einer Autokolonne getötet

Die ukrainischen Behörden warfen der russischen Armee vor, beim Beschuss einer zivilen Autokolonne nahe der Stadt Kupjansk 20 Menschen getötet zu haben. Die Zivilisten hätten versucht, sich vor russischen Angriffen in Sicherheit zu bringen, teilte der ukrainische Gebietsgouverneur Oleh Sinegubow mit. «Das ist eine Grausamkeit, die keine Rechtfertigung hat.» Die Angaben zu den Toten seien vorläufig.

Zurückhaltung zu Nato-Beitritt der Ukraine

Als Reaktion auf die russische Annexion hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Freitag gesagt, dass er bei der Allianz in Brüssel einen Antrag auf beschleunigte Aufnahme stellen werde. Ministerin Lambrecht äußerte sich zurückhaltend zu dem Plan. Ein Nato-Beitritt sei an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Die Frage werde nun im Kreis der 30 Nato-Staaten beraten.

Auch die USA sehen derzeit kein beschleunigtes Aufnahmeverfahren. Das Verfahren in Brüssel sollte zu einer anderen Zeit aufgegriffen werden, sagte der Nationale Sicherheitsberater im Weißen Haus, Jake Sullivan, in Washington. Die EU- und Nato-Staaten Estland, Lettland und Litauen äußerten sich dagegen positiv. Eine der Voraussetzungen für einen Nato-Beitritt ist üblicherweise, dass der Beitrittskandidat nicht in internationale Konflikte verwickelt ist.

Chef von AKW Saporischschja festgenommen

Der Chef des von russischen Truppen besetzten ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja, Ihor Muraschow, wurde festgenommen. Russische Behörden informierten die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) am Samstag, dass der Generaldirektor des größten europäischen Kernkraftwerks «vorübergehend festgenommen wurde, um Fragen zu beantworten», wie ein IAEA-Sprecher in Wien am Samstag sagte. Nach ukrainischen Angaben wurde Muraschow von Moskauer Truppen entführt. Der Präsident der ukrainischen Betreibergesellschaft Enerhoatom, Petro Kotin, teilte mit, dass der Kraftwerks-Chef am Vortag von einer russischen Patrouille am AKW-Standort Enerhodar auf der Straße gestoppt, aus dem Auto gezerrt und mit verbundenen Augen an einen unbekannten Ort gebracht worden sei. Russland hält das AKW seit Anfang März besetzt.

London: Moskau setzt Abwehrraketen ein

Nach Einschätzung britischer Geheimdienste setzt Moskau bei seiner Bodenoffensive in der Ukraine mittlerweile Abwehrraketen ein, die eigentlich für den Abschuss von Flugzeugen oder anderen Geschossen bestimmt sind. Die Geheimdienste werten den Einsatz einer solchen Rakete als Zeichen russischer Munitionsengpässe, da diese Waffen als strategisch wertvoll und nur in begrenzter Zahl vorhanden gelten.

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