Russische Invasion

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

dpa
Kiew
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Ukrainische Soldaten gehen in Bachmut an stark beschädigten Gebäuden vorbei. Foto: Iryna Rybakova/AP/dpa

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Selenskyj will alle Ressourcen für die anstehende Gegenoffensive bündeln. Dank geht an die westlichen Partner, die auf der US-Basis in Ramstein weitere Hilfe zusagen. Die News im Überblick.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat vor dem Hintergrund der erwarteten Gegenoffensive Kiews vom Aufbau neuer Militäreinheiten berichtet. «Wir bereiten auch aktiv neue Brigaden und Einheiten vor, die sich an der Front bewähren werden», sagte der 45-Jährige gestern in seiner täglichen Videoansprache. Bei seinen Besprechungen mit dem Generalstab gehe es um die Bereitstellung aller Mittel für die Befreiung der Ukraine von der russischen Besatzung.

«Wir alle in der Ukraine müssen verstehen, dass die Hauptaufgabe des Staates die Befreiung unserer Gebiete, das Zurückholen unserer Erde und unserer Menschen aus russischer Gefangenschaft ist.» Die staatlichen Ressourcen würden vor allem dafür aufgewendet, sagte der Staatschef. Die Front habe oberste Priorität, betonte er.

Er dankte zugleich den westlichen Partnern, die im Rahmen des Ramstein-Formats der Ukraine bei der Verteidigung helfen. «Ihre Entschlossenheit entspricht voll und ganz der tatsächlichen Situation und den Bedürfnissen auf dem Schlachtfeld», sagte Selenskyj.

Ukrainische Truppen in Cherson auf linkem Dnipro-Ufer

Die ukrainischen Truppen sind nach Analysen westlicher Experten im teilweise befreiten Gebiet Cherson nun auch auf die bisher von russischen Besatzern kontrollierte Uferseite des Flusses Dnipro vorgestoßen. Aus veröffentlichten Geodaten und Texten russischer Militärblogger gehe hervor, dass die ukrainischen Streitkräfte Positionen am linken oder Ostufer im Gebiet Cherson eingenommen hätten, teilte das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) mit. Unklar seien aber das Ausmaß und die Ziele dieser erstmals so registrierten Erfolge der Ukrainer.

Bei einer ukrainischen Offensive im Herbst hatten sich die russischen Militärs aus der Gebietshauptstadt Cherson und Teilen der Region komplett vom Westufer des Dnipro zurückgezogen. Ziel war es gewesen, einen Vorstoß der ukrainischen Truppen auf die andere Uferseite zu verhindern.

Die neue Entwicklung würde auf einen Kontrollverlust der russischen Einheiten in der Region hinweisen. Demnach könnten sich die russischen Besatzer nur noch auf Städte konzentrieren.

Pistorius: Instandsetzungszentrum für Leopard-Panzer in Polen

Aus Ramstein gab es einige neue Zusagen an Kiew: Leopard-Panzer aus Deutschland, die im Ukraine-Krieg beschädigt wurden, sollen so künftig in Polen repariert werden und damit schneller zurück an die Front kommen. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vereinbarte gestern in Ramstein mit seinen Kollegen aus Warschau und Kiew den Aufbau eines entsprechenden Instandsetzungszentrums. Zur «fairen Aufteilung» der Kosten von 150 bis 200 Millionen Euro im Jahr habe man sich auf eine Fondslösung geeinigt.

Das Zentrum nehme seine Arbeit wohl Ende Mai auf und zeige auch die Entschlossenheit der Partner der Ukraine, das Land in seinem Krieg gegen Russland weiter zu unterstützen, sagte Pistorius am Rande des Treffens der Ukraine-Kontaktgruppe auf dem US-Militärstützpunkt Ramstein. Nächste Woche werde es eine erste Arbeitssitzung geben. Pistorius kündigte zudem die Ausbildung von mehr als 100 ukrainischen Soldaten am Kampfpanzer Leopard 1 ab (dem heutigen) Samstag an.

Polen will längere Stationierung deutscher Patriots

Der polnische Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak sprach sich für einen längeren Verbleib deutscher Patriot-Flugabwehrsysteme in Polen aus. Nach Berichten der Nachrichtenagentur PAP begründete er dies am Freitagabend in Ramstein mit der aktuellen Entwicklung im Krieg Russlands gegen die Ukraine.

Zwei Hauptargumente sprächen dafür, erläuterte er: «Der Krieg in der Ukraine dauert noch an, die Bedrohung bleibt also noch real. Zweitens: Polen ist die wichtigste Drehscheibe, wenn es um die Unterstützung der Ukraine geht». Westliche Rüstungsgüter dorthin würden in erster Linie über Polen geliefert. Die deutschen Patriots seien Teil des als Schutz dafür notwendigen Luftabwehrsystems.

Blaszczak bezog sich mit seiner Erklärung auch auf deutsche Medienberichte, wonach deutsche Patriot-Systeme in Polen nur bis Juni und in der Slowakei nur bis Jahresende stationiert bleiben sollten.

Das deutsche Verteidigungsministerium hatte diese Berichte am Freitag allerdings relativiert. Ein Sprecher habe sich auf ursprüngliche Planungen bezogen. Die aktuellen Pläne werde man mit den Nato-Partnern abstimmen.

Wagner-Chef: Sohn von Kremlsprecher Peskow kämpfte in Ukraine

Der Sohn von Kremlsprecher Dmitri Peskow hat im russischen Krieg gegen die Ukraine nach Angaben der Privatarmee Wagner an der Seite von deren Söldnern gekämpft. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin teilte gestern mit, dass sich Peskow selbst an ihn gewandt habe wegen des Kriegseinsatzes. Er riet dem Vertrauten von Kremlchef Wladimir Putin demnach, seinen Sohn nicht in die regulären Truppen des Verteidigungsministeriums zu schicken. Der Wagner-Chef kritisiert immer wieder die schlechte Ausrüstung und mangelhafte Ausbildung und Führung der Soldaten.

Peskows Sohn Nikolai Choles, der lange in Großbritannien lebte und einen anderen Namen angenommen hatte, sagte der Boulevardzeitung «KP» in Moskau, dass er gedient habe, weil er das als seine Pflicht angesehen habe. Die Zeitung veröffentlichte auch ein Foto des 33-Jährigen in Uniform. Er soll zudem einen Orden erhalten haben. Kritische Beobachter meinten, dass damit der angebliche Einsatz nicht bewiesen sei.

Lettland will alle Stinger-Flugabwehrraketen abgeben

Lettland hat derweil nach den Gesprächen in Ramstein über weitere westliche Militärhilfe für die Ukraine die Lieferung von Waffen an das von Russland angegriffene Land angekündigt. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums des baltischen EU- und Nato-Landes sollen alle sich noch im Bestand der lettischen Streitkräfte befindlichen Flugabwehrraketen vom Typ Stinger an Kiew übergeben werden.

Spanien schickt erste sechs Leopard-Panzer für Ukraine

Spanien verschiffte die ersten sechs von insgesamt zehn zugesagten Kampfpanzer vom Typ Leopard für die Ukraine. Im Fernsehen war zu sehen, wie die Panzer vom älteren Typ 2A4 im nordspanischen Santander auf ein Schiff gefahren wurden. Zudem wurden 20 leichte gepanzerte Transportfahrzeuge verladen. Spaniens Außenminister José Manuel Albares hatte die baldige Lieferung der ersten Leopard-Panzer zuvor bereits angekündigt.

Die Panzer waren lange außer Dienst gestellt und standen seit 2012 eingemottet in einer Lagerhalle bei Saragossa. Für den Einsatz in der Ukraine wurden sie aufwendig überholt und getestet. In den vergangenen Wochen waren in Spanien 55 Ukrainer als Besatzungsmitglieder und Techniker an den Leopard-Panzern ausgebildet worden. Weitere vier Panzer sollen zu einem späteren Zeitpunkt geliefert werden.

Stoltenberg will weitere Gespräche über Kampfjets

Bei der Frage nach der Lieferung von westlichen Kampfjets an die Ukraine bleiben die meisten europäischen Staatschefs reserviert. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat sich jedoch für eine Fortsetzung der Gespräche über eine Abgabe von westlichen Kampfjets an die Ukraine ausgesprochen. Man müsse über Lieferungen durch Bündnispartner weiter diskutieren, sagte Stoltenberg gestern am Rande des Treffens in Ramstein.

IAEA warnt vor Eskalation um AKW Saporischschja

Während militärisch die Vorbereitungen auf die erwartete ukrainische Gegenoffensive laufen, werden Befürchtungen über mögliche Folgen laut. So hat die Internationale Atomenergiebehörde IAEA vor einem Nuklearunfall durch die zunehmenden Kampfhandlungen rund um das Atomkraftwerk Saporischschja in der Südukraine gewarnt.

«Ich habe klare Anzeichen militärischer Vorbereitungen in dem Gebiet gesehen, als ich das AKW Saporischschja vor drei Wochen besucht habe», sagte IAEA-Direktor Rafael Grossi gestern laut einer Mitteilung der Behörde. Seither hätten die vor Ort stationierten Atomexperten mehrfach Explosionen in unmittelbarer Nähe der Anlage registriert.

Er sei «zutiefst besorgt» wegen der aktuellen Lage. Die prekäre Situation erfordere weiteren Druck, damit die Anlage weder beschossen noch als Ausgangspunkt für Angriffe genutzt werde. Er werde diesbezüglich mit Russen und Ukrainern weiter verhandeln, sagte Grossi.

Was heute wichtig wird

Während die ukrainische Gegenoffensive in Kürze erwartet wird, greift derzeit noch Russland im Donbass-Gebiet Ziele an. Speziell um die seit Monaten belagerte Stadt Bachmut hat sich die Lage zugespitzt. Die russischen Angreifer versuchen, die Nachschubwege der ukrainischen Garnison in der Stadt abzuschneiden.

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