Russische Invasion

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

dpa
Kiew/Moskau/Istanbul
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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wirbt weiterhin für eine Nato-Mitgliedschaft seines Landes. Foto: Valentina Petrova/AP/dpa

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Die Ukraine verteidigt sich seit 500 Tagen gegen die russische Invasiont. Der ukrainische Präsident wirbt weiter um Unterstützung. Eine Entscheidung der USA sorgt auch für Kritik. Die News im Überblick.

Rund 500 Tage nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine zählen die Vereinten Nationen mehr als 9000 zivile Todesopfer - darunter mehr als 500 Minderjährige. Das teilte die UN-Menschenrechtsmission am Freitag mit. Die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich deutlich höher. Die USA wollen der Ukraine nun umstrittene Streumunition zur Verteidigung liefern. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reiste aus Tschechien in die Slowakei und traf später in der Türkei zu Gesprächen über das Getreideabkommen ein. Die Nato-Staaten verständigten sich auf eine Verschärfung des gemeinsamen Ziels für die nationalen Verteidigungsausgaben.

Samstag ist der 500. Kriegstag, seit Russlands Armee am 24. Februar 2022 das Nachbarland überfallen hat. Die UN-Menschenrechtsexperten in der Ukraine dokumentierten seitdem bis 30. Juni 2023 genau 15 993 Verletzungen und 9177 Todesfälle. Die UN zählen nur Fälle, die sie unabhängig bestätigen konnten. Die Opferzahlen seien im Frühjahr etwas zurückgegangen, im Mai und Juni aber wieder gestiegen, hieß es.

US-Regierung will der Ukraine Streumunition liefern

Es sei eine schwierige Entscheidung gewesen, aber US-Präsident Joe Biden habe sich entschlossen, diesen Schritt zu gehen, sagte der nationale Sicherheitsberater Bidens, Jake Sullivan, am Freitag im Weißen Haus mit Blick auf die Lieferung von Streumunition. Er verteidigte den Beschluss: «Wir sind uns bewusst, dass Streumunition das Risiko birgt, dass Zivilisten durch nicht explodierte Munition zu Schaden kommen. Deshalb haben wir die Entscheidung so lange aufgeschoben, wie wir konnten.»

Die Ukraine würde die Streumunition im eigenen Land zur Verteidigung einsetzen, sagte Sullivan weiter. Auch Russland setze Streumunition in der Ukraine ein. Biden habe sich über den Schritt mit den Verbündeten abgesprochen. «Wir werden die Ukraine in dieser Konfliktphase zu keinem Zeitpunkt schutzlos zurücklassen. Punkt», betonte Sullivan. Davor hatte bereits ein Pentagon-Sprecher erklärt, man wolle aus den US-Beständen Geschosse mit einer geringeren Rate an Blindgängern auswählen.

UN-Menschenrechtsbüro gegen Einsatz von Streumunition

Noch vor der Bestätigung durch das Weiße Haus lösten Berichte über anstehende US-Lieferungen von Streumunition Debatten aus. Als Streumunition werden Raketen und Bomben bezeichnet, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper - sogenannte Submunition - verstreuen oder freigeben. Viele dieser Sprengkörper detonieren aber nicht sofort, sondern bleiben als Blindgänger liegen und gefährden die Bevölkerung auch noch Jahre nach Konflikten.

Das UN-Menschenrechtsbüro in Genf forderte einen umgehenden Stopp des Einsatzes von Streumunition und rief Russland und die Ukraine auf, dem Übereinkommen beizutreten, das den Einsatz, die Herstellung und Weitergabe bestimmter Typen Streumunition verbietet. Mehr als 100 Staaten haben es unterzeichnet, die USA sind nicht darunter.

Die Bundesregierung wies darauf hin, dass auch Deutschland Unterzeichner des Abkommens ist. Zugleich signalisierte Regierungssprecher Steffen Hebestreit Verständnis für eine Lieferung durch die USA. «Die Ukraine setzt eine Munition zum Schutz der eigenen Zivilbevölkerung ein. Es geht um einen Einsatz durch die eigene Regierung zur Befreiung des eigenen Territoriums», sagte er.

Nato-Staaten einigen sich auf neue Verteidigungsausgaben

Die 31 Nato-Mitglieder wollen angesichts der Bedrohungen durch Russland künftig mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung ausgeben, wie die Deutsche Presse-Agentur am Freitag aus Bündniskreisen erfuhr. Das bisherige Ziel sah lediglich vor, dass sich alle Bündnisstaaten bis 2024 dem Richtwert annähern, mindestens zwei Prozent ihres BIP für Verteidigung auszugeben. Es war 2014 bei einem Gipfeltreffen in Wales verabschiedet worden.

Selenskyj setzt seine Reise in der Slowakei und Türkei fort

Selenskyj besuchte am Freitag zunächst die slowakische Hauptstadt Bratislava. Die an die Ukraine grenzende Slowakei gehört zu den vehementesten Unterstützern des Nachbarlands. Am Abend traf er in der Türkei ein zu Gesprächen über den russischen Angriffskrieg und das Getreideabkommen. Er wolle sich mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan außerdem zu dem Nato-Gipfel kommende Woche abstimmen und über den Wiederaufbau der Ukraine sowie Verteidigungsabkommen sprechen, schrieb er am Freitag auf Twitter.

Kreml: Putin könnte Erdogan in absehbarer Zeit treffen

Der Kreml hält auch ein persönliches Treffen des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Erdogan in absehbarer Zeit für möglich. Ein Termin stehe noch nicht fest, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Er betonte, dass Moskau und Ankara ihre «konstruktiven partnerschaftlichen Beziehungen» sehr schätzten. Die Türkei hat sich als Nato-Staat nicht an Sanktionen gegen Moskau beteiligt und sieht sich als Vermittlerin.

London: Russland baut Marinefähigkeiten im Asowschen Meer aus

Die russische Marine will nach Angaben britischer Militärexperten ihre Fähigkeiten im Asowschen Meer ausbauen. Ein neuer Flottenverband aus acht Kriegsschiffen werde sich wahrscheinlich auf logistische Aufgaben und Partisanenbekämpfung konzentrieren, teilte das Verteidigungsministerium in London mit. Das Nebenmeer des Schwarzen Meeres biete auch eine alternative Nachschubroute, sollten Russlands Landrouten in die Südukraine abgeschnitten werden.

Ukrainische Armee sieht Erfolge bei Bachmut

Die ukrainische Armee hat nach eigenen Angaben nahe der russisch kontrollierten Stadt Bachmut im Donezker Gebiet kleine Erfolge verzeichnet. Bachmut wurde von russischen Truppen nach monatelangen Kämpfen im Mai erobert und komplett zerstört. Anfang Juni hatte die Ukraine eine Gegenoffensive begonnen, die nur langsam vorankommt.

Die Zahl der Toten nach dem Raketenangriff auf die westukrainische Stadt Lwiw (Lemberg) in der Nacht zum Donnerstag stieg derweil auf zehn. Nach ukrainischen Angaben wurden bei dem Angriff auf ein Wohngebiet 42 Menschen verletzt, unter ihnen drei Kinder.

Europäischer Luftverteidigung mit Schweiz und Österreich

Die neutralen Staaten Schweiz und Österreich wollen bei dem von Deutschland initiierten europäischen Luftverteidigungssystem Sky Shield mitmachen. Die Verteidigungsministerinnen Viola Amherd für die Schweiz und Klaudia Tanner für Österreich unterzeichneten in Bern eine Absichtserklärung bei einem Treffen mit ihrem aus Berlin angereisten Amtskollegen Boris Pistorius (SPD). Damit sind nun 19 Staaten an dem Projekt beteiligt. Das Projekt soll helfen, Lücken im Nato-Schutzschirm für Europa zu schließen und damit eine Antwort auf die veränderte Sicherheitslage geben.

Mehrere Staatschefs warnen vor Lage in Belarus

Die Staatspräsidenten von Litauen, Polen und Lettland brachten in einem Schreiben an die Nato ihre Besorgnis über die Entwicklungen im benachbarten Belarus zum Ausdruck. Hintergrund sind die Verlegung russischer taktischer Atomwaffen und die mögliche Stationierung von Kämpfern der Söldnertruppe Wagner. Die Zusammenarbeit zwischen Moskau und Minsk untergrabe die Sicherheit der Region und des gesamten euroatlantischen Raums, hieß es in dem Brief. Vor dem Nato-Gipfel kommende Woche in Vilnius forderten sie «Solidarität und Einigkeit».

Größtes Plus: Alliierte steigern Verteidigungsausgaben

Die Verteidigungsausgaben der europäischen Nato-Staaten und Kanadas entwickeln sich nach Einschätzung von Generalsekretär Jens Stoltenberg in die richtige Richtung. In diesem Jahr liege der Zuwachs in den Ländern nach jüngsten Schätzungen bei 8,3 Prozent. Dies sei der größte Anstieg seit Jahrzehnten und das neunte Plus in Folge. Das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel sieht vor, dass sich alle Bündnisstaaten bis 2024 dem Richtwert annähern, mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Die Marke erreichen oder übertreffen werden nach den Nato-Zahlen in diesem Jahr voraussichtlich elf Mitgliedstaaten. Deutschland wird nach der Schätzung der Nato 2023 trotz einer deutlichen Erhöhung der Verteidigungsausgaben nur auf eine Quote von 1,57 Prozent kommen.

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