Russische Invasion

Krieg in der Ukraine: Das ist die Lage am Montag

Krieg in der Ukraine: Das ist die Lage am Montag

Krieg in der Ukraine: Das ist die Lage am Montag

dpa
Kiew/Moskau/Berlin/Washington
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Ein ukrainischer Soldat in Irpin hilft einem älteren Mann, die Straße zu überqueren. Foto: Diego Herrera/EUROPA PRESS/dpa

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Die Einrichtung von Fluchtkorridoren aus den angegriffenen ukrainischen Städten scheitert bisher weitgehend. Die ukrainische und russische Delegation haben dazu erneut beraten - und minimale Fortschritte erzielt. Ein Überblick.

Trotz anhaltender Angriffe Russlands auf die Ukraine dauern die diplomatischen Bemühungen um ein Ende des seit fast zwei Wochen andauernden Krieges an.

Festhalten an humanitären Korridoren

Russland und die Ukraine haben nach ihrer dritten Verhandlungsrunde die Absicht zur Schaffung humanitärer Korridore in den umkämpften Gebieten bekräftigt. Es gebe kleine positive Schritte bei der Verbesserung der Logistik für die humanitären Korridore, sagte der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak am Montag. Der russische Verhandlungsführer Wladimir Medinski sagte, dass es an diesem Dienstag einen neuen Anlauf geben solle, um die Menschen über die Korridore in Sicherheit zu bringen. Er zeigte sich insgesamt aber enttäuscht von dem Treffen.

«Die Erwartungen wurden nicht erfüllt», sagte Medinski im russischen Staatsfernsehen. Die russische Seite habe eine Reihe vorbereiteter Dokumente zu den Verhandlungen mitgebracht. Allerdings habe die ukrainische Seite nichts unterschreiben wollen, sondern die Papiere zur Prüfung mitgenommen. Medinski zufolge wird in Kürze eine neue Verhandlungsrunde erwartet, bei der die Vereinbarungen schriftlich festgeklopft werden könnten.

«Mit Blick auf den politischen Block, wozu ein Waffenstillstand und überhaupt die Beendigung der Kampfhandlungen gehören, werden die intensiven Beratungen fortgesetzt», sagte der Ukrainer Podoljak. Es gebe aber keine Ergebnisse für eine spürbare Verbesserung der Lage. «Dennoch werden die Beratungen fortgesetzt, und wir werden ein Ergebnis erhalten.»

Die dritte Runde der Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hatte in Belarus rund drei Stunden gedauert. Die belarussische Staatsagentur Belta hatte im Nachrichtenkanal Telegram ein Bild der Delegationen an einem Tisch veröffentlicht.

Beide Seiten hatten sich zwar bereits bei ihrem zweiten Treffen am vergangenen Donnerstag auf Fluchtkorridore verständigt. Am Wochenende waren aber gleich zwei Anläufe für Evakuierungen von Bewohnern der von Russland belagerten Hafenstadt Mariupol im Südosten der Ukraine gescheitert. Beide Seiten warfen sich vor, gegen eine vereinbarte Feuerpause verstoßen zu haben. Auch am Montag kam eine geplante Rettung von Zivilisten aus umkämpften Städten nicht voran.

Als Bedingung für eine Einstellung der Gefechte fordert Russland, die Ukraine müsse sich in ihrer Verfassung für neutral erklären. Zudem müsse Kiew die annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim als russisch sowie die Separatistengebiete als unabhängig anerkennen.

Mögliches Treffen der Außenminister

Am Dienstag wird US-Außenminister Antony Blinken in Estland sowie in Paris zu einem Treffen mit Präsident Emmanuel Macron erwartet. An diesem Donnerstag ist nach türkischen und russischen Regierungsangaben ein Treffen der Außenminister der Ukraine und Russlands in Antalya geplant. Von ukrainischer Seite hieß es zunächst, ein solches Treffen werde geprüft.

Vierer-Gipfel fordert Rückzug russischer Truppen

Die USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben Russland erneut zum sofortigen Rückzug seiner Truppen aus der Ukraine aufgefordert. US-Präsident Joe Biden, Bundeskanzler Olaf Scholz, der französische Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Boris Johnson seien sich in einer Videoschalte einig gewesen, «dass der Schutz der Zivilbevölkerung höchste Priorität haben müsse und Russland aufgefordert bleibe, seinen völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine unmittelbar zu beenden und seine Truppen komplett zurückzuziehen», erklärte der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin.

Russland meldet Gebietsgewinne in Ostukraine

Russland meldete am Montagabend weitere Geländegewinne in der Ostukraine. Russische Truppen hätten fünf Siedlungen an der Grenze der Gebiete Donezk und Saporischschja eingenommen, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Russland beharrt darauf, die Truppen griffen keine zivilen, sondern nur militärische Ziele an.

Die ukrainischen Streitkräfte fügten den Angreifern nach eigenen Angaben schwere Verluste bei. Einige russische Einheiten hätten bei Kämpfen um Konotop und Ochtyrka im Nordosten des Landes bis zu 50 Prozent ihres Personals verloren. «Der moralische und psychologische Zustand des Feindes bleibt extrem niedrig», behauptete der Generalstab in Kiew. Russische Soldaten würden in Scharen desertieren. Der Generalstab warf den russischen Truppen vor, noch schwerere Luftangriffe auf ukrainische Städte zu fliege.

Die Angaben der beiden Kriegsparteien ließen sich nicht von unabhängiger Seite überprüfen.

USA verlegen weitere Soldaten nach Europa

Die US-Regierung schickt wegen des Ukraine-Kriegs weitere 500 US-Soldaten zur Verstärkung ihrer Truppen nach Europa. Ein hochrangiger Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums sagte am Montag in einem Telefonbriefing mit Journalisten, die Soldaten würden nach Deutschland, Griechenland, Polen und Rumänien geschickt. Aufgabe sei unter anderem, die Bemühungen zum Schutz des Nato-Luftraums zu unterstützen. Es handele sich beispielsweise um Personal zum Betrieb von Flugzeugen zur Luftbetankung. Die Entsendung der Soldaten aus den USA sei nicht durch aktuelle Entwicklungen am Wochenende ausgelöst worden, sondern sei im Zuge der Verstärkungen der US-Truppen in Europa wegen des Konflikts bereits davor geplant gewesen. Insgesamt seien rund 100.000 US-Soldaten dauerhaft oder zeitweise in Europa.

Selenskyi fordert Boykott russischer Ölexporte

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte weitere und schärfere Sanktionen gegen Russland. Nötig sei ein Boykott russischer Exporte und damit auch der Verzicht auf Erdöl und Erdgas aus Russland. «Man kann es Embargo nennen oder auch einfach Moral, wenn man sich weigert, den Terroristen Geld zu geben», sagte Selenskyj.

Deutschland will allerdings weiter auf Energieimporte aus Russland setzen. «Die Versorgung Europas mit Energie für die Wärmeerzeugung, für die Mobilität, die Stromversorgung und für die Industrie kann im Moment nicht anders gesichert werden», sagte Kanzler Scholz. Energie aus Russland sei von essenzieller Bedeutung für das tägliche Leben.

Die EU-Kommission wird nach Angaben ihrer Chefin Ursula von der Leyen an diesem Dienstag Vorschläge für eine schnelle Abkopplung der EU von russischen Energielieferungen vorstellen. «Wir müssen uns aus der Abhängigkeit von Gas, Öl und Kohle aus Russland befreien», sagte sie.

Putin fordert Druck der EU auf Ukraine

Russlands Präsident Wladimir Putin rief die EU auf, «einen echten Beitrag zur Rettung von Menschenleben» zu leisten und «Kiew zur Einhaltung des humanitären Rechts» zu bewegen», wie der Kreml in Moskau mitteilte. Die russischen Truppen hätten mehrfach eine Waffenruhe zur Rettung von Menschen ausgerufen. Die «ukrainischen Nationalisten» hätten dies aber «durch Gewalt gegen Zivilisten und Provokationen aller Art verhindert». Die Ukraine hatte russischen Truppen vorgeworfen, gegen eine Feuerpause verstoßen zu haben.

Als Bedingung für eine Einstellung der Gefechte fordert Russland, die Ukraine müsse sich in ihrer Verfassung für neutral erklären. Zudem müsse Kiew die annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim als russisch sowie die Separatistengebiete als unabhängig anerkennen.

UN zählen bisher 1,7 Millionen Flüchtlinge

Nach Zahlen der UN-Flüchtlingshilfsorganisation UNHCR von Montag haben inzwischen 1,7 Millionen Menschen die Ukraine verlassen. Das Bundesinnenministerium weiß bislang von 50.294 nach Deutschland eingereisten Kriegsflüchtlingen. Da es keine Grenzkontrollen gibt, kann die tatsächliche Zahl deutlich höher sein. Deutschland will eine zentrale Rolle bei der Versorgung der Verletzten und Kranken ohne Behandlungsmöglichkeit spielen. «Das Gesundheitswesen der Ukraine steht teilweise vor dem Zusammenbruch - darauf bereiten wir uns vor», sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). 

Die EU rechnet mit bis zu fünf Millionen Kriegsflüchtlingen. Man sei bereits jetzt bei etwa 1,6 Millionen, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag nach einem Treffen der Entwicklungsminister der EU-Staaten in Montpellier. Angesichts des schnellen Anstiegs sei stark zu befürchten, dass man die Zahl von fünf Millionen Personen erreichen könnte. «Das ist eine vernünftige Schätzung», erklärte Borrell. «Eine so große Flüchtlingsbewegung haben wir seit Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr erlebt.»

Kiew fordert von UN-Gericht: Stoppt Moskaus Gewalt

Die Ukraine rief am Montag das höchste Gericht der Vereinten Nationen zum Eingreifen gegen Russland auf. Angesichts der russischen Angriffe und des menschlichen Leids solle der Internationale Gerichtshof so schnell wie möglich ein Ende der Gewalt anordnen. Russland boykottierte die Sitzung am Montag.

Nach Auffassung von US-Außenminister Antony Blinken zeigen die Sanktionen gegen Russland Wirkung. «Sie haben bereits dramatische Auswirkungen», sagte Blinken in Litauen. Der Rubel befinde sich im freien Fall, die Kreditwürdigkeit Russlands sei praktisch auf null gesunken, die Börse nicht mehr geöffnet. Zudem zeige sich ein «Exodus praktisch aller führenden Unternehmen aus Russland».

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