Russische Invasion

Krieg in der Ukraine: So ist die Lage

Krieg in der Ukraine: So ist die Lage

Krieg in der Ukraine: So ist die Lage

dpa
Kiew
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Wolodymyr Selenskyj sieht die Ukraine bereits jetzt als Teil des europäischen Werteraums. Foto: Kay Nietfeld/dpa

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Die Ukraine betont ihr Recht auf eine EU-Perspektive. Menschen in besetzten Regionen wird derweil zur Flucht geraten - wenn nötig auf vom Feind besetztes Gebiet. Die Entwicklungen im Überblick.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bekräftigt, dass die Ukraine seiner Meinung nach zu Europa gehört und den Status als EU-Beitrittskandidat verdient hat.

Das von Russland angegriffene Land beweise jeden Tag, dass es schon jetzt Teil eines vereinten europäischen Werteraums sei, sagte Selenskyj in seiner Videoansprache in der Nacht. Die Bestrebungen der Ukraine, der EU beizutreten, machten Russland sehr nervös, meinte er.

Die EU-Kommission hatte am Freitag empfohlen, die Ukraine und Moldau zu Kandidaten für den Beitritt zur Europäischen Union zu ernennen. Die Entscheidung darüber müssen nun die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder bei ihrem Gipfel ab Donnerstag treffen.

Bei der Verteidigung gegen die russischen Invasoren geht es laut Selenskyj auch darum, auf das Leid der Ukrainer aufmerksam zu machen und so internationale Hilfe zu mobilisieren. Doch je länger der Krieg dauere, desto schwieriger werde es, «um die Aufmerksamkeit von Hunderten Millionen Menschen in verschiedenen Ländern zu konkurrieren». Er werde dennoch «alles tun, damit die Aufmerksamkeit für die Ukraine nicht nachlässt».

Sjewjerodonezk: Russische Truppen im Industriegebiet

In der heftig umkämpften Stadt Sjewjerodonezk drangen russische Truppen ukrainischen Angaben zufolge in das Industriegebiet vor, wo das eigene Militär nur noch das Chemiewerk Azot kontrolliere. Auch umliegende Ortschaften stünden unter ständigem Beschuss, sagte Gouverneur Serhij Hajdaj. Die russischen Truppen konzentrieren sich seit einiger Zeit auf die Einnahme des Verwaltungszentrums Sjewjerodonezk in Luhansk. Auch in anderen Gebieten im Osten und zentralen Regionen des Landes gab es in der Nacht Luftalarm.

Hunderte Zivilisten im Chemiewerk Azot

Im Chemiewerk Azot hielten sich nach Angaben der ukrainischen Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk zuletzt noch etwa 300 Zivilisten auf. Die Lage ändere sich allerdings ständig, sagte sie nach Angaben der ukrainischen Agentur Ukrinform am Montag. Sollten die dort Schutz suchenden Zivilisten evakuiert werden wollen, werde man versuchen, einen Fluchtkorridor einzurichten. Am Samstag hatte Gouverneur Hajdaj gesagt, die Zivilisten wollten nicht evakuiert werden, es gebe jedoch ständigen Kontakt.

Nach Angaben der russischen Agentur Interfax konnten etwa 20 ukrainische Zivilisten das Chemiewerk am Montag verlassen. Sie hätten einen nicht von ukrainischen Truppen kontrollierten Durchgang genutzt und seien nun «in Sicherheit», sagte der Separatistenvertreter Rodion Miroschnik demnach. Er warf der Ukraine vor, durch «ständigen Beschuss» die Evakuierung der Zivilisten aus der Region zu behindern.

Ukraine beklagt Tote und Verletzte im Osten

Im Osten des Landes wurden nach Angaben ukrainischer Behörden im Gebiet Donezk und in Charkiw durch russischen Beschuss jeweils drei Zivilisten getötet und zwei weitere verletzt. In der Region Sumy soll ein Zivilist getötet und ein weiterer verletzt worden sein. Die Angaben waren nicht unabhängig zu prüfen. Nach einer Zählung der Vereinten Nationen wurden seit Kriegsbeginn mindestens 4569 Zivilisten getötet und 5691 weitere verletzt, wobei die tatsächliche Zahl auch nach UN-Schätzungen deutlich höher liegen dürfte.

Ukrainische Vize-Regierungschefin rät zu Flucht aus Cherson

Vize-Regierungschefin Wereschtschuk rief die Einwohner des von russischen Truppen besetzten Gebiets Cherson auf, die Region zu verlassen, bevor die ukrainische Armee eine größer angelegte Gegenoffensive starte. Insbesondere Familien mit Kindern sollten ausreisen. «Bitte gehen Sie, denn unsere Armee wird dieses Land definitiv räumen», appellierte Wereschtschuk. Sie erwarte dort schwere Kämpfe und dann werde es schwierig, Fluchtkorridore einzurichten.

Wereschtschuk empfahl den Menschen sogar - wenn nötig - eine Flucht auf die von Russland annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim, die an Cherson grenzt. Normalerweise ist für Reisen dorthin eine Erlaubnis der ukrainischen Behörden notwendig - für fliehende Menschen aber sei ein vorübergehender Aufenthalt auf der Krim straffrei, betonte Wereschtschuk.

London: Ukrainer verhindern russische Kontrolle über das Meer

Nach Einschätzung britischer Geheimdienste hat der ukrainische Widerstand bislang erfolgreich verhindert, dass Russland Kontrolle über das an die Ukraine grenzende Meeresgebiet übernimmt. Dies habe das ursprüngliche Konzept der russischen Invasion untergraben, hieß es am Dienstag in einem Update des britischen Verteidigungsministeriums. Ursprünglich habe Moskau nämlich vorgehabt, die Region um den wichtigen ukrainischen Hafen von Odessa vom Schwarzen Meer aus anzugreifen.

Am 17. Juni sei es ukrainischen Kräften erstmals gelungen, mit Schiffsabwehrraketen aus dem Westen ein russisches Schiff anzugreifen, das mit hoher Wahrscheinlichkeit Waffen und Personal auf die strategisch wichtige Schlangeninsel im Nordwesten des Schwarzen Meeres habe bringen wollen, hieß es von den Briten. Die Insel ist von russischen Truppen besetzt. Die Zerstörung des Schleppers zeige, wie schwierig es für Moskau sei, Nachschub auf die Insel zu bringen.

Ukraine ratifiziert Istanbul-Konvention

Das ukrainische Parlament ratifizierte am Montag die sogenannte Istanbul-Konvention - ein Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. «Ich bin allen Volksabgeordneten dankbar, die unsere europäische Integration unterstützt haben», sagte Selenskyj. Russland und die Ukraine waren ursprünglich beide Mitglieder des Europarats. Am 25. Februar wurde Russlands Mitgliedschaft infolge der Invasion in die Ukraine zunächst suspendiert. Nachdem der Kreml am 15. März den Austritt der Russischen Föderation erklärte, wurde das Land endgültig aus dem Europarat ausgeschlossen.

Moskau droht Litauen mit ernsten Folgen

Die Moskauer Führung drohte Litauen mit schweren Folgen für die eigene Bevölkerung, sollte das Land nicht die Transitbeschränkungen gegenüber der zu Russland gehörenden Ostsee-Exklave Kaliningrad einstellen. Moskau werde auf solche «feindlichen Handlungen» mit Gegenmaßnahmen antworten, sagte der russische Sicherheitsratschef Nikolai Patruschew am Dienstag laut der Agentur Interfax bei einem Besuch in Kaliningrad. «Deren Folgen werden schwere negative Auswirkungen auf die Bevölkerung Litauens haben.»

Patruschew, der als einer der engsten Vertrauten von Kremlchef Wladimir Putin gilt, traf sich in Kaliningrad mit dem dortigen Gouverneur Anton Alichanow. Er leitete auch eine Sitzung zu Fragen der Transportsicherheit in der Region.

Litauen hat seit Samstag den Bahntransit von Waren über sein Territorium nach Kaliningrad verboten, die auf westlichen Sanktionslisten stehen. Laut Alichanow betrifft dies 40 bis 50 Prozent aller Transitgüter, darunter Baumaterialien und Metalle.

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