Außenpolitik

Scholz: Europatag Antwort auf imperialistischen Größenwahn

Scholz: Europatag Antwort auf imperialistischen Größenwahn

Scholz: Europatag Antwort auf imperialistischen Größenwahn

dpa
Straßburg
Zuletzt aktualisiert um:
Bekommt Kritik von der Opposition: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Foto: Jan Woitas/dpa

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Kanzler Scholz präsentiert heute im Europaparlament seine Sicht auf die aktuelle Lage und die Zukunft der EU. Die Erwartungen sind hoch.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat in einer Rede im Straßburger Europaparlament die Bedeutung des Europatags an diesem Dienstag hervorgehoben. Der 9. Mai sei die einzig richtige, Antwort auf den von Deutschland entfesselten Weltkrieg, auf zerstörerischen Nationalismus und imperialistischen Größenwahn. Zudem betonte der SPD-Politiker: «Krieg zwischen unseren Völkern ist unvorstellbar geworden - der Europäischen Union zum Dank und zu unser aller Glück.» Doch nicht in allen Ländern Europas sei dieser Traum auch Realität, sagte er mit Blick auf den inzwischen 14-monatigen Abwehrkampf der Ukraine gegen die russische Invasion.

Vor 73 Jahren hatte der damalige französische Außenminister Robert Schuman die sogenannte Schuman-Erklärung vorgelegt. Sie wird als Grundstein für die Europäische Union gesehen. Schuman schlug damals die Schaffung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) vor, deren Mitglieder ihre Kohle- und Stahlproduktion zusammenlegen sollten. Nach dem Grauen des Zweiten Weltkriegs sollte so ein erneuter Krieg zwischen Deutschland und Frankreich unmöglich werden.

Scholz geht auf Distanz zu Macron

Scholz sprach sich dagegen klar gegen Bestrebungen ausgesprochen, die EU zu einer dritten Supermacht neben den USA und China zu machen. «Wer nostalgisch dem Traum europäischer Weltmacht nachhängt, wer nationale Großmachtfantasien bedient, der steckt in der Vergangenheit», sagte er. Andere Länder würden sich «zu Recht nicht abfinden mit einer bi- oder tripolaren Weltordnung».

Was es brauche, sei Partnerschaft, die Augenhöhe nicht nur behaupte, sondern herstelle, sagte Scholz. «Die Welt des 21. Jahrhunderts wird multipolar sein.»

Für eine EU als globales Machtzentrum neben den USA und China hatte zuletzt unter anderem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron plädiert. Er sprach im April in einem Gespräch mit Journalisten davon, dass Europa ein «dritter Pol» sein könne und sagte, strategische Autonomie sei unabdingbar, um zu verhindern, dass die europäischen Staaten Vasallen würden.

Scholz sagte in Straßburg dagegen, nicht weniger, sondern mehr Offenheit, mehr Kooperation seien das Gebot der Zeit, um Europa einen guten Platz zu sichern in der Welt von morgen. «Einen Platz nicht über oder unter anderen Ländern und Regionen. Sondern auf Augenhöhe mit anderen, an ihrer Seite», fügte er hinzu.

Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es nach den Worten von Scholz nun eine geopolitische, erweiterte, reformierte und zukunftsoffene EU. Dazu zähle eine noch viel engere Verzahnung der Verteidigungsanstrengungen und der Aufbau einer integrierten europäischen Verteidigungswirtschaft, erklärte er. Zudem müsse man bereits jetzt die Weichen für den Wiederaufbau der Ukraine stellen.

Rasche Reform des EU-Asylsystems gefodert

In seiner Rede in Strasburg warb Scholz zudem für eine rasche Reform des EU-Asylsystems und eine kontrollierte Zuwanderung. «Natürlich muss am Ende eine Lösung stehen, die dem Anspruch europäischer Solidarität gerecht wird. Aber wir dürfen doch nicht abwarten, bis diese Solidarität quasi wie der Heilige Geist über uns kommt», sagte Scholz im Europaparlament. Die Reform solle noch vor der Europawahl im Frühjahr 2024 unter Dach und Fach gebracht werden.

«Uns eint doch das Ziel, irreguläre Migration besser zu steuern und zu ordnen - ohne unsere Werte zu verraten», sagte er. Man müsse die alten Probleme aus dem Weg schaffen, die die EU seit Jahren lähmten und die dafür sorgten, dass andere Länder die Gemeinschaft allzu leicht spalten könnten.

In vielen Teilen Europas seien Arbeitskräfte inzwischen dringend gesucht. «Wenn wir solche regulären Migrationschancen konsequent verknüpfen mit der Forderung, dass Herkunfts- und Transitländer diejenigen auch wieder zurücknehmen, die kein Bleiberecht haben hier bei uns, dann profitieren davon alle Seiten», so Scholz. Dazu gehörten aber auch Maßnahmen für einen wirksamen Schutz der Außengrenzen, worauf sich die EU-Länder im Februar bereits verständigt hätten. So könne auch die Akzeptanz für eine «gesteuerte und kontrollierte Zuwanderung» wachsen. «Und dann entziehen wir denjenigen die Grundlage, die mit Angst und Ressentiments Politik machen.»

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