Russischer Angriffskrieg

Selenskyj in USA erwartet - Patriot-Flugabwehr für Ukraine

Selenskyj in USA erwartet - Patriot-Flugabwehr für Ukraine

Selenskyj in USA erwartet - Patriot-Flugabwehr für Ukraine

dpa
Washington
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US-Präsident Joe Biden spricht am 01.09.2021 mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj bei dessen Besuch im Oval Office. Foto: Evan Vucci/AP/dpa

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Seit Kriegsbeginn ist Selenskyj nicht ins Ausland gereist. Heute fliegt er nach Washington. Dass dies sein erstes Ziel ist, dürfte auch an weiteren Hilfen in Milliarden-Höhe liegen. Der Kreml meldet sich prompt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird an diesem Mittwoch zu seiner ersten Auslandsreise seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der US-Hauptstadt Washington erwartet. Die US-Regierung bestätigte am frühen Mittwochmorgen (Ortszeit) entsprechende Berichte.

Selenskyj werde in Washington unter anderem von US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus empfangen und vor dem US-Kongress sprechen. Die US-Regierung wird der Ukraine erstmals das Patriot-Flugabwehrsystem liefern.

Selenskyj brach nach eigenen Angaben am Morgen zu der Reise auf, um über weitere Waffenlieferungen zu verhandeln. «Ich bin in die USA abgeflogen, um die Stabilität und Verteidigungsfähigkeit der Ukraine zu stärken», teilte Selenskyj am Mittwoch per Twitter mit.

Seit Kriegsbeginn am 24. Februar hat Selenskyj sein Land nicht verlassen. Für Auftritte auf der politischen Weltbühne - etwa beim G7-Gipfel im bayerischen Elmau - ließ er sich stets digital aus der Ukraine zuschalten. Ins Kampfgebiet reiste der ukrainische Präsident bereits mehrmals - im Gegensatz zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, der bislang kein einziges Mal an der Front gewesen ist.

Volles Programm in Washington

Dem Weißen Haus zufolge haben Biden und Selenskyj während eines Telefonats Mitte Dezember erstmals über einen möglichen Besuch gesprochen. Später sei dann eine offizielle Einladung erfolgt. Der ukrainische Präsident wird bei seinem Besuch in der US-Hauptstadt ein volles Programm haben. Biden und Selenskyj planen eine gemeinsame Pressekonferenz. Am Mittwochabend (Ortszeit) soll Selenskyj vor dem US-Kongress eine Rede halten. Anschließend werde er die Heimreise antreten, hieß es weiter.

Biden wünschte seinem ukrainischen Amtskollegen eine gute Reise nach Washington. «Ich wünsche dir einen guten Flug, Wolodymyr. Ich freue mich sehr, dass du kommst. Es gibt viel zu besprechen», schrieb Biden am Mittwochmorgen (Ortszeit) auf Twitter.

Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, sagte im US-Fernsehen, es werde bei dem Gespräch der beiden Präsidenten auch um die Friedensbemühungen der Ukraine gehen. «Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie über Selenskyjs Vorstellung von einem gerechten Frieden sprechen werden - und darüber, wie dieser aussehen könnte, was die Bestandteile dieses Friedens sind und wie wir der Ukraine dabei helfen können, diesen zu erreichen», sagte Kirby.

Offensichtlich sei aber auch, dass Putin im Moment nicht an Diplomatie interessiert sei. «Ganz im Gegenteil. Er ist daran interessiert, noch mehr ukrainische Zivilisten zu töten und den Menschen das Licht und die Heizung abzudrehen, während der Winter naht.» Die USA müssten also zunächst sicherstellen, dass die Ukraine diejenige Verteidigungshilfe bekomme, die sie benötige.

Die USA haben die Ukraine seit Beginn des Krieges mit milliardenschweren Militärhilfen unterstützt. Nun wird die US-Regierung dem Land erstmals das Patriot-Flugabwehrsystem liefern. Es sei Teil eines neuen Militärhilfe-Pakts in Höhe von 1,85 Milliarden US-Dollar (rund 1,7 Milliarden Euro) für die Ukraine, teilte das US-Außenministerium mit. Damit steigt die gesamte US-Militärhilfe für die Ukraine seit Beginn der Amtszeit von Präsident Joe Biden im Januar 2021 auf 21,9 Milliarden US-Dollar.

Das Weiße Haus hatte bereits zuvor mitgeteilt, dass die US-Regierung im Zuge des Selenskyj-Besuchs die Patriot-Lieferung und die zusätzliche Militärhilfe offiziell bekanntgeben werde. «Wir werden die Ukraine so lange unterstützen, wie es nötig ist, damit Kiew sich weiterhin verteidigen kann und zu gegebener Zeit am Verhandlungstisch eine möglichst starke Position einnimmt», erklärte nun das Außenministerium.

In dem neuen Paket sind den Angaben nach neben dem Patriot-Flugabwehrsystem weitere Unterstützung für die Luftverteidigung sowie zusätzliche Munition und wichtige Ausrüstung enthalten. Das Luftverteidigungssystem Patriot kann Flugzeuge, Marschflugkörper, Drohnen und Raketen auch in größerer Entfernung abwehren. Es dürfte Russlands Angriffe mit Raketen und Drohnen auf die zivile Infrastruktur in der Ukraine erschweren.

Ein US-Regierungsvertreter sagte, die ukrainischen Streitkräfte würden in einem Drittland ausgebildet, machte dazu aber keine weiteren Angaben. Naheliegend und wahrscheinlich ist, dass Ukrainer - wie auch bei anderen Waffensystemen schon praktiziert - in Deutschland ausgebildet werden, beispielsweise auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr in Bayern. Die US-Regierung liefert bereits Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars oder das Flugabwehrsystem Nasams in die Ukraine.

Kritik aus Moskau

Russland kritisierte die USA-Reise des ukrainischen Präsidenten und die angekündigten neuen Waffenlieferungen. «Das alles führt zweifellos zu einer Verschärfung des Konflikts und verheißt an sich nichts Gutes für die Ukraine», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Er erwarte nicht, dass Selenskyj nach seiner Reise verhandlungsbereiter gegenüber Moskau sein werde. Peskow kritisierte, die Waffenlieferungen würden nicht nur fortgesetzt, sondern um neue Systeme erweitert.

Parallel zu Selenskyjs Flug in die USA leitete Putin in Moskau eine erweiterte Sitzung des Verteidigungsministeriums. Dabei bekräftigte der Kremlchef, dass Russland trotz Verzögerungen seine mit Atomsprengköpfen bestückbare neue Interkontinentalrakete vom Typ Sarmat bald einsatzbereit haben will. «Alles wird realisiert», so Putin. Er sagte weiter, dass die Atommacht allen militärischen Herausforderungen gewachsen sei und sich gegen die «Bedrohung durch die Nato» zu verteidigen wisse.

US-Regierungsvertreter: Botschaft an Putin und die Welt senden

«Wir sind nicht auf einen direkten Krieg mit Russland aus», sagte derweil der US-Regierungsvertreter in Washington. Und daran werde sich auch mit Selenskyjs Besuch und der Lieferung der Patriot-Batterie nichts ändern. «Es geht darum, eine Botschaft an Putin und an die Welt zu senden, dass Amerika für die Ukraine da sein wird, so lange es nötig ist.» Der Besuch sei auch eine gute Möglichkeit für den ukrainischen Präsidenten, sich an das amerikanische Volk zu wenden.

Am Dienstag hatten sich Republikaner und Demokraten im US-Kongress auf einen Haushaltsentwurf geeinigt, der auch milliardenschwere Militärhilfen enthält. Das Paket mit einem Volumen von 1,7 Billionen US-Dollar (1,6 Billionen Euro) sieht unter anderem 44,9 Milliarden US-Dollar (42,3 Milliarden Euro) Hilfen für die Ukraine vor. Über den Entwurf müssen allerdings noch der Senat und das Repräsentantenhaus abstimmen.

Es ist Selenskyjs zweiter Besuch im Weißen Haus seit dem Amtsantritt von Biden. Zuletzt hatte Biden seinen ukrainischen Kollegen Selenskyj im Sommer 2021 in Washington empfangen. Bidens Regierung hatte früh öffentlich vor einem Angriffs Russlands auf die Ukraine gewarnt und sich dabei auf Geheimdienstinformationen berufen. Seit dem Einmarsch in die Ukraine haben die USA und ihre Verbündeten Russland mit harten Sanktionen belegt.

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