Rede zur Lage der Nation

US-Präsident Biden: Die Welt steht an einem Wendepunkt

US-Präsident Biden: Die Welt steht an einem Wendepunkt

US-Präsident Biden: Die Welt steht an einem Wendepunkt

dpa
Washington
Zuletzt aktualisiert um:
US-Präsident Joe Biden hält seine Rede zur Lage der Nation. Hinter ihm applaudiert Vizepräsidentin Kamala Harris, daneben sitzt Kevin McCarthy, Sprecher des Repräsentantenhauses. Foto: Jacquelyn Martin/AP POOL/dpa

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Die «State of the Union» ist ein Gradmesser für die politische Stimmung in den USA. Dieses Mal geht es in Bidens Rede um Polarisierung, Extremismus und Polizeigewalt - und um globale Umbrüche.

US-Präsident Joe Biden hat den Republikanern im Kongress in einer Rede vor dem Parlament die Hand ausgestreckt. «An meine republikanischen Freunde: Wir konnten im letzten Kongress zusammenarbeiten, es gibt keinen Grund, warum wir nicht auch in diesem Kongress zusammenarbeiten und einen Konsens über wichtige Dinge finden können», sagte Biden gestern Abend (Ortszeit) in seiner Rede zur Lage der Nation vor beiden Kongresskammern. Konflikte würden das Land nicht weiterbringen.

Biden sah sich bei seiner Ansprache mit neuen Mehrheitsverhältnissen im Kongress konfrontiert. Seit Januar sind seine Demokraten im Repräsentantenhaus in der Minderheit, was es für die Regierung noch schwieriger macht, Gesetzesvorhaben umzusetzen. Die Republikaner haben bei den Zwischenwahlen im November eine knappe Mehrheit in der Parlamentskammer errungen.

Zwischenrufe nach kritischen Tönen

Gleichzeitig kritisierte Biden den sozialpolitischen Kurs der Republikaner. Anstatt die Reichen ihren gerechten Anteil an Steuern zahlen zu lassen, wollten einige Republikaner Krankenversicherungs- und Sozialversicherungsbezüge alle paar Jahre auf den Prüfstand stellen, so Biden. Er werde aber nicht zulassen, dass bei der Sozialversicherung gekürzt werde, versprach der Demokrat. Gegen mögliche Vorstöße in diese Richtung werde er ein Veto einlegen.

Einige Republikaner reagierten bei der Ansprache mit Zwischenrufen auf Bidens Aussagen an dieser Stelle. Biden verteidigte sich und sagte, einige Republikaner hätten diese Dinge tatsächlich vorgeschlagen. Nur aus Höflichkeit nenne er ihre Namen nicht.

Extremismus und Polizeigewalt

Mit Blick auf die Gefahr politisch motivierter Gewalt erinnerte Biden an den tätlichen Angriff auf den Ehemann der Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi. «Eine solch abscheuliche Tat hätte niemals geschehen dürfen», so der US-Präsident. Der Täter habe dieselbe Sprache genutzt wie die Menschen, die am 6. Januar 2021 den Kongress gestürmt hätten. «Wir dürfen Hass und Extremismus in jeder Form keinen sicheren Hafen bieten», so Biden.

Zudem forderte der US-Präsident parteiübergreifende Unterstützung für Polizeireformen. Bei der Ansprache anwesend waren auch die Mutter und der Stiefvater von Tyre Nichols. Der Afroamerikaner war am 7. Januar bei einer Verkehrskontrolle in Memphis im Bundesstaat Tennessee von fünf schwarzen Polizisten brutal zusammengeschlagen worden und infolge seiner Verletzungen gestorben.

«Was Tyre in Memphis widerfahren ist, passiert zu oft. Wir müssen besser werden: Die Strafverfolgungsbehörden besser ausbilden, sie an höhere Standards binden», forderte Biden. «Lasst uns zusammenkommen und die Polizeireform zu Ende bringen.»

Fokus auf «Made in America»

Die niedrige Arbeitslosigkeit von 3,4 Prozent lobte Biden derweil auch als Leistung seiner Regierung: «Wir haben bereits 800.000 gut bezahlte Arbeitsplätze in der Fertigung geschaffen, das schnellste Wachstum seit 40 Jahren», sagte der Demokrat und kündigte außerdem die Schaffung weiterer Hunderttausender Jobs an.

Die Inflation bedingt durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg sei zwar noch immer ein großes Problem, doch Sprit- und Nahrungsmittelpreise würden in den USA inzwischen wieder fallen. «Wir sind im Moment besser aufgestellt als jedes andere Land der Erde.»

Zudem wolle er die heimische Industrie noch stärker unterstützen und auf das Prinzip «Made in America» setzen. «Wir werden sicherstellen, dass die Lieferkette für Amerika in Amerika beginnt. Die Lieferkette beginnt in Amerika», sagte Biden. Er werde dafür kritisiert, dass er auf amerikanische Produkte setze. Aber er werde sich dafür nicht entschuldigen, betonte der Demokrat. «Das ist völlig im Einklang mit den internationalen Handelsregeln.»

Unterstützung für die Ukraine

Bei der Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg versprach Biden der Ukraine einmal mehr langfristige Unterstützung: «Wir werden Ihnen zur Seite stehen, so lange es nötig ist.» Der von Russlands Präsident Wladimir Putin angeordnete «brutale» Angriff auf die Ukraine habe Amerika und die Welt auf die Probe gestellt, sagte Biden.

Amerika und seine Partner stünden ein für die Demokratie und grundsätzliche Werte. Die Vereinigten Staaten hätten die internationale Reaktion auf Russlands Krieg angeführt. «Wir haben die Nato geeint und eine globale Koalition gebildet. Wir haben uns gegen Putins Aggression gestellt. Wir standen an der Seite des ukrainischen Volkes.» Und das täten die USA auch weiterhin.

Inmitten globaler Umbrüche rief Biden die Amerikaner zu Mut und Entschlossenheit auf. Die Welt stehe an einem Wendepunkt, «einem jener Momente, die nur wenige Generationen erleben, wo die Richtung, die wir jetzt einschlagen, den Kurs dieser Nation und der Welt für die nächsten Jahrzehnte bestimmen wird». Die Amerikaner stünden dem nicht machtlos gegenüber, sondern hätten es selbst in der Hand, diesen Moment zu gestalten.

Mehr lesen