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So schafft es der SSW in den Bundestag

So schafft es der SSW in den Bundestag

So schafft es der SSW in den Bundestag

dodo
Flensburg
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Der Südschleswigsche Wählerverband SSW will in den Deutschen Bundestag. Foto: picture alliance/dpa

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Wahlen: Die dänisch-friesische Minderheitenpartei aus Südschleswig will nach Berlin. Die Chancen dafür stehen gut – das Wahlgesetz macht’s möglich. Ein Überblick.

Am 26. September wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Wenn um 18 Uhr die Wahllokale schließen und auf die Ergebnisse gewartet wird, darf sich neben den großen bekannten Parteien noch eine weitere berechtigte Hoffnungen machen, in das deutsche Parlament einzuziehen: der Südschleswigsche Wählerverband (SSW).

Die Partei der dänischen und friesischen Minderheit in Schleswig-Holstein versucht erstmals seit 60 Jahren wieder, in den Deutschen Bundestag einzuziehen. Doch warum stehen die Chancen dafür für eine kleine Minderheitenpartei so gut?

Keine Fünf-Prozent-Hürde

Der Grund ist, dass der SSW von der sogenannten Fünf-Prozent-Hürde ausgenommen ist. Normalerweise gilt für eine Partei, die ins Parlament will, dass sie mindestens 5 Prozent der Zweitstimmen dafür benötigt.  Wenn eine Partei also nur 4,9 Prozent der Stimmen holt, darf sie keine Abgeordneten in den Bundestag entsenden. Eine Ausnahme ist: Wenn eine Partei die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt, sie aber drei Direktmandate über die Erststimme holt, kann sie auch in den Bundestag einziehen.

Stefan Seidler will als Spitzenkandidat für den SSW nach Berlin. Foto: Nils Baum

Beide Regeln gelten für eine Minderheitenpartei wie den SSW nicht. Sie muss weder 5 Prozent der Zweitstimmen erreichen noch muss sie drei Direktmandate gewinnen. Sie bekommt exakt den Anteil an Bundestagsmandaten, der ihr nach dem Verhältnis der Zweitstimmen zusteht. So benötigt der SSW nach eigenen Angaben für einen einzigen Sitz im Bundestag lediglich zwischen 40.000 und 50.000 Stimmen. Bei den derzeit 60,4 Millionen Wahlberechtigten wären das nur 0,066 bis 0,083 Prozent. Bei der Landtagswahl 2017 hat der SSW in Schleswig-Holstein 49.000 Stimmen bekommen.

Wahlbeteiligung und Überhangmandate entscheidend

Somit spielt für den SSW, der nur in Schleswig-Holstein zur Wahl steht, auch die Wahlbeteiligung eine große Rolle. Denn je geringer diese ist, desto weniger Stimmen werden für ein Mandat benötigt und umso größer wären somit die Chancen für den SSW, einen Sitz zu erhalten. Zudem können auch mögliche Überhangmandate entscheidend werden. Denn wenn der nächste Bundestag, wie von Politikexperten erwartet, sehr groß wird, steigt durch den Stimmenausgleich für den SSW die Wahrscheinlichkeit auf einen Sitz.

Fokus auf Zweitstimme

Der SSW hat sich im Wahlkampf darauf fokussiert, primär um die Zweitstimme der Wähler zu werben – und das selbst im Wahlkreis Schleswig-Flensburg, wo der Spitzenkandidat Stefan Seidler antritt.

„Das Wahlsystem ist kompliziert genug und verwirrt bereits viele. Die Zweitstimme ist für uns die beste Chance, einen Sitz zu bekommen. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, dass zum Beispiel Stefan Seidler in seinem Wahlkreis ein Direktmandat erhält, aber angesichts der Konkurrenz mit Robert Habeck und Petra Nicolaisen muss man doch einsehen, dass dies sehr unrealistisch ist. Deshalb setzen wir darauf, dass wir zumindest so viele Zweitstimmen wie möglich bekommen und bewerben das auch so im Wahlkampf“, sagt Per Dittrich, Parteisprecher des SSW.

Wahlspot ein voller Erfolg

Besonderes Aufsehen erregte die Minderheitenpartei auch mit ihrem Wahlspot, in dem man bis in die Wikingerzeit zurückgeht.

„Die Resonanz, die wir bekommen haben, ist super. 99 Prozent der Rückmeldungen sind positiv. Wir hatten anfangs etwas Sorge, dass wir mit der Wikingersprache in dem Spot vielleicht etwas anecken würden, aber die meisten haben es so verstanden, wie es gemeint ist. Wir haben bundesweit Aufmerksamkeit erhalten, und unser Spot wurde in YouTube-Formaten sogar zum besten Wahlspot aller Parteien gewählt. Das freut uns natürlich“, so der Parteisprecher.

Viel geschafft mit wenig Mitteln

Auch mit dem Wahlkampf an sich ist Per Dittrich zufrieden. Unter anderem 6.000 Plakate wurden aufgehängt und 90 Radiospots geschaltet. „Mit den wenigen Mitteln und Leuten, die wir haben, reißen wir wirklich eine Menge.“

Schafft er es nach Berlin, will sich Spitzenkandidat Stefan Seidler dafür einsetzen, dass das nördlichste Bundesland öfter auf der politischen Agenda landet. Man müsse sich nur den Bundesverkehrswegeplan ansehen, in dem sei Bayern mit 325 Projekten vertreten und Schleswig-Holstein mit 22, so der SSW-Mann im Interview mit dem „shz“.

„Deshalb müssen wir nach Berlin, für eine vernünftige Fördermittelverteilung. Wir brauchen den Fokus auf den echten Norden“, bekräftigte Seidler. Außerdem gehe es darum, in Berlin erfolgreiche skandinavische Lösungen anzubieten und dadurch die Region zu stärken.

Erststimme, Zweitstimme und Überhangmandate

Bei Bundestagswahlen können die Wählerinnen und Wähler zwei Kreuze auf dem Stimmzettel machen. Mit der Erststimme wählt man einen Kandidaten oder eine Kandidatin aus seinem Wahlkreis. Von diesen Wahlkreisen gibt es in Deutschland insgesamt 299. In jedem davon leben im Durchschnitt 250.000 Menschen. In den einzelnen Wahlkreisen konkurrieren die Kandidaten um die Erststimmen der Wähler. Jede Partei darf einen aufstellen, aber auch unabhängige Kandidaturen sind möglich. Wer die meisten Erststimmen in seinem Wahlkreis bekommt, erhält ein Direktmandat und kommt als Abgeordneter in den Bundestag. Alle anderen Kandidaten gehen leer aus. So kommen insgesamt 299 Abgeordnete in den Bundestag. Durch das Prinzip der Erststimme wird sichergestellt, dass jede Region im Bundestag vertreten ist.

Die Zweitstimme ist trotz ihres Namens wichtiger als die Erststimme: Denn die Zweitstimme entscheidet über die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag – also darüber, wie viele der insgesamt 598 Sitze im Bundestag jeweils einer Partei zustehen. Um die Zweitstimmen geht es auch bei den Hochrechnungen an den Wahlabenden. Vereinfacht gesagt: Hat eine Partei 40 Prozent der Zweitstimmen gewonnen, bekommt sie mindestens 40 Prozent der Sitze im Bundestag. Die Zweitstimmen zählen jedoch nur, wenn Parteien mindestens fünf Prozent aller Zweitstimmen oder drei Wahlkreise gewonnen haben. Wenn nicht, verfallen die Zweitstimmen. Mit der Zweitstimme entscheiden sich die Wähler nicht für eine Person, sondern für die Landesliste einer Partei. Auf dieser Liste stehen die Kandidaten, die eine Partei für das Bundesland nach Berlin schicken möchte. Dabei kommt es auf die Reihenfolge der Kandidaten auf der Liste an, denn die Parteien entsenden ihre Kandidaten im Verhältnis zu ihren gewonnenen Zweitstimmen nach Berlin. Wer oben steht, kommt eher dran. Bei der Sitzverteilung im Bundestag gilt dann folgendes: Zuerst werden die Plätze an die Direktkandidaten einer Partei vergeben. Dann folgen die Kandidaten von den Landeslisten. Vereinfacht gesagt, kommt die eine Hälfte der Abgeordneten also über die Erststimme in den Bundestag. Die Gesamtzahl der Sitze, die eine Partei im Bundestag erhält, wird dagegen durch die gewonnenen Zweitstimmen bestimmt.

Wenn eine Partei über die gewonnenen Erststimmen mehr Kandidaten in den Bundestag entsenden kann, als ihr nach der Anzahl der Zweitstimmen in einem Bundesland zustehen, dann entstehen Überhangmandate. Diese werden aber durch die Vergabe zusätzlicher Sitze in dem Maße ausgeglichen, dass am Ende die Sitzverteilung nach dem Verhältnis der Zweitstimmen gewahrt bleibt.

 Quelle: bpb

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