Landtagswahl

Schwierige Koalitionsbildung zeichnet sich in Thüringen ab

Schwierige Koalitionsbildung zeichnet sich in Thüringen ab

Schwierige Koalitionsbildung zeichnet sich in Thüringen ab

dpa
Erfurt/Berlin
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Die AfD von Björn Höcke steht bei der Landtagswahl in Thüringen auf Platz eins. Foto: Swen Pförtner/dpa

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Die AfD erzielt in Thüringen einen historischen Erfolg - doch Koalitionspartner sind nicht in Aussicht. Auch für die zweitplatzierte CDU dürfte eine Regierungsbildung schwierig werden.

Die AfD feiert, die rot-rot-grüne Minderheitsregierung stürzt ab: Nach dem starken Abschneiden der AfD bei der Landtagswahl zeichnet sich eine extrem schwierige Regierungsbildung in Thüringen ab. Ein Bündnis aus CDU, BSW und SPD, das als mögliche Option gilt, kommt nach Hochrechnungen bislang nicht auf eine Mehrheit der Landtagssitze. Es wäre damit auch auf die Linke angewiesen. Eine Koalition mit dieser Partei hat die CDU jedoch per Bundestagsparteitagsbeschluss ausgeschlossen. 

Auf den ersten Platz schaffte es laut Hochrechnungen von ARD und ZDF die AfD von Landeschef Björn Höcke - sie landete damit erstmals seit ihrer Gründung 2013 bei einer Landtagswahl auf Platz eins. Aussichten auf eine Koalition hat die in Thüringen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte AfD kaum, alle anderen Parteien haben eine Zusammenarbeit mit ihr ausgeschlossen. 

Die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow rutscht mit deutlichen Verlusten auf den vierten Platz. Die SPD schafft den Einzug in den Landtag, die Grünen verpassen ihn. Auch die FDP fliegt aus dem Parlament.

Hochrechnung: Grüne und FDP fliegen aus dem Landtag 

Den Hochrechnungen zufolge steigert sich die AfD auf 32,9 bis 33,2 Prozent (2019: 23,4 Prozent), die CDU verbessert sich auf 23,6 bis 23,7 Prozent (21,7). Aus dem Stand schafft das BSW 15,6 Prozent - und lässt damit die Linke, von der es sich abgespalten hat, hinter sich: Diese stürzt dramatisch ab und kommt nur noch auf 12,7 bis 12,9 Prozent (31,0). 

Starke Verluste verbuchen die Parteien der Berliner Ampel-Regierung: Die SPD liegt mit 6,0 bis 6,1 Prozent nur knapp über der Fünf-Prozent-Hürde (8,2) und steuert auf ihr bislang schlechtestes Ergebnis in Thüringen zu. Die Grünen, bislang ebenfalls an der Landesregierung beteiligt, ziehen mit 3,2 bis 3,4 Prozent laut der Hochrechnung ebenso wenig in den Landtag in Erfurt ein wie die FDP, die laut ARD auf 1,2 Prozent (5,0) abstürzt. 

Die AfD erhält den Hochrechnungen zufolge 32 Sitze (22). Die CDU kommt auf 23 Sitze (21), das BSW laut Hochrechnung auf 15. Die Linken haben noch 12 Mandate (29). Die SPD stellt laut Hochrechnung 6 Abgeordnete (8). Damit hätten CDU, BSW und SPD zusammen 44 Sitze - einer weniger als für eine Mehrheit nötig.

Rund 1,66 Millionen Menschen waren zur Abstimmung aufgerufen. Die Wahlbeteiligung liegt laut den Hochrechnungen bei 73,5 bis 74,0 Prozent. 2019 waren es 64,9 Prozent.

Ramelow: Werde Regierungsbildung unterstützen

Die bisherige rot-rot-grüne Minderheitskoalition, die auf eine Zusammenarbeit mit der CDU angewiesen war, hat keine Chance auf eine Neuauflage. Ramelow, der den Freistaat seit zehn Jahren regiert, sieht die Aufgabe zur Regierungsbildung nun beim CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt. «Der im demokratischen Spektrum, der die meisten Stimmen hat, der muss die Gespräche beginnen, der muss einladen. Ich werde alle dabei unterstützen, die helfen, dass wir zu einer demokratischen Mehrheit im Parlament bekommen», sagte der Linken-Politiker in der ARD.

Trotz der einhelligen Ablehnung der anderen Parteien kündigte AfD-Spitzenkandidat Höcke an, zu Gesprächen über mögliche Koalitionen einladen zu wollen. Der 52-Jährige selbst verpasste ein Direktmandat in seinem Wahlkreis Greiz II. 

BSW könnte maßgeblich sein

Das BSW könnte angesichts der sich abzeichnenden Verhältnisse eine wichtige Rolle einnehmen. Bundes-Parteichefin Wagenknecht, die selbst nicht zur Wahl stand, hatte die Absicht geäußert, an möglichen Koalitionsverhandlungen teilnehmen zu wollen. Sie hoffe, dass das BSW gemeinsam mit der CDU und nach bisherigem Zahlenstand auch mit der SPD eine gute Regierung in Thüringen bilden könne, sagte Wagenknecht am Wahlabend.

Die Parteigründerin war einst SED-Mitglied und galt später als Ikone der kommunistischen Plattform in der Linken - was vor allem CDU-Politikern Bauchschmerzen macht.

Wagenknecht bekräftigte ihre Bedingungen für einen Einstieg ihrer Partei in eine Landesregierung. Viele Menschen bewege das Thema Frieden zutiefst und sie lehnten es ab, US-Mittelstreckenraketen in Deutschland zu stationieren, wie von der Bundesregierung beabsichtigt, sagte sie bei einer Wahlparty in Erfurt. Eine Landesregierung müsse diesen Wunsch der Menschen berücksichtigen und sich auf Bundesebene dafür einsetzen. 

CDU-Bundesgeneralsekretär Carsten Linnemann wies Wagenknechts Forderungen zurück, bei möglichen gemeinsamen Regierungsbildungen in Sachsen und Thüringen die Friedenspolitik zum Thema zu machen. «Ich kann nur sagen, in Erfurt wird nicht die Weltpolitik gemacht, sondern da geht es um Bildungspolitik, um Wirtschaftspolitik, um innere Sicherheit, um die Themen, die die Menschen wirklich betreffen», sagte er im ZDF. 

CDU-Spitzenkandidat und -Landeschef Mario Voigt kündigte an, auf die SPD und deren Spitzenkandidaten Georg Maier zugehen zu wollen. Zum BSW sagte er: «Wir werden auch dort gesprächsoffen sein.» 

Scharfe Töne im Wahlkampf

Die Stimmung im Wahlkampf war aufgeheizt. Ein Streitpunkt war der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und Deutschlands Rolle als Kiews Verbündeter.

Gewinnt die AfD in Thüringen mehr als ein Drittel der Landtagsmandate, hätte sie eine sogenannte Sperrminorität: Entscheidungen und Wahlen, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, müssten ihre Zustimmung finden. So werden etwa die Verfassungsrichter von den Parlamenten mit Zweidrittelmehrheit gewählt.

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