Wahlen

Bremen: SPD liegt vorn - Rot-Grün-Rot könnte weiterregieren

Bremen: SPD liegt vorn - Rot-Grün-Rot könnte weiterregieren

Bremen: SPD liegt vorn - Rot-Grün-Rot könnte weiterregieren

dpa
Bremen
Zuletzt aktualisiert um:
Bundeskanzler Olaf Scholz (r) unterstützt Andreas Bovenschulte. Foto: Sina Schuldt/dpa

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Seit fast 80 Jahren regieren die Sozialdemokraten in Bremen. Das könnte wohl auch künftig so bleiben. Einen Dämpfer müssen die Grünen hinnehmen.

Die SPD hat die Wahl im Land Bremen mit großem Abstand gewonnen. Die Sozialdemokraten lagen am Sonntagabend nach Prognosen von ARD und ZDF deutlich vor der CDU. Ihr Bürgermeister Andreas Bovenschulte könnte seine bisherige rot-grün-rote Koalition fortsetzen. Er kündigte aber an, nicht nur mit Grünen und Linken über ein mögliches Bündnis zu sprechen, sondern auch mit der CDU. Bovenschulte sprach von einem «grandiosen Ergebnis» für seine Partei, die seit fast 80 Jahren den Bürgermeister stellt.

Die mitregierenden Grünen landeten den Prognosen zufolge auf Platz drei, jedoch mit deutlichen Verlusten. Dahinter folgten der dritte Koalitionspartner Linke und die rechtspopulistische Wählervereinigung Bürger in Wut (BiW), die stark zulegte. Der Wiedereinzug der FDP in das Landesparlament, die Bremische Bürgerschaft, stand auf der Kippe. Die AfD war nicht zur Wahl zugelassen, weil sie zwei konkurrierende Wahllisten eingereicht hatte.

Bislang führt Bovenschulte seit 2019 eine in Westdeutschland einmalige Koalition aus SPD, Grünen und Linkspartei. Die oppositionelle CDU war 2019 erstmals Wahlsieger im Land Bremen, konnte aber keine Regierung bilden.

CDU bei 24,5 bis 25,5 Prozent

Den Prognosen zufolge lagen die Sozialdemokraten mit 29,5 bis 30 Prozent vorn - sie konnten ihr historisch schlechtes Ergebnis von 2019 (24,9 Prozent) deutlich verbessern. Die CDU mit Spitzenkandidat Frank Imhoff lag bei 24,5 bis 25,5 Prozent (2019: 26,7). Die Grünen rutschten deutlich ab auf 12 bis 12,5 Prozent (17,4). Die Linke erreichte mit 10,5 bis 11 Prozent in etwa das gleiche Ergebnis wie 2019 (11,3). Die Bürger in Wut legten stark zu auf 10,5 Prozent (2,4). Die FDP nimmt mit 5 bis 5,5 Prozent nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde (5,9). Die Wahlbeteiligung wurde mit 57 Prozent von beiden Sendern angegeben - weniger als 2019 mit 64,1 Prozent.

Die SPD erhält laut den Prognosen 27 bis 28 Sitze in der Bürgerschaft. Die CDU kommt auf 23 bis 24 Sitze, die Grünen kommen auf 11 bis 12. Die Linke bekommt 9 bis 10 Mandate, die FDP 5 und die BiW 10.

SPD-Bundeschef Lars Klingbeil sagte, der Sieg gebe «Rückenwind auch für uns hier in Berlin». Zur Koalitionsfrage sagte er: «Die brauchen keine Ratschläge von der Bundesebene.» Grünen-Spitzenkandidatin Maike Schaefer sprach von einem bitteren Ergebnis, das Konsequenzen haben werde. Die Regierungskoalition wolle man aber fortsetzen. Grünen-Chef Omid Nouripour räumte ein, es habe «sicher keinen Rückenwind» von den Grünen im Bund gegeben. Es sei ein «Tag der Demut». CDU-Spitzenkandidat Frank Imhoff sagte, seine Partei stehe bereit für Sondierungsgespräche mit der SPD. Die Linken-Spitzenkandidatin und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt hofft auf schnelle Sondierungsgespräche, wie sie sagte.

Die rechtspopulistischen BiW profitierten davon, dass die AfD nicht zugelassen war. Sie ziehen nun erstmals in Fraktionsstärke in die Bürgerschaft ein. Die AfD hatte bei der Wahl 2019 6,1 Prozent der Stimmen geholt. Die BiW verorten sich selbst zwischen CDU und AfD. Spitzenkandidat Jan Timke sagte, seine Vereinigung sei ein «Sammelbecken für Unzufriedene».

Ergebnis wohl erst Mitte der Woche

Mit einem vorläufigen amtlichen Endergebnis wird erst Mitte der Woche gerechnet - die Auszählung ist wegen des komplizierten Bremer Wahlsystems langwierig. Bei der Stimmabgabe können Wählerinnen und Wähler bis zu fünf Kreuzchen machen. Am späteren Abend veröffentlicht der Landeswahlleitung nur eine amtliche Hochrechnung, die erfahrungsgemäß schon nah am finalen Ergebnis ist.

Im kleinsten deutschen Bundesland, dem Zwei-Städte-Staat aus Bremen und dem kleineren Bremerhaven, waren rund 463.000 Menschen zur Wahl aufgerufen. Die einst reiche Hansestadt Bremen mit ihrer Tradition von Seefahrern und Kaufleuten hat einen harten Strukturwandel durchlitten und ist heute hoch verschuldet. Der Anteil von Bürgergeld-Empfängern, früher Hartz IV genannt, liegt laut Statistischem Bundesamt im Ländervergleich mit 17,1 Prozent am höchsten, und auch in der Rangliste der besten Bildungssysteme liegt Bremen laut INSM-Bildungsmonitor 2022 auf dem letzten Platz.

Mit 17,8 Prozent hat das Land nach Angaben des Bremer Sozialressorts im Ländervergleich den höchsten Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte unter den Wahlberechtigten - der bundesweite Durchschnitt liegt bei 11,5 Prozent. Doch ist das Land auch ein starker Wirtschaftsstandort - mit seinen Häfen, dem weltweit zweitgrößten Mercedes-Werk und Unternehmen der Luft- und Raumfahrt.

Bovenschulte seit vier Jahren Bürgermeister

SPD-Spitzenkandidat Bovenschulte ist seit vier Jahren Bürgermeister und Präsident des Senats. Der 57-jährige promovierte Jurist war zuvor Bürgermeister der Nachbargemeinde Weyhe in Niedersachsen, aber von 2010 bis 2013 auch Vorsitzender der SPD in Bremen. Der fast zwei Meter große Rockmusik-Fan, genannt «Bovi», gilt als Parteilinker. CDU-Spitzenmann Imhoff ist gelernter Landwirt und Landschaftspfleger und betreibt in fünfter Generation einen Bauernhof im Stadtteil Strom. Der 54-Jährige gehört der Bürgerschaft seit 1999 an.

In der Bundespolitik hatte vor allem die FDP gebannt nach Bremen geblickt, denn sie musste seit der Bundestagswahl 2021 eine wahre Niederlagenserie in den Ländern verkraften. Das hat die Stimmung in der Berliner Ampel-Koalition enorm gereizt.

Die Querelen um die Personalpolitik und das Heizungsgesetz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bekam seine Partei in Bremen nun zu spüren. Für die Linke ist die Bremen-Wahl eine willkommene Abwechslung von der Dauerkrise der Bundespartei.

Für die CDU ist Bremen traditionell kein Heimspiel - im Bund schaut man daher eher auf die im Herbst anstehenden Wahlen in Bayern und Hessen. Dann ist fast ein Viertel der Wahlberechtigten in Deutschland zur Stimmabgabe aufgerufen.

Mehr lesen