Demonstrationen
Bundesregierung fordert Deutsche zur Ausreise aus Iran auf
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«Konkrete Gefahr»: Vor allem Doppelstaatler warnt das Auswärtige Amt. In jüngster Vergangenheit sei es zu einer Vielzahl willkürlicher Verhaftungen ausländischer Staatsangehöriger gekommen.
Angesichts des gewaltsamen Vorgehens der Behörden gegen Proteste im Iran hat die Bundesregierung die Deutschen dort zur Ausreise aufgefordert. «Für deutsche Staatsangehörige besteht die konkrete Gefahr, willkürlich festgenommen, verhört und zu langen Haftstrafen verurteilt zu werden», warnte das Auswärtige Amt am Donnerstag auf seiner Internetseite. Vor allem sogenannte Doppelstaater - also Menschen, die sowohl die deutsche als auch die iranische Staatsangehörigkeit haben - seien gefährdet.
Zuletzt seien es im Iran viele Ausländer willkürlich verhaftet worden, hieß es weiter aus dem Außenministerium in Berlin. Wer sich dort noch aufhalte, solle sich sehr umsichtig verhalten sowie Demonstrationen und andere Menschenansammlungen großräumig meiden. Die Proteste gegen die autoritäre Führung der Islamischen Republik dauern schon seit Mitte September. Auch am Donnerstag gingen sie weiter.
Unklar, wie viele Deutsche sich im Iran befinden
Wie viele Deutsche sich derzeit im Iran aufhalten, ist unklar. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, in einer «Krisenvorsorgeliste» bei der deutschen Botschaft sei eine «niedrige dreistellige Zahl» Deutscher und Familienangehöriger registriert. Da die Aufnahme in eine solche Liste freiwillig ist und keine Meldepflicht besteht, könnten keine genaueren Angaben zur geschätzten Gesamtzahl gemacht werden.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) begründete die Aufforderung auch damit, dass man seit Wochen erlebe, «mit welcher brutalen Gewalt das iranische Regime gegenüber seinen eigenen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern vorgeht». «Wie es auf seine Jugend, auf seine Gesellschaft einprügelt, Menschen dabei zu Tode kommen», sagte die Grünen-Politikerin kurz vor Beginn des Treffens der G7-Außenminister in Münster.
Verletzte bei neuen Protesten
Auch am Donnerstag gingen die Proteste weiter. In Karadsch im Westen der Hauptstadt Teheran gingen zahlreiche Menschen auf die Straßen, wie im Internet verbreitete Videos zeigen. Anlass war das Ende der vierzigtägigen Trauerzeit nach dem Tod der jungen Iranerin Hadis Nadschafi, die Berichten zufolge im September bei Protesten in Karadsch von Sicherheitskräften erschossen wurde. Die Behörden bestreiten dies. Nadschafi ist inzwischen eine der Symbolfiguren der Proteste. Im Islam ist eine Trauerzeit von 40 Tagen üblich.
Bei den erneuten Protesten in Karadsch kam es auch zu gewaltsamen Zusammenstößen. Demonstranten und Sicherheitskräften gerieten aneinander, wie Augenzeugen berichteten. Es gab Berichte über Verletzte auf beiden Seiten. Menschenmassen strömten auf die Straßen - mehrheitlich waren es Frauen. Immer wieder waren Rufe wie «wir kämpfen, wir sterben, wir ertragen keine Erniedrigung» zu hören, wie die Zeugen berichteten. Sicherheitskräfte sollen auf die Demonstranten geschossen und Tränengas eingesetzt haben. Einige setzten sich zur Wehr.
Angriff auf Mullah
Für Aufsehen sorgte eine mutmaßliche Attacke auf einen Geistlichen. Die Nachrichtenagentur Tasnim berichtete, ein Kleriker sei während der Proteste angegriffen und verwundet worden. Ein Bild in den sozialen Medien soll den verletzten Geistlichen auf dem Rücksitz eines Autos zeigen. Die Umstände ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Seit Wochen werden Irans Mullahs als Symbol der autoritären Führung in dem schiitischen Staat kritisiert.
Irans Oberster Religionsführer Ali Chamenei hatte die Proteste kürzlich als «hybriden Krieg» bezeichnet und «heimtückische und böswillige europäische Mächte» dafür verantwortlich gemacht.
Auslöser der Proteste war der Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verstoßen haben soll. Die Frau starb Mitte September in Polizeigewahrsam. Seit fast sieben Wochen demonstrieren Zehntausende gegen die repressive Politik und den autoritären Kurs. Mehr als 280 Menschen wurden nach Angaben von Menschenrechtlern getötet, mehr als 14.000 verhaftet.