Gegendemonstration
Demos in Kassel: Polizeieinsatz wird kritisiert
Demos in Kassel: Polizeieinsatz wird kritisiert
Demos in Kassel: Polizeieinsatz wird kritisiert
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In Kassel sind gestern nicht nur Kritiker der Corona-Maßnahmen, sondern auch Befürworter auf die Straße gegangen. Ausgerechnet sie wurden jedoch aggressiv und gewaltsam von der Polizei attackiert.
Nach der Demonstration gegen Corona-Auflagen von mehr als 20.000 Menschen mit gewalttätigen Auseinandersetzungen am Samstag in Kassel wird Kritik an dem Polizeieinsatz laut.
Bei dem Protest wurden massiv die gerichtlich bestätigten Auflagen missachtet, die eigentlich nur 6000 Teilnehmer auf einem Doppelplatz in der Peripherie zugelassen hatte. Viele Teilnehmer hielten sich nicht an die Auflage, Mund- und Nasenschutz zu tragen. Die Polizei war mit einem Großaufgebot präsent, an einigen Orten mit Wasserwerfern. Selten versuchte sie die Regeln durchzusetzen, bei den nicht genehmigten Umzügen um den Stadtkern hielt sie sich zurück.
«Der Staat darf nicht zurückweichen und die Polizei muss konsequent dagegen vorgehen», sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, der «Welt». Der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle sagte der Zeitung: «Wenn dann, wie in Kassel, Regeln nicht eingehalten werden, weil Teilnehmer Abstände nicht einhalten, keine Masken tragen oder sich trotz Verbots an bestimmten Plätzen versammeln, muss die Polizei konsequent handeln und eine Versammlung umgehend beenden.»
Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) kündigte am Sonntag eine gründliche Nachbereitung des Einsatzes an. «Kurz nach dem Einsatz lässt sich festhalten, dass Eskalationsversuche sowie Gewalt gegen die Einsatzkräfte nicht hingenommen und entschlossen unterbunden wurden.»
Während eines illegalen Demonstrationszuges durch die Innenstadt kam es am Samstagmittag zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten und mit der Polizei. Die Polizeiführung hatte ihr Vorgehen verteidigt. Der Verzicht auf Zwangs- und Verfolgungsmaßnahmen sei notwendig und angemessen gewesen. Ein anderes Vorgehen hätte zu Verletzten führen können.
Bei den Auseinandersetzungen seien mehrere Beamte angegriffen worden, erklärte ein Polizeisprecher. Auch Journalisten wurden angegangen und beschimpft. Die Polizisten setzten den Angaben zufolge Schlagstöcke und Pfefferspray ebenso ein wie den Wasserwerfer. Es habe rund ein Dutzend Festnahmen gegeben.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion in Hessen, Günter Rudolph, sagte, es sei «ein absolut unverständliches Zurückweichen des Staates» gewesen. Das Einsatzkonzept der Polizei sei offenkundig gescheitert. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Holger Bellino, nahm die Polizei in Schutz. Auch Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) stellte sich vor die Einsatzkräfte. «Der Polizei vor Ort ist aus meiner Sicht kein Vorwurf zu machen.» Die Stadt sei am Samstag von Querdenkern und Trittbrettfahrern regelrecht überflutet worden. Nahezu die gesamte Menschenmasse sei aus dem gesamten Bundesgebiet und auch aus dem Ausland in die Stadt gekommen.
Das Internationale Auschwitz Komitee sieht durch die Querdenkerbewegung die Demokratie in Gefahr. Sie würden für die Gesellschaft zu einer Gefahr, zumal die Polizei offensichtlich diese Bewegung in ihrem bürgerlichen Erscheinungsbild nicht hinreichend ernst nehme und trotz gerichtlicher Vorgaben Milde und Rücksicht walten lasse, sagte der Exekutiv-Vizepräsident des Komitees, Christoph Heubner. Die Polizei schien insgesamt unzureichend auf die Vorkommnisse vorbereitet gewesen zu sein, sagte der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands-Hessen, Knud Zilian. Wenn das widerrechtliche Handeln der Demonstranten schon nicht unterbunden wurde, so hätten zumindest auch Journalisten geschützt werden müssen.
Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) kündigte nach mehreren Videos, die aggressive Einsätze Thüringer Polizisten bei der Demonstration zeigen, Konsequenzen an. «Selbstverständlich wird der Einsatz kritisch nachbereitet. Auch mir stellen sich aufgrund der Bilder drängende Fragen», schrieb der SPD-Politiker auf Twitter. Das Video zeigt Polizisten, wie sie aggressiv und gewaltsam gegen eine Gegendemonstrantin mit Fahrrad vorgehen. Auch andere Videos zeigten, wie Polizisten gewaltsam gegen Gegendemonstranten vorgehen.
Am Nachmittag ging es bei dem Protest friedlicher zu. Die Demonstranten waren bunt gemischt: Familien, Querdenker, Selbstständige, Verschwörungstheoretiker, Hippies und Impfgegner. Wer genau zu welchem Lager gehörte, war nur zu erahnen: Regenbogen-Fahnen wehten neben Flaggen verschiedenster Länder, «Merkel muss weg»-Transparente standen neben «Gegen-Rassismus»-Schildern.
Die hessischen Polizisten erhielten Unterstützung aus Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Rheinland-Pfalz. Auch die Bundespolizei und ein Hubschrauber waren im Einsatz. Zu der Demonstration hatten Veranstalter unter dem Motto «Freie Bürger Kassel - Grundrechte und Demokratie».
Demonstriert werden durfte laut Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) nur auf dem Messegelände Schwanenwiese mit bis zu 5000 Teilnehmern und dem angrenzenden Platz der Deutschen Einheit mit maximal 1000 Menschen. Die nordhessische Stadt hatte die Versammlungen wegen der zuletzt steigenden Zahl von Corona-Infektionen zunächst verboten.