Extremismus

Ermittler gehen gegen rechtsextremistische Gruppen vor

Ermittler gehen gegen rechtsextremistische Gruppen vor

Ermittler gehen gegen rechtsextremistische Gruppen vor

dpa
Karlsruhe
Zuletzt aktualisiert um:
Einsatzfahrzeuge der Polizei während der Razzia. Foto: Philipp von Ditfurth/dpa/Symbolfoto

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Es ist ein großer Schlag gegen die rechte Szene: Bei Razzien in elf Bundesländern werden vier Männer festgenommen, gegen Dutzende Beschuldigte ermittelt der Generalbundesanwalt.

Mehr als 800 Polizisten sind mit bundesweiten Razzien gegen mehrere rechtsextremistische Gruppierungen vorgegangen. Vier mutmaßliche Führungsmitglieder einer Kampfsportgruppe im thüringischen Eisenach wurden festgenommen, wie die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mitteilte.

Die Durchsuchungen in elf Bundesländern richteten sich gegen insgesamt 50 Beschuldigte. Darunter sind auch mutmaßliche Mitglieder der «Atomwaffen Division Deutschland» (AWDD), der Internet-Chatgruppe «Sonderkommando 1418» (SKD 1418) und der 2020 verbotenen Gruppierung «Combat 18».

Den vier Festgenommenen wird die Mitgliedschaft in einer rechtsextremistischen kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Dabei handelt es sich um die Kampfsportgruppe «Knockout 51», die nach den Erkenntnissen der Ermittler «unter dem Deckmantel des gemeinsamen körperlichen Trainings junge, nationalistisch gesinnte Männer anlockt, diese bewusst mit rechtsextremem Gedankengut indoktriniert und für Straßenkämpfe ausbildet». Trainiert wurde den Angaben zufolge in den Räumlichkeiten der Landeszentrale der rechtsextremen NPD, dem «Flieder Volkshaus» in Eisenach. Auch hier gab es Durchsuchungen.

«Auf Begehung von erheblichen Straftaten ausgerichtet»

Der mutmaßliche Anführer, der nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur 24 Jahre alt ist, soll diese Trainings geleitet haben. Laut Bundesanwaltschaft ist «Knockout 51» «auf die Begehung von erheblichen Straftaten ausgerichtet». Dabei gehe es vor allem um Gewalt gegen Menschen aus der linken Szene, aber auch gegen die Polizei. Mitglieder der Gruppe hätten versucht, in Eisenach einen sogenannten Nazi-Kiez unter ihrer Kontrolle zu schaffen. Auf «Kiezstreife» hätten die vier Festgenommenen zwischen Februar 2021 und Januar 2022 mehrfach Menschen schwer verletzt.

Mitglieder von «Knockout 51» sollen auch an Protesten gegen die Corona-Maßnahmen teilgenommen haben, unter anderem in Leipzig und Kassel. Dort sei es zu gewalttätigen Zusammenstößen gekommen.

Prüfung auf Untersuchungshaft

Drei der Männer wurden in Eisenach gefasst, der vierte im hessischen Rotenburg an der Fulda. Sie sollen heute noch und morgen am Karlsruher Bundesgerichtshof einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. Dieser entscheidet, ob sie in Untersuchungshaft kommen.

Laut Bundesanwaltschaft war der Hauptbeschuldigte bei 2019 eingeleiteten Ermittlungen gegen die «Atomwaffen Division Deutschland» und das «Sonderkommando 1418» in den Blick geraten. Durch seine Kontakte seien die Ermittler wiederum darauf gestoßen, dass das Verbot von «Combat 18» unterlaufen werde. In diesem Zusammenhang werde mittlerweile gegen 21 Beschuldigte in ganz Deutschland ermittelt. Unter anderem habe es mehrere Zusammenkünfte gegeben, bei denen eine Art Aufnahmeprüfung abgehalten wurde.

Zehn weitere Beschuldigte sollen sich dem deutschen Ableger der 2015 in den USA gegründeten «AWD» angeschlossen oder diesen unterstützt haben. Die Gruppe trete «offen rassistisch, antisemitisch und nationalsozialistisch sowie extrem gewaltverherrlichend» auf. Ziel sei die Entfachung eines «Rassenkriegs» durch Anschläge und Morde.

Beim «SKD 1418» handelt es sich den Angaben zufolge um eine Internet-Chatgruppe, die zwischen Herbst 2019 und Februar 2020 aktiv gewesen sein soll. Auch hier soll es den Anhängern darum gegangen sein, «Anhänger für terroristische Anschläge zum "Rassenkrieg" und zur Zerstörung bestehender demokratischer Systeme unter Ersetzung durch ein neofaschistisches System zu gewinnen». In diesem Zusammenhang werde gegen fünf Personen ermittelt.

Schwerpunkt der Razzia in Thüringen

Durchsuchungen fanden auch in Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Baden-Württemberg statt. Der Schwerpunkt lag laut Bundesanwaltschaft aber in Thüringen.

Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang sagte der dpa in Berlin, die Durchsuchungen seien «ein wichtiger Schlag gegen die gewaltbereite rechtsextremistische Szene und ein großer Erfolg der Sicherheitsbehörden». Durch die intensive und koordinierte Zusammenarbeit der beteiligten Behörden habe ein wesentlicher Beitrag zur Zerschlagung von rechtsextremistischen Netzwerken und Aufklärung der so genannten «Siege»-Szene geleistet werden können. «Siege» bedeutet im Englischen Belagerung. Die Szene verbreitet laut Verfassungsschutz über das Internet global rechtsextremistische Terrorpropaganda und will einen Bürgerkrieg auslösen.

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