Interview mit Karin Prien

Frauen in der Politik: „Männer müssen Platz machen“

Frauen in der Politik: „Männer müssen Platz machen“

Frauen in der Politik: „Männer müssen Platz machen“

Kay Müller/shz.de
Kiel
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Will mehr Frauen in Führungspositionen bringen: Karin Prien (CDU) Foto: Michael Staudt

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Die stellvertretende CDU-Landesvorsitzende über Frauen in der Politik und wo ihre Partei da besser werden muss.

Karin Prien kommt für das Gespräch aus dem Landtag. Die 55-Jährige hat sich gerade Vorwürfe, ja sogar eine Rücktrittsforderung der Opposition wegen ihrer Schulpolitik anhören müssen. Da ist die Bildungsministerin froh als stellvertretende Landesvorsitzende der CDU mal über ein anderes Thema als Corona zu reden. Doch auch die Rolle, die Frauen in der Politik spielen, macht Prien nicht nur Freude.

Frau Prien, sind Sie als CDU-Politikerin manchmal neidisch auf die Grünen?

Ich habe die Grünen bei aller Unterschiedlichkeit in der Zusammenarbeit sehr schätzen gelernt. Wenn Sie aber auf das Thema Quotierung anspielen...

...das tue ich...

...dann hat das manchmal für mich auch skurrile Seiten. Ich erinnere mich an meine Zeit in der Hamburger Bürgerschaft als die Grünen sogar die Redezeiten zwischen männlichen und weiblichen Parlamentariern quotiert haben. Davon halte ich nicht viel.

Aber dass die Grünen es geschafft haben, in großer Selbstverständlichkeit Männer und Frauen gleichgestellt zu berücksichtigen, das ist eine enorme Leistung – und das wünsche ich mir auch für die CDU.

In der Union ist es gerade bei der Aufstellung von Listen wie jetzt für die Bundestagswahl damit nicht weit her. Sie haben in dieser Woche gerade die Liste der CDU in Sachsen-Anhalt als „Armutszeugnis“ bezeichnet, weil dort nur eine Frau auf den ersten neun Plätzen kandidiert.

Ja, und das würde ich auch immer wieder so sagen, weil ich finde, dass das das für eine Volkspartei inakzeptabel ist.

Frauen haben eben einen geborenen Nachteil, denn sie kümmern sich in der Regel mehr als die Männer um Familie und Beruf.

Karin Prien, stellvertretende CDU-Vorsitzende

Was muss sich ändern?

Entweder schafft es politische Führung, Gleichstellung zu realisieren – oder wir brauchen eben die Quote. Anders gesagt: Entweder schafft man es freiwillig oder durch ein Instrument, das sicher nicht elegant, aber auf Dauer erfolgsversprechend ist.

Die CDU im Norden stellt ja auch gerade Listen auf. Was muss denn passieren, dass etwa mehr als vier Frauen für die CDU in den Landtag einziehen?

Man muss auf allen Ebenen die Verantwortlichen davon überzeugen, dass eine Volkspartei nur erfolgreich sein kann, wenn sie Frauen und Männer gleichberechtigt und paritätisch berücksichtigt.

Warum klappt das bei der CDU nicht? Bei anderen Parteien wie der SPD geht das doch auch – und die Grünen reden sogar über eine Kanzlerkandidatin...

...na ja, wir haben seit 16 Jahren eine Bundeskanzlerin...

...ich hörte davon.

Ja, aber wir haben auch eine Vorsitzende der EU-Kommission und hatten eine Parteivorsitzende. Im Ergebnis gelingt es der Union also schon, Frauen in Führungspositionen zu bringen.

Muss als Bildungsministerin gerade viel Kritik einstecken: Karin Prien. Foto: Carsten Rehder/dpa

Aber nun ist die Parteivorsitzende schon abgetreten, die Kanzlerin folgt im Herbst. Das falsche Signal?

So normal es sein muss, dass eine Frau an der Spitze steht, so normal muss es auch sein, dass es dann wieder ein Mann wird. Da haben Frauen kein Abonnement auf Spitzenpositionen.

In den Parlamenten sind Sie davon aber weit entfernt.

Da haben Sie recht, das ist nicht zufriedenstellend. Frauen haben eben einen geborenen Nachteil, denn sie kümmern sich in der Regel mehr als die Männer um Familie und Beruf. Wenn mit der Politik ein dritter Lebensbereich dazu kommt, ist das für viele eine harte Nummer: Ich weiß, wovon ich rede. Und wenn man dann als Frau das Gefühl hat, dass man nicht mit offenen Armen empfangen wird, wenn man Ämter anstrebt, führt das sicher nicht dazu, dass Frauen sich in einer Partei engagieren wollen.

Was wollen Sie dagegen tun?

Wir müssen Frauen, die nicht fünfmal in der Woche ihre Zeit in irgendwelchen Sitzungen verbringen können zeigen, dass sie willkommen sind – und dass wir ihren Sachverstand und ihre Erfahrung brauchen und wollen. Und natürlich müssen Männer Platz machen. Man kann ja eine Position nur einmal besetzen.

Sie sind seit über zwei Jahren stellvertretende Parteivorsitzende in Schleswig-Holstein. Müssen Sie da nicht mehr tun als immer nur warme Worte sprechen?

Meine Aufgabe ist wie die des Landesvorsitzenden Daniel Günther und des gesamten Vorstandes, für diese Position zu werben. Wir befinden uns auch da im politischen Wettbewerb: Manche gehen damit besser um, wie Sie ja richtig gesagt haben. Wir müssen klar machen, dass es eine Frage des Erfolges für die gesamte Partei ist, ob und wie wir Frauen willkommen heißen und aufstellen.

Es gibt eine schöne Studie aus Schweden, die belegt, dass mehr Frauen in Parteien nicht die guten Männer verdrängen, sondern nur die mittelmäßigen.

Karin Prien, stellvertretende CDU-Vorsitzende

Müssen Sie Frauen selbst stärker motivieren, sich gegen Männer durchzusetzen? Trauen die sich genug?

Ich glaube bei den ganz jungen Frauen funktioniert das gut. Wir haben ja gerade drei von ihnen in den Bundesvorstand der CDU gewählt. Bei den Frauen ab 30 Jahren aufwärts und erst recht in meiner Generation fehlt es manchmal noch an Mut, Selbstbewusstsein und auch an der dicken Haut, die man in der Politik bisweilen haben muss.

Aber natürlich müssen wir Frauen noch mehr motivieren, zu kandidieren – und auf der anderen Seite den Männern klar machen, dass zumindest frei werdende Wahlkreise mit Frauen besetzt werden müssen. Es gibt eine schöne Studie aus Schweden, die belegt, dass mehr Frauen in Parteien nicht die guten Männer verdrängen, sondern nur die mittelmäßigen.

Nun besetzen Sie nach etlichen Querelen in der CDU Neumünster selbst einen Wahlkreis. Wollen Sie damit Frauen auch Mut machen?

Ich bewerbe mich um die Aufstellung als Kandidatin, und das ist auf jeden Fall ein Zeichen. Denn die Musik spielt in den Wahlkreisen...

...weil bei den letzten beiden Landtagswahlen über die Liste niemand direkt ins Parlament gekommen ist. Da können Sie so viele Frauen aufstellen wie sie wollen.

Das stimmt, ja. Und das wissen ja auch alle.

Warum sollten Männer auf aussichtsreiche Kandidaturen verzichten?

Weil es um die Wählbarkeit und den Erfolg der ganzen Partei geht. Wir müssen glaubwürdig die Lebensrealität von Frauen abbilden. Und jetzt muss ich doch einmal auf Corona kommen...

...aber nur wenn es unbedingt sein muss...

...denn in der Pandemie sind es vor allem die Frauen, die durch Home-Care, Home-Schooling und Home-Office dreifach belastet sind. Deshalb ist es wichtig, dass Frauen, die das leben, Politik in den Parlamenten machen.

Wenn das nicht passieren sollte – wird die CDU dann gesellschaftlich abgekoppelt?

Gut möglich. Wenn wir dauerhaft in allen Wählerschichten erfolgreich sein wollen, müssen wir uns wandeln. Und da ist die stärkere und selbstverständliche Teilhabe von Frauen überlebenswichtig für die CDU.

Was ändert sich denn in den Gremien der Parteien, wenn zunehmend Frauen dabei sind?

Frauen neigen weniger dazu, sich zu produzieren. Sie arbeiten in der Regel stärker an der Sache. Frauen setzen mehr auf Verständigung, Ausgleich und Kompromiss. Das ist meiner Ansicht nach meist der richtige Stil, den Männer auch immer mehr übernehmen. Nach meiner Erfahrung tut das gemischten Teams unheimlich gut. Das ist auch in Unternehmen so: Die Arbeit wird einfach besser durch Diversität – nicht nur wenn es mehr Frauen und Männer gibt.

Es ist gut wenn wir mehr Frauen als Ministerpräsidenten wählen.

Karin Prien, stellvertretende CDU-Vorsitzende

Braucht es als Signal auch an der Spitze der Fraktion oder der Regierung in Schleswig-Holstein eine Frau?

Es ist gut wenn wir mehr Frauen als Ministerpräsidenten wählen. Aber bei diesen absoluten Führungspositionen muss es darum gehen, wer am Ende am besten geeignet ist das Land zu führen und natürlich auch den größten Erfolg für die Partei bringen kann.

Bei der Union sieht es so aus als wenn der Erfolg mit den Grünen kommt, die eben die Frauen besser in Führungspositionen bringen...

...sicher haben wir viele Themen, die wir gut gemeinsam bearbeiten: Die CDU ist dabei wichtig, weil wir die Gesellschaft gut mitnehmen können wenn es um große Veränderungsprozessen geht. Das vergessen die Grünen manchmal. Wenn wir daher die großen Zukunftsthemen in Schleswig-Holstein erfolgreich anpacken wollen, ist die Kombination von schwarz und grün nicht die schlechteste – wobei ich auch die Liberalen durchaus als Bereicherung empfinde.

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