Klimaschutz

Gericht: Bundesregierung muss mehr für saubere Luft tun

Gericht: Bundesregierung muss mehr für saubere Luft tun

Gericht: Bundesregierung muss mehr für saubere Luft tun

dpa
Berlin
Zuletzt aktualisiert um:
Die Bundesregierung muss nach der Gerichtsentscheidung mehr für bessere Luft tun. (Symbolbild) Foto: Michael Kappeler/dpa

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Die Deutsche Umwelthilfe fordert von der Bundesregierung mehr Anstrengungen für das Klima und saubere Luft. Dafür zieht sie immer wieder vor Gericht. Und wieder einmal mit Erfolg.

Weitere Klatsche für die Ampel-Koalition im Ringen um mehr Umwelt- und Klimaschutz: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Bundesregierung zu Änderungen ihres Nationales Luftreinhalteprogramms verurteilt. Die Maßnahmen reichten nicht in allen Punkten aus, um die europäischen Ziele bei der Reduzierung des Ausstoßes von Luftschadstoffen zu erreichen, so das Gericht. (Az.: 11 A 16.20)

Die dem Programm zugrunde liegenden Prognosen seien teilweise fehlerhaft, weil etwa nicht die aktuellsten Daten berücksichtigt worden seien, erklärte die Vorsitzende Richterin Ariane Holle. Damit hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) erneut - zumindest teilweise - erfolgreich gegen die Bundesregierung geklagt. 

Umwelthilfe: «Guter Tag für saubere Luft»

«Das ist ein wirklich guter Tag für die saubere Luft in Deutschland», sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. «Zum ersten Mal wurde die Bundesregierung dazu verurteilt, wirklich wirksame zusätzliche Maßnahmen für die Reduktion von fünf Luftschadstoffen zu beschließen und umzusetzen - und zwar schon für das Jahr 2025», so Resch. Aus dem Urteil ergibt sich nach Angaben einer Gerichtssprecherin diese Jahreszahl nicht konkret. Das Programm müsse allerdings aktuell angepasst werden.

Konkret geht es um das 2019 beschlossene und im Mai 2024 aktualisierte Programm mit zahlreichen Maßnahmen, mit denen Deutschland die europäischen Ziele bei der Reduzierung des Ausstoßes von Luftschadstoffen erreichen will. Dabei geht es um Ammoniak, Feinstaub, Schwefeldioxid und Stickstoffoxid. Die DUH hatte geklagt, weil das Programm aus ihrer Sicht ungenügend war. 

Diskussion um Tempo-Limit

Die aktuelle Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung ließen die Berliner Richter eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu. Resch äußerte jedoch die Hoffnung, dass es bald zu Gesprächen mit den Bundesministerien für Verkehr, Bauen und Umwelt kommt. Um kurzfristig den Ausstoß von Stickstoffoxid deutlich zu reduzieren, sei ein Tempo-Limit auf den Autobahnen nötig.

Die FDP-Fraktion im Bundestag erteilte dem eine Absage. «Forderungen wie Fahrverbote sind umweltpolitische Maßnahmen auf dem Rücken der Bevölkerung und wird es mit den Freien Demokraten in der Bundesregierung nicht geben», so Fraktionsvize Carina Konrad. 

Das Bundesumweltministerium kündigte an, das Urteil «umfassend» zu prüfen, sobald es schriftlich vorliegt. Eine Sprecherin betonte, die DUH-Klage, sei nur zum Teil erfolgreich gewesen. Die Organisation hatte juristisch erzwingen wollen, dass eine jährliche Reduktion von Schadstoffen festgeschrieben wird. Dazu wurde die Bundesregierung nicht verpflichtet.

Vorzeitige Todesfälle durch Schadstoffe in der Luft

Schadstoffe in der Luft stellen eine große Gefahr für die Gesundheit dar und führen zu etlichen frühzeitigen Todesfällen und Erkrankungen wie Asthma oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Nach aktuellen Schätzungen der Europäischen Umweltagentur (EUA) sind im Jahr 2020 mindestens 238.000 Menschen vorzeitig gestorben, weil sie einer hohen Konzentration von Feinstaubpartikeln ausgesetzt waren. Die Stickstoffdioxid-Belastung führte demnach zu 49.000 und erhöhte Ozonwerte zu 24.000 vorzeitigen Todesfällen. 

In Deutschland sterben laut DUH jährlich rund 28.000 Menschen vorzeitig aufgrund von Stickstoffdioxid und 68.000 Menschen aufgrund von Feinstaubpartikeln. Feinstaub entsteht etwa durch Emissionen aus Kraftfahrzeugen und Kohlekraftwerken. 

Umwelthilfe zieht immer wieder vor Gericht 

Die Umwelthilfe geht mit diversen Klagen gegen die Klima- und Umweltpolitik der Bundesregierung vor. Erst Mitte Mai hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) entschieden, dass die Bundesregierung ihr Klimaschutzprogramm nachschärfen muss, die Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig. Zuletzt reichte die Umwelthilfe im Juli beim Bundesverfassungsgericht gegen das umstrittene Klimaschutzgesetz der Bundesregierung eine Verfassungsbeschwerde ein. 

Gericht: Fehler bei Prognosen

Die aktuelle Klage der Organisation ist bereits aus dem Jahr 2020 anhängig. Im Verlauf des Gerichtsverfahrens hat es die Bundesregierung angepasst. Aus Sicht der Umwelthilfe reicht das aber nicht aus. Das aktuelle Programm basiere auf Emissionsprognosen von 2021. Es seien Maßnahmen einbezogen worden, die dann abgesagt oder abgeschwächt wurden.

Das Gericht folgte der Argumentation in vielen Punkten. So sei der Klimaschutz-Projektionsbericht 2023 vom August 2023 nicht berücksichtigt worden, kritisierte der 11. Senat. «Dem Luftreinhalteprogramm kommt eine wichtige Steuerung zu», betonte Richterin Holle. Die Bemühungen dürften nicht eingestellt werden. 

Der Senat beanstandete mehrere Fehler bei der Prognose für das Programm. So sei unter anderem die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes vom September 2023 nicht berücksichtigt worden. Diese erlaube aber den Betrieb von Holzpelletheizungen, die zu einer stärkeren Luftverschmutzung mit Feinstaub führen. 

Außerdem sei beim Thema Kohleverstromung noch davon ausgegangen worden, dass bis Ende 2029 alle Kohlekraftwerke vom Netz gehen würden. Bezüglich des Verkehrs liege ein Prognosefehler vor, weil nicht berücksichtigt wurde, dass die staatliche Förderung für den Kauf von Elektrofahrzeugen zwischenzeitlich gestoppt wurde. 

 

 



 

 

 

 

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