Beratungsstellen

Kampf gegen Antisemitismus in SH: Berater fürchten um Jobs

Kampf gegen Antisemitismus in SH: Berater fürchten um Jobs

Kampf gegen Antisemitismus in SH: Berater fürchten um Jobs

Kay Müller
Kiel
Zuletzt aktualisiert um:
Teilnehmer von pro-israelischen Demonstrationen berichten laut der Informations- und Dokumentationsstelle Antisemitismus in Schleswig-Holstein vermehrt von Übergriffen. Foto: dpa

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Wenn Juden verfolgt und es anti-israelische Übergriffe gibt, schreiten sie ein. Trotz einer Versechsfachung der Beratungszahlen wissen die Fachkräfte nicht, wie sie im kommenden Jahr noch ihren Job machen können.

Joshua Vogel weiß manchmal aus zwei Gründen nicht, wo ihm der Kopf steht. Zum einen verzeichnet der Leiter der Informations- und Dokumentationsstelle Antisemitismus des Vereins Zentrums für Betroffene rechter Angriffe (Zebra) seit Ausbruch des Nahostkonfliktes eine Versechsfachung der bei ihm gemeldeten antisemitischen Vorfälle. Denn die Sensibilität für Antisemitismus steigt – ebenso wie die Anfeindungen gegen Juden und pro-israelische Demonstranten. „Denen werden die Fahnen geklaut, sie werden bedrängt und bespuckt“, sagt Vogel, der Betroffenen weiter seine Hilfe anbietet.

Und gleichzeitig wissen weder er noch seine Kollegin, die ebenfalls eine 30-Stunden-Stelle hat, ob sie ab Januar noch einen Job haben. „Ich habe keinen Zweifel, dass wir weitere Unterstützung für unsere Arbeit geben wird“, sagt Vogel. „Aber ich habe das eben nicht bestätigt und weiß nicht, ob die Ausstattung bedarfsgerecht sein wird.“

So wie Vogel geht es auch anderen Beratungsstellen in Schleswig-Holstein, die eine projektgebundene Förderung des Landes bekommen. Das bedeutet, dass die Träger jedes Jahr wieder einen Antrag stellen müssen, um eine Förderung des Landes zu bekommen. „Wir sind aber kein Projekt, das irgendwann anfängt und irgendwann endet“, sagt Vogel, der fürchtet, dass die Landesförderung wegen der klammen Haushaltslage für einige Projekte zusammengestrichen werden könnte. Und selbst wenn das Land seine Unterstützung aufrechterhalten sollte, leben die Mitarbeiter bis zur Verabschiedung des Haushalts im kommenden Jahr in Unsicherheit.

Das betrifft auch andere Organisationen. Schleswig-Holstein. „Die drohenden Kürzungen sowie der verspätete Haushaltsentwurf werden für viele soziale Strukturen das Aus bedeuten und den sozialen Frieden in der Gesellschaft massiv gefährden“, sagt Michael Saitner, Geschäftsführer des Paritätischen, der als Dachverband rund 500 soziale Organisationen in ganz Schleswig-Holstein vertritt. „Viele Angebote sind aufgrund von Projektförderungen seit Jahren nicht langfristig planbar, eine Verstetigung unmöglich.“ Saitner.

Das weiß auch Stefanie Kohlmorgen, Geschäftsführerin des Vereins Frauennetzwerk zur Arbeitssituation, der Frauen im Erwerbsleben fördert und sich für Chancengerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt einsetzt: „Nicht nur, dass die Anträge und Dokumentationen in den Projekten immer aufwändiger werden und damit weniger Zeit für die inhaltliche Arbeit zur Verfügung steht – aus der Finanzierungslücke entstehen auch erhebliche Personallücken. Und diese lassen sich aktuell nicht mehr so leicht schließen.“

Wenn Mitarbeiter keine gesicherte Perspektive hätten, schauten sie sich eben nach anderen Jobs um. Andrea Dallek, Geschäftsführerin des Vereins Haki kennt die prekären Arbeitsverhältnisse nur zu gut: „Wir werden landesweit von Schulen, Beratungs- und Fachstellen, Einrichtungen und Einzelpersonen zu Hinweisen, Fortbildungen und Beratungen im Themenbereich geschlechtliche Vielfalt angefragt.“ Dabei bekomme der Verein über staatliche Förderung nur 3,7 Stellen finanziert, die sich fünf Teilzeitkräfte und fünf Minijobber teilten. „Durch die angekündigten Kürzungen und die verzögerte Haushaltsverabschiedung sind nicht nur Projektmittel unsicher, auch im Bereich der institutionellen Förderung haben wir keine Planungssicherheit mehr – und das in einem gesamtgesellschaftlich äußerst relevanten Themenbereich, in dem die Bedarfe an Information und Unterstützung schon jetzt spürbar steigen.“

Am Ende hängt es am Geld. Im Falle von Joshua Vogel und seiner Kollegin sind es Personalkosten von 105.348,20 Euro für 2024, die das Land zahlen müsste, wenn es die Beratungen der Informations- und Dokumentationsstelle Antisemitismus weiter halten will.

Land verweist auf Haushaltsberatungen

Das Land sieht laut der Sprecherin von Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) „die Herausforderungen, vor denen die Vereine bezüglich der angespannten Haushaltslage stehen. Wir wollen schnellstmöglich Planungssicherheit geben.“ Die Regierung werde sich damit intensiv in den bevorstehenden Haushaltsberatungen befassen, der Landtag dann im Frühjahr. „Aufgrund dessen bitte ich um Verständnis, dass wir diesen Beratungen nicht vorgreifen werden“, so die Sprecherin weiter.

Ähnliche Töne gibt es aus dem Innenministerium von Sabine Sütterlin-Waack (CDU), die die Arbeit von Zebra lobt und auch die Informations- und Dokumentationsstelle Antisemitismus über das Jahresende hinaus fördern will: „Eine Erstellung des Zuwendungsbescheides für 2024 ist momentan in der Bearbeitung, und der Bescheid wird zeitnah versendet.“ Wie hoch der sein wird, bleibt unklar.

Vogel wartet sehnsüchtig darauf, nicht nur, damit er seinen Job behält, sondern damit Menschen in Not geholfen wird. Denn der Antisemitismus höre nicht auf. Eigentlich hat Vogel ein Ziel: „Am liebsten möchte ich meinen Job überflüssig machen“, sagt der Pädagoge. Nur ist das eben in absehbarer Zeit nicht in Sicht.

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