Süderoogsand

Schiffswrack der „Ulpiano“ wieder aufgetaucht

Schiffswrack der „Ulpiano“ wieder aufgetaucht

Schiffswrack der „Ulpiano“ wieder aufgetaucht

Ingo von Oven/shz.de
Nordfriesland
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Vom Flugzeug aus gut zu sehen: die bei Niedrigwasser erkennbaren Überreste der spanischen Dreimastbank. Foto: Ingo von Oven

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Die drei großen Außensände Japsand, Norderoogsand und Süderoogsand haben eine Vielzahl gestrandeter Schiffe verschlungen.

Zu den wohl gefährlichsten Schifffahrtswegen an der deutschen Nordseeküste zählen im Westen Schleswig-Holsteins die Gewässer vor den Inseln und Halligen. Ständig in Bewegung wandern Priele und Watten verändern permanent ihre Lage.

 

So auch die drei großen, wie ein Bollwerk von Nord nach Süd ausgerichteten Außensände Japsand, Norderoogsand und Süderoogsand, die sich alljährlich durch Sturmfluten und heftige Westwinde bis zu 40 Meter nach Osten bewegen und eine größere Anzahl von gestrandeten Schiffen verschlungen und wieder freigegeben haben. Seit 1600 sollen dort allein 800 registrierte Schiffe aufgelaufen sein.

 

Die drei großen Außensände Japsand, Norderoogsand und Süderoogsand bewegen sich alljährlich durch Sturmfluten und heftige Westwinde bis zu 40 Meter nach Osten und haben schon so einige aufgelaufene Schiffe verschlungen. Foto: Ingo von Oven

Auf der Jungfernfahrt gestrandet

Am Spektakulärsten gilt wohl die Strandung der spanischen Dreimastbark „Ulpiano“. Ausgerechnet am Heiligen Abend des Jahres 1870 geriet das noch nicht beladene Segelschiff in einen schweren Sturm und driftete auf ihrer Jungfernfahrt von Sunderland im Nordosten Englands auf dem Wege nach Southampton auf den Süderoogsand.

Die zwölfköpfige Besatzung konnte sich nach wenigen Tagen auf die benachbarte Hallig Süderoog retten. Chronisten erzählen, dass die Halligleute der Besatzung auf halbem Wege entgegenkamen und sie trotz starker Eisschollen die schützende Warft erreichten. Zehn Wochen lang verbrachte die Mannschaft auf der Hallig, bevor sie nach Besserung der Witterungsverhältnisse ihre Rückkehr in die Heimat antreten konnte.

 

 

Spanische Musik auf Föhr

In dieser Zeit, so heißt es, soll der 18-jährige Sohn der Halligfamilie Paulsen von den Seeleuten im Gitarrenspiel unterrichtet worden sein und in späteren Jahren in Oevenum auf der Insel Föhr eine Kneipe eröffnet haben, in der man zeitweise andalusische Gitarrenmusik und spanische Lieder hören konnte.

Nach kurzer Zeit versandete die Ulpiano restlos und wurde dann plötzlich im Jahr 2012 von der Pellwormer Schifferfamilie Hellmann wieder entdeckt und von Vermessungstechnikern und Archäologen genauestens untersucht. Das Stahlgerippe des 42 Meter langen und acht Meter breiten Schiffsrumpfes schaute fast vollständig aus dem Sand hervor. Der einmalige Anblick verleitete den damaligen Archäologen Dr. Hans-Joachim Kühn vom Archäologischen Landesamt zu dem Ausspruch: „Die Dinge ändern sich hier draußen sehr schnell. Was wir heute hier sehen, sehen wir so nie wieder.“

 

Das Wrack ist wieder aufgetaucht

Er soll damit nicht ganz Unrecht gehabt haben. Das Wrack verschwand in den folgenden Jahren im weichen Nordseesand und war nicht mehr zu sehen. Seit letztem Herbst jedoch fiel aufmerksamen Piloten vom Flugzeug aus das Schiffswrack wieder auf, vom Sand teilweise freigegeben unweit der Stelle, wo die zuletzt gebaute Holzbake mit Leuchtfeuer im Sommer 2017 abgebaut werden musste. Starke Erosionen hatten das im Brandungsbereich stehende Holzgerüst stark auskolken lassen. Es lief Gefahr, durch die Nordseefluten endgültig zerstört zu werden und wurde einige Jahre zuvor mit zahlreichen Sandsäcken stabilisiert, um für die Schifffahrt eine sichere Navigation zu gewährleisten. Zwei Kilometer nordostwärts wurde noch im selben Jahr eine neue Bake erstellt.

 

Allmählicher Verfall des Schiffswracks

Die von den Fliegern entdeckten Reste des Schiffswracks wurden von den Gebrüdern Hellmann eindeutig als die Überbleibsel der Ulpiano identifiziert. Die beiden Brüder führten schon mit ihrem Vater fast täglich Schiffstouren für Gäste zu den Sänden und Seehundbänken durch und gelten als profunde Kenner dieser amphibischen Landschaft.

Bei privaten Touren auf der Nordsee konnten sie vom Wasser aus, allerdings auch nur bei niedrigster sogenannter Hohlebbe, den allmählichen Verfall des Schiffswracks verfolgen. Das Wrack liegt in der Kernzone 1 des Nationalparks, deren Betreten verständlicherweise für die Öffentlichkeit verboten ist. Nach Mitteilung durch die Mitarbeiterin des Nationalparkamtes, Frau Boley-Fleet, gehen von dem eineinhalb Jahrhunderte alten Schiffswrack keine Störungen für die Umwelt aus. Seehunde und Vögel nehmen daran keinen Schaden.

Die hölzerne Galionsfigur, heute als Nachbildung im Außenbereich des Friesenmuseums in Wyk auf Föhr. Foto: Ingo von Oven

Üblicherweise sind Segelschiffe am Bug mit dekorativen Figuren geschmückt, oftmals mit Frauengestalten, die nach dem Glauben der Seeleute auf den richtigen Kurs achten und das Schiff vor Unglück bewahren sollen. Auch die Ulpiano besaß am Bug eine solch bunte Figur, aus widerstandsfähigem Redpineholz geschnitzt, eine Galionsfigur (galion=spanisch Balkon) mit einer rau in spanischer Kleidung. Sie soll im Jahr 1908 bei der Eröffnung dem Friesenmuseum auf Föhr zu Ausstellungszwecken übergeben worden sein. Da sie dort lange Zeit im Eingangsbereich an der Außenwand den Witterungsunbilden ausgesetzt war, fertigte man für diese Stelle eine Replik und stellte das Original im Innenbereich aus.

 

Die kunstvoll geschnitzte Heckfigur mit den zwei Frauen aus dem Baskenland hing jahrelang über der Haustür des Wohngebäudes auf der Hallig Süderoog. Foto: Ingo von Oven
Auch die sogenannte Heckzier, ein wertvolles Schnitzwerk am Achtersteven, wurde seinerzeit gerettet und hing als Original viele Jahre über der Haustür des Wohngebäudes auf der Hallig Süderoog. Sie zeigt zwei liegende Frauen in typischer Kleidung aus dem Baskenland, der Heimat des Reeders, und ein Wappen der Provinz Kastilien-Leon sowie eine spanische und eine baskische Flagge. Aus denselben Gründen ließ man für die Halligtür im Giebel eine neue farbenkräftige Figur aus Holz anfertigen und anbringen und zeigt heute das überarbeitete Original in dem kleinen Schifffahrtsmuseum im Pellwormer Hafen Tammensiel, zusammen übrigens mit diversen interessanten Fotos und Informationen über die Strandung der spanischen Bark Ulpiano, deren Geschichte nach über 150 Jahren auch im Jahr 2021 noch nicht abgeschlossen ist.
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