Integration

Schleswig-Holstein kalkuliert mit 20.000 neuen Flüchtlingen

Schleswig-Holstein kalkuliert mit 20.000 neuen Flüchtlingen

Schleswig-Holstein kalkuliert mit 20.000 neuen Flüchtlingen

Kay Müller
Kiel
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Mehr Plätze für Flüchtlinge werden in den Landesunterkünften wie in Neumünster geschaffen. Foto: Hannes Harding

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Weil Städte, Ämter und Gemeinden nicht mehr wissen, wo sie die Geflüchteten unterbringen sollen,  greift ihnen jetzt das Land unter die Arme und stockt die Plätze in den Erstaufnahmen auf.

Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Schleswig-Holstein und bringen die Kommunen an ihre Belastungsgrenze. „Die Menschen vor Ort sind überfordert“, sagt Sozialministerin Aminata Touré (Grüne), die mit anderen Mitgliedern des Kabinetts und Vertretern der Kommunen, auf einem Flüchtlingsgipfel in Kiel beraten hat, wie das Land den Kommunen unter die Arme greifen kann.

Nach mehrstündigen Beratungen dann das Ergebnis: Das Land stellt den Kommunen Plätze in den Landesunterkünften zur Verfügung und stockt deren Kapazitäten auf. „Zusätzlich wollen wir Gemeinschaftsunterkünfte schaffen, für die Land und Kommunen gemeinsam die Verantwortung tragen, und in denen die Menschen länger bleiben können“, sagt Touré.

Denn in den Landesunterkünften sollen die Flüchtlinge nach Möglichkeit nur vier Wochen wohnen, so dass die Kommunen genug Puffer haben, um selbst geeigneten Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Flüchtlinge aus der Ukraine sind nicht verpflichtet, in Landesunterkünften zu wohnen. Doch bevor sie gar kein Dach über dem Kopf hätten, könnten sie dort unterkommen, so Touré.

„Für uns war wichtig, Signale vom Land zu bekommen, dass die eigenen Liegenschaften deutlich stärker mobilisiert werden“, sagt der Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD), der als Vertreter der Kommunen mit am Tisch gesessen hat. Es sei das Ziel, die Menschen nicht in leerstehenden Baumärkten oder Turnhallen unterbringen zu müssen. Deshalb freut ihn, dass das Land in den vergangenen Wochen die Plätze in den Erstaufnahmen schon um 2000 erhöht hat, und jetzt noch einmal um 1500 aufstockt, so dass am Ende rund 7000 zur Verfügung stehen werden. Dazu werde man in einigen Unterkünften weitere Container aufstellen, sagt Touré.

Der Opposition reicht das nicht. Bernd Buchholz (FDP) hätte erwartet, dass das Land mindestens 10000 Plätze schafft, weil er mit mehr Flüchtlingen rechnet – gerade aus der Ukraine wo die Menschen immer wieder von Strom- und Heizungsausfällen betroffen seien. Und SPD-Chefin Serpil Midyatli erklärt: „Die Ankündigung, jetzt weitere Plätze in der Erstaufnahme zu schaffen, ist kein Erfolg der Regierung, sondern schlicht die nötige Folge aus den Versäumnissen der Vormonate.“

Niemand weiß, wie viele Menschen noch nach SH flüchten werden

Ob die Plätze alle gebraucht werden, ist noch unklar, denn niemand weiß, wie viele Flüchtlinge nach Schleswig-Holstein kommen und wie viele davon bleiben. „Wir wissen nur, dass im Herbst und Winter immer viele Menschen zu uns flüchten – nicht nur wie jetzt aus der Ukraine“, sagt Touré. Deshalb sei es wichtig, dass das Land vorbereitet sei.

Es gebe deshalb verschiedene Szenarien, sagt Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), der bewusst keine Prognose abgeben will, statt dessen lieber von „Annahme“ und „Korridor“ redet, wenn er sagt, dass das Land bis März mit 20.000 weiteren Flüchtlingen kalkuliere. Laut Ausländerzentralregister sind in diesem Jahr bereits über 30.000 Flüchtlinge im Norden angekommen.

Streit ums Geld

Offen ist, wer was bezahlt. Die Ministerpräsidenten haben mit dem Bund in dieser Woche verabredet, dass der Ländern und Kommunen für die Integration der Flüchtlinge 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellt – das wären nach dem üblichen Verteilschlüssel 51 Millionen für Schleswig-Holstein. Man müsse jetzt ausrechnen, wie hoch die zusätzlichen Kosten seien, sagt Kämpfer, der mit „einem ordentlichen Nachschlag vom Land“ rechnet. Daniel Günther stellt hingegen erstmal eine „angemessene Beteiligung des Landes“ in Aussicht.

Akzeptanz in den Kommunen ist groß – noch

Das Geld sei wichtig, um die Integration auch sozial abzufedern, erklärt der Kieler Oberbürgermeister. „Im Moment haben wir noch eine hohe Akzeptanz für die Flüchtlingspolitik“, sagt Kämpfer. „Und wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass das so bleibt.“

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