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Freudentränen nach Bronze: Köhler beendet Schwimm-Tristesse
Freudentränen nach Bronze: Köhler beendet Schwimm-Tristesse
Freudentränen nach Bronze: Köhler beendet Schwimm-Tristesse
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«Wir haben es geschafft!» Sarah Köhler beendet die lange Medaillen-Misere der deutschen Beckenschwimmer bei Olympischen Spielen. Geht jetzt noch mehr für Köhler, Florian Wellbrock & Co.?
Sarah Köhler zitterte am ganzen Körper und weinte vor Freude. Mit Bronze um den Hals fiel die riesige sportliche Last der vergangenen Jahre in inniger Umarmung mit dem Bundestrainer von ihr ab. «Wir haben es geschafft!» Mehr brauchte Köhler nicht zu sagen.
Mit ihrem formidablen Auftritt über 1500 Meter Freistil gewann die 27-Jährige am Mittwoch die erste Olympia-Medaille der deutschen Beckenschwimmer seit Doppel-Gold von Britta Steffen vor 13 Jahren. «Das ist auf jeden Fall etwas Besonderes - gerade weil es Britta war und wir uns so nahestehen und uns so gut verstehen», sagte sie.
Steffen: «Stolz wie eine ältere Schwester»
Ratgeberin und Freundin Steffen bangte beim Rennen in der deutschen Nacht zum Mittwoch auf der Couch zu Hause vor dem Fernseher mit der Verlobten von Weltmeister Florian Wellbrock. «Ich bin stolz wie eine ältere Schwester auf ihre jüngere», beschrieb es die 37-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. «Sie hat das fantastisch gemeistert. Ich bin sehr glücklich, dass sie endlich den Bann vom Team genommen hat.» Auch Bundestrainer Bernd Berkhahn war merklich bewegt. «Das ist schon ein toller Moment», sagte er. «Begeisternd!»
Im olympischen Dorf konnte sie sich dann auch beobachtet von anderen Sportlern endlich von Wellbrock in die Arme nehmen lassen. «Er war sehr gefasst und hat sich sehr gefreut», berichtete Köhler. «Das ist schon etwas sehr Besonderes, auch wenn wir hier getrennte Wege gehen.» Wellbrock gilt als Goldkandidat über 1500 Meter Freistil und im Freiwasser.
In klarer deutscher Rekordzeit musste sich seine Partnerin am Tag vor dessen erstem Tokio-Finale über 800 Meter Freisil nur den Amerikanerinnen Katie Ledecky und Erica Sullivan geschlagen geben. «Ich wollte unbedingt diese Medaille und habe versucht, den Schmerz zu ignorieren», sagte Köhler und sprach vom «Rennen meines Lebens» - bis jetzt. Bei der Siegerehrung küsste sie ihre Medaille. Mit der nun sechsmaligen Olympiasiegerin Ledecky, die beim zweiten Tokio-Gold der Australierin Ariarne Titmus kurz zuvor über 200 Meter Freistil nur Fünfte wurde, plauderte die deutsche Athletensprecherin fröhlich am Beckenrand.
«Kampf gegen den inneren Schweinehund»
Tief gerührt warf Köhler Kusshände zu den Teamkollegen auf der Tribüne, wo die 15:42,91 Minuten lautstark und mit schwarz-rot-goldenen Fahnen bejubelt wurden. «Ab 900 Metern etwa tat es richtig weh, irgendwann ist es ein Kampf gegen den inneren Schweinehund», sagte Köhler. Weltrekordler Paul Biedermann gratulierte zu Edelmetall und zur «starken Zeit». Für Köhler geht es am Donnerstag mit dem Vorlauf über 800 Meter Freistil weiter.
Die ersehnte Medaille, mit der sich Köhler einen «Kindheitstraum» erfüllte, bewies endgültig, dass sich die Veränderungen der vergangenen Jahre gelohnt haben. Köhler wechselte im Sommer 2018 von Frankfurt/Main in die starke Trainingsgruppe Berkhahns nach Magdeburg. Dort machte sie noch einmal einen Leistungssprung. Und auch privat fand sie ihr Glück, zog mit Wellbrock zusammen.
Der Vize-Weltmeisterschaft über 1500 Meter Freistil und dem Titel mit der Freiwasserstaffel im Sommer 2019 folgte ein Kurzbahn-Weltrekord über 1500 Meter Freistil im Winter. Als Olympia 2020 wegen der Corona-Pandemie verschoben wurde, verlegte die meinungsstarke Jura-Studentin auch ihr Staatsexamen um ein Jahr nach hinten.
Dass der Lebenspartner angesichts der Konzentration auf die eigenen großen Ziele nicht zum Anfeuern auf der Tribüne saß, störte Köhler nicht. «Wir haben uns noch kurz gesehen, nachdem ich mit dem Einschwimmen fertig war - und das war's auch», sagte sie in den Katakomben des Tokyo Aquatics Centres. «Wir sind hier bei Olympischen Spielen. Es geht hier um die Medaillen. Darum, die beste Leistung abzuliefern, und nicht hier irgendwie rumzukuscheln.» Auch im olympischen Dorf wohnt das Paar nicht zusammen. «Für uns ist das kein Thema», sagte Köhler. «Wir können zu Hause wieder in einem Bett schlafen.»
Auch Wellbrock selbstbewusst
Wellbrock startet nach dem Endlauf über 800 Meter Freistil in der Nacht zum Donnerstag als Weltmeister im 1500-Meter-Rennen und im Freiwasser jeweils als Sieganwärter. Ähnlich wie Köhler tritt auch er in Tokio konzentriert und selbstbewusst auf. Köhlers Medaille sei «super und wichtig», sagte Freiwasser-Rekordweltmeister Thomas Lurz, der Wellbrock Großes in Japan zutraut. «Ich denke, es kommen noch ein paar Medaillen dazu.» Lurz hatte in London 2012 Silber über zehn Kilometer gewonnen. Das war die letzte deutsche Schwimmermedaille - bis Köhler kam. «Das schafft wieder mehr Selbstbewusstsein», sagte Steffen.
Auch Bundestrainer Berkhahn hofft, dass das erste Olympia-Edelmetall nach so langer Zeit auch seinen anderen Athleten Auftrieb gibt. «Für mich ist jetzt wichtig, dass die Sportler merken, dass ein Schwimmer vom DSV in der Lage ist, bei Olympischen Spielen eine Medaille zu gewinnen», sagte der 50-Jährige. «Dass dieser Knoten geplatzt ist.»
Das hoffen auch die Staffeln. Nach Rang sieben der Männer über 4 x 200 Meter Freistil beim Sieg von Großbritannien qualifizierte sich auch das Frauen-Quartett über dieselbe Distanz für den Endlauf. Es war die sechste Final-Teilnahme des Deutschen Schwimm-Verbandes in den Beckenrennen. Philip Heintz will die siebte schaffen, er steht im Halbfinale über 200 Meter Lagen. Sieben Final-Teilnahmen erreichte das Team bei den Spielen in Rio insgesamt - auch in der Breite könnte es nach zwei olympischen Nullnummern vorangehen.