Olympische Spiele

«Trotzdem grandios»: Handballer lächeln Final-Niederlage weg

«Trotzdem grandios»: Handballer lächeln Final-Niederlage weg

«Trotzdem grandios»: Handballer lächeln Final-Niederlage weg

dpa
Lille
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Bundestrainer Alfred Gislason verzweifelte im Olympia-Finale an der Seitenlinie. Foto: Tom Weller/dpa

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Die deutschen Handballer gehen im Olympia-Finale gegen übermächtige Dänen unter. Die Abwehrleistung des DHB-Teams ist eines Endspiels nicht würdig. Die vorherigen Auftritte machen dennoch Mut.

Mit der funkelnden Silbermedaille um den Hals konnten Deutschlands Handballer wieder lächeln. Es dauerte nicht lange, bis der Stolz über den beeindruckenden Olympia-Lauf den Frust über die blamable Final-Abreibung gegen Dänemark verdrängte. «Wir sind im olympischen Finale gelandet. Hätte uns das vorher jemand gesagt, dann hätten wir den Vertrag mit Blut unterschrieben. Ich hoffe, dass dieses Ergebnis im Finale die Turnierleistung nicht überschattet», sagte Linksaußen Rune Dahmke. Und Kai Häfner äußerte nach seinem 151. und letzten Spiel für den Deutschen Handballbund: «Je mehr das Spiel wegrückt, desto größer ist die Freude über Silber.»

Nach sensationellen Turniererfolgen gegen Europameister Frankreich und Angstgegner Spanien unterlag die völlig überforderte DHB-Auswahl im Finale in Lille gegen Weltmeister Dänemark um Welthandballer Mathias Gidsel mit 26:39 (12:21) und verpasste damit die Krönung eines bis dahin großartigen Olympia-Auftritts. «Klar haben wir uns ein anderes Finale vorgestellt, aber das Turnierergebnis ist trotzdem grandios», resümierte DHB-Sportvorstand Axel Kromer. 

Nicht alle aus dem deutschen Team konnten sich so schnell über den sensationellen Finaleinzug freuen. «Die Enttäuschung ist riesengroß über unseren Auftritt. Es tut gerade sehr weh», berichtete Kapitän Johannes Golla und bilanzierte: «Das war heute vielleicht unser schlechtestes Spiel.» Spielmacher Juri Knorr fühlte sich unmittelbar nach Abpfiff wie in einem «Albtraum» und gab zerknirscht zu: «Wir dürfen uns so nicht präsentieren, da haben wir auch keine Goldmedaille verdient. Das ist klar.» 

Historische Pleite

Gislason haderte mit der Abwehrleistung, gab aber auch zu bedenken: «Wir sind mit Abstand die jüngste Mannschaft und haben ein großartiges Turnier gespielt.» Die Final-Pleite ging jedoch in die Geschichtsbücher ein: Es war die höchste Niederlage in einem Olympia-Finale überhaupt. Deutschland zerstörte sich seine Gold-Träume vor allem mit einer unterirdischen Abwehrleistung. Die Dänen konnten teilweise völlig unbedrängt und ohne Gegenwehr durch die deutsche Defensive spazieren.

Trotz der bitteren Schlappe bescherten Knorr und Co. dem Deutschen Handballbund den größten Erfolg der jüngeren Geschichte seit Olympia-Silber 2004 in Athen, dem WM-Triumph 2007 im eigenen Land sowie dem EM-Coup 2016. Dass Gislason mit dem jüngsten aller Olympia-Teams die Silbermedaille gewinnt, lässt den Verband von einer glorreichen Zukunft träumen - auch wenn das Spiel gegen Dänemark einen anderen Eindruck hinterließ. «Wir haben auf jeden Fall eine gute Zukunft vor uns, aber wir müssen noch ganz viel lernen», sagte Knorr, der vor rund 27.000 Fans im Hexenkessel von Lille mit sechs Toren bester deutscher Werfer war. 

Letzter deutscher Olympiasieg 1980

Die Skandinavier um Starspieler Gidsel von den Füchsen Berlin untermauerten mit ihrem zweiten Olympia-Gold nach 2016 in Rio ihre Vormachtstellung im Welthandball. Nach den folgenden WM-Triumphen 2019, 2021 und 2023 ist es bereits der fünfte große Turniersieg in den vergangenen acht Jahren.

Für Deutschland hingegen bleibt der Erfolg der DDR-Auswahl 1980 in Moskau der bislang einzige Titel einer Hallenhandball-Mannschaft unter den fünf Ringen. 2004 in Athen musste sich die Auswahl um Stefan Kretzschmar im Finale den Kroaten geschlagen geben. Vor acht Jahren in Rio holten Torwart Andreas Wolff und seine Teamkollegen Bronze. 

Schlechte Abwehr, schlechter Angriff

Spätestens nach dem epischen Viertelfinal-Sieg über Frankreich glaubte das DHB-Team fest an den Gold-Coup. Das Sechs-Sekunden-Wunder von Lille, in dem Torjäger Renars Uscins die deutsche Auswahl mit der Schlusssirene in die Verlängerung gerettet hatte, sollte die gesamte Mannschaft beflügeln. Doch im Endspiel gegen Dänemark versagten die Nerven. 

Die Dänen trafen aus fast jeder Position nach Belieben. Die Effizienz in der ersten Halbzeit lag zeitweise bei 90 Prozent. Zudem bereitete ihre offensive Deckung dem DHB-Team große Probleme. Der junge deutsche Kader wirkte nervös und fand überhaupt kein Rezept, um die dänische Abwehr zu durchbrechen. «Wir müssen uns reinarbeiten», forderte Gislason, als seine Schützlinge nach zahlreichen Abspielfehlern 5:10 zurücklagen. 

Die deutschen Fans versuchten, sich auf den Tribünen mit einer La-Ola-Welle zu unterhalten. Denn das Spiel ihrer Männer auf dem Feld bot nicht viel Grund zur Freude. Nach 20 Minuten war das Spiel eigentlich schon entschieden und Dänemark führte nach einer Machtdemonstration erstmals zweistellig. 

Wolff mit 3 Paraden nach 35 Minuten

Wer nach der Pause auf eine Leistungssteigerung des deutschen Teams gehofft hatte, wurde enttäuscht. Die Anspiele an den Kreis und an Kapitän Johannes Golla blieben erfolglos, die Abschlüsse unpräzise und die Torhüterleistung schlecht. 

Wolff stand nach 35 Minuten bei drei Paraden. Auch, weil die Abwehr eine Vollkatastrophe war. Noch nie kassierte eine Mannschaft in einem Olympia-Finale so viele Gegentore. So konnte sich Dänemarks Gidsel weitgehend ohne Gegenwehr zum besten Torschützen des Turniers krönen.

 

 

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