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Königin Margrethe II. auf historischen Spuren - 100 Jahre Teilung Schleswigs

Königin Margrethe II. auf historischen Spuren

Königin Margrethe II. auf historischen Spuren

dpa
Kiel
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Königin Margrethe II. in Gravenstein Foto: Karin Riggelsen

Royaler Besuch mit historischem Hintergrund: Vor fast einem Jahrhundert entstand im Norden Schleswig-Holsteins die dänische Minderheit. Deren Einrichtungen erwarten jetzt Königin Margrethe. Spannungen im Grenzraum sind Geschichte, aber neue Belastungen da.

Das war eindeutig: 75 Prozent im Norden für Dänemark, 80 Prozent im Süden für Deutschland. 1920 besiegeln zwei Volksabstimmungen nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg die Teilung Schleswigs, das bis dato zu Preußen gehörte. Die deutsch-dänische Grenze wird nördlich von Flensburg festgelegt. Ein halbes Jahr vor dem 100. Jahrestag des historischen Ereignisses besucht Dänemarks Königin Margrethe II. Schleswig-Holstein und leitet so die offiziellen Jubiläumsfeierlichkeiten ein. Ein Schwerpunkt sind vom 3. bis 6. September Einrichtungen der dänischen Minderheit, die mit den Ereignissen von 1920 entstanden war.

«Die friedliche Lösung des deutsch-dänischen Grenzkonfliktes von 1920 und die Geburtsstunde der Minderheiten beiderseits der Grenze ist weltweit beispielgebend», heißt es auf der Kieler Regierungs-Homepage von Staatskanzleichef Dirk Schrödter. Doch der Weg zu einem unverkrampften Miteinander in der Grenzregion war weit und steinig.

Der Anfang

Trotz der großen Mehrheit in Nordschleswig für Dänemark gab es 1920 in Apenrade, Sonderburg und Tondern Mehrheiten für Deutschland. Deutsche Bemühungen, die Grenze nach Norden zu ziehen, blieben erfolglos. Aber Spannungen hielten an. «Die relative starke deutsche Minderheit in Schleswig hat in den Zwanzigerjahren geträumt von einem Roll Back», sagt Historiker Uwe Danker. Die Machtergreifung der Nazis und die deutsche Besetzung Dänemarks 1940 nährten das. «Die deutsche Außenpolitik hat das aber aus übergeordneten Gründen unterlassen», sagt Danker. Und die anfangs kleine dänische Minderheit habe geträumt, ganz Schleswig könnte irgendwann wieder zu Dänemark gehören. Das sei gleich nach dem Zweiten Weltkrieg virulent geworden. Die dänische Politik hielt aber seit 1920 immer an der Grenze fest.

Dänemark bleibt neutral, aber Nazi-Deutschland besetzt das Land. Während des Krieges wurden viele Deutsche aus den Ostgebieten vor der anrückenden Sowjetarmee nach Dänemark gebracht. «Das erste Jahrzehnt nach dem Krieg war sehr konfliktreich», sagt Danker. So habe es in den frühen Fünfzigern «massive landespolitische Stiche» gegen die dänische Minderheit gegeben, so beim Schulrecht und mit einer 7,5-Prozent-Sperrklausel zur Landtagswahl.

Die Zäsur

Mit den Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955 im Kontext der Nato-Gründung erkennt Deutschland die dänische Minderheit an, Dänemark die deutsche Minderheit. «Da wurde die Landespolitik Schleswig-Holsteins förmlich zur Vernunft gezwungen», sagt Danker.

Das Verhältnis entspannt sich zunehmend. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) wird als Partei der dänischen Minderheit von der Fünf-Prozent-Sperrklausel befreit, ist seit 1958 durchweg im Landtag. 2012 tritt der SSW in eine Regierung mit SPD und Grünen ein. Anke Spoorendonk (Justiz) wird seine erste Ministerin.

Robert Habeck hat in Dänemark studiert, in Svendborg im Brecht-Haus den ersten Roman mit seiner Frau geschrieben. Ihre Söhne besuchten die dänische Schule in Flensburg. Dort wohnt der Grünen-Vorsitzende noch immer. «Grenzüberschreitende Grunderfahrungen des Alltags» haben ihn mitgeprägt, sagt der Ex-Landesumweltminister. Er mag die dänische Gemütlichkeit, das Gemeinschaftsgefühl. Als Student in Roskilde erlebte er 1992 zunächst Schadenfreude über die deutsche Niederlage im EM-Finale und auch tumbe Nazi-Beschimpfungen.

Als schwierig empfand Habeck 2005 die Debatte über die SSW-Absicht, eine rot-grüne Minderheitsregierung zu tolerieren. Dazu kam es dann nicht, weil Heide Simonis ihre Wiederwahl verfehlte. Nachdem später Schwarz-Gelb Mittel für die dänische Minderheit kürzte, kam mit der Regierung aus SPD, Grünen und SSW alles wieder ins Lot. «Aus einem früheren Gegeneinander hat sich ein starkes Miteinander entwickelt», sagt Habeck. «Das Lebensgefühl in Flensburg ist von einer zweisprachigen Vielfalt geprägt, friedlich und einander zugewandt.»

Die Nordschleswiger

Für sie sei die Grenze ganz normal, sagt der Hauptvorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger, Hinrich Jürgensen. «Wir haben ja nach 1945 eine Loyalitätserklärung abgegeben, in der die deutsche Minderheit die Grenze anerkennt, das dänische Grundgesetz und das Königshaus.» Das Miteinander in der Grenzregion sei gut wie nie zuvor. Zur deutschen Minderheit gehören etwa 15 000 Menschen, bei einer Gesamtbevölkerung von 250 000.

Der SSW-Chef

«Aus dänischer Sicht gab es in Nordschleswig große Freude und bei den Dänen südlich der Grenze große Enttäuschung», sagt Flemming Meyer über 1920. Der Wunsch nach Wiedervereinigung mit Dänemark sei bei vielen in lange da gewesen. Dann hätten die Menschen sich eingerichtet. Heute sei das Miteinander der etwa 50 000 Dänen mit ihren Nachbarn vorbildlich. «Wichtig ist für die Minderheit die Möglichkeit, sich politisch zu beteiligen.»

Neue Belastungen

Das Aufkommen nationalistischer Kräfte in Dänemark, die Wiedereinführung von Grenzkontrollen nach der Flüchtlingskrise von 2015 und ein Wildschweinzaun (gegen Afrikanische Schweinepest) setzen neue Akzente. Habeck sieht besorgt, dass bürgerliche Parteien samt Sozialdemokraten im Nachbarland Rechtspopulisten nachliefen. «Das ist nach den positiven Erfahrungen der Vergangenheit echt bitter und und für das Zusammenleben an der Grenze eine Belastung.»

Auch die Nordschleswiger sehen in Grenzkontrollen und Wildschweinzaun Maßnahmen, die eine Grenze in den Köpfen wieder lebendig machen, wie Jürgensen sagt. Durch das Schengen-Abkommen und die Zusammenarbeit in der Grenzregion sei die Grenze aus vielen Köpfen mehr oder weniger verschwunden gewesen. Auch aus Sicht von SSW-Chef Meyer sind die genannten Entwicklungen ärgerlich. «Aber ich glaube, alles ist so gefestigt, dass man auch solche Schwankungen übersteht.»

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Leitartikel

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
„Roulette Royal“