Pflegeheime

Leben mit Demenz: Wenn die Wohngruppe zum neuen Zuhause wird

Leben mit Demenz: Wenn die Wohngruppe zum neuen Zuhause wird

Leben mit Demenz: Wenn die Wohngruppe zum neuen Zuhause wird

Martin Engelbert/shz.de
Schleswig/Süderbrarup
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Mehr Spaß und Lebensfreude in der Gruppe: Ursula Günther (re.) mit Einrichtungsleiter Jörg Repenning und Pflegedienstleiterin Susanne Rauh. Foto: Martin Engelbert

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Fachleute erwarten in Pflegeheimen einen Anstieg der Bewohner mit Demenz. Moderne Konzepte ermöglichen viele Freiheiten.

Ursula Günther wird immer vergesslicher. Auf dem Weg von ihrem Zimmer zum Gemeinschaftsraum biegt sie deshalb schon mal falsch ab. Doch in der Regel ist gleich jemand zur Stelle, der sie auf den richtigen Weg zurück führt. Die 94-Jährige fühlt sich augenscheinlich wohl in der Gesellschaft der anderen 28 Heimbewohner, die mit ihr zusammen in einer speziellen Gruppe für Menschen mit Demenz im Alloheim in Süderbrarup leben. Sie ist zurzeit die Älteste in der Gruppe, der jüngste Mitbewohner ist Anfang 50.

Wenn nicht gerade Corona herrscht, sind die Türen alle auf. Es gibt hier keine Fußfesseln.

Jörg Repenning, Einrichtungsleiter

Einrichtungsleiter Jörg Repenning geht davon aus, dass der Anteil der Dementen in Pflegeheimen künftig immer weiter ansteigen wird. „Die Pflege zu Hause funktioniert in der Regel so lange sehr gut, bis Demenz hinzukommt“, erklärt er. Dann werde die Lage gefährlich, etwa wenn die Betroffenen vergessen, den Herd auszuschalten oder Gurkenscheiben statt Weißbrot in den Toaster stecken. Außerdem würden sich manche pflegenden Angehörigen über die Hingabe für den geliebten Menschen regelrecht vergessen – und eigene Bedürfnisse bis zur totalen Erschöpfung hintenanstellen.

Rat finden beim Pflegestützpunkt des Kreises

Ein zunehmendes Interesse an Beratungen zum Thema Demenz und Unterbringung in Pflegeheimen hat man auch beim Kreis festgestellt, bestätigt Kreissprecherin Martina Potztal. Daraufhin habe man den Pflegestützpunkt eingerichtet, eine Anlaufstelle des Kreises, bei der Hilfsbedürftige und hilfeleistende Angehörige eine individuelle, unabhängige und kostenlose Beratung rund um das Thema Pflege erhalten.

Ein Zuhause für Menschen mit Demenz

In der Wohngruppe für Demente im Alloheim kennt man die Probleme und hat deshalb alles so eingerichtet und organisiert, dass sich die Bewohner mit Demenz wie Zuhause fühlen. Bei ihnen könnten sie sich frei bewegen, sich treffen, Freundschaften schließen und sich gegenseitig unterstützen – ganz nach den eigenen Möglichkeiten, erklärt Repenning. „Wenn nicht gerade Corona herrscht, sind die Türen alle auf. Es gibt hier keine Fußfesseln“, sagt er, die Bewohner könnten ein und ausgehen, wie sie Lust und Laune hätten. Die Wohngruppe bezeichnet er als eine Art Ersatzfamilie, zu der auch das Pflegeteam gehört.

Hilfestellungen und Angebote

Neben den in Pflegeheimen üblichen Hilfestellungen beim Waschen, Anziehen und Essen, sollen die Menschen in der Wohngruppe zu Aktivitäten animiert werden, die ihren Fähigkeiten entsprechen. So stehen unter anderem Spazierengehen, Singen, Spielen und Vorlesen auf dem täglichen Programm.

Pflegeheime böten den Erkrankten die Möglichkeit, so zu sein, wie sie sind, sagt Jörg Repenning. „Wir holen sie dort ab, wo sie mit ihren Fähigkeiten stehen.“ Und sollten zwei Mitbewohner ein Auge aufeinander geworfen haben – das sei durchaus schon vorgekommen, versichert er – „dann veranstalten wir auch schon mal ein Candlelight-Dinner“.

Wichtig für die Gemeinschaft

In Erwartung der Zunahme der zu unter Demenz leidenden zu Pflegenden will Repenning, seit 2018 Leiter des Heimes, auch das Konzept für die Arbeit mit diesen Menschen erweitern. So soll der Speisesaal vergrößert und eine Küche eingerichtet werden, die die Bewohner auch benutzen können, um etwa „gemeinsam fürs Abendbrot schnibbeln zu können“. Das Ziel sei, ergänzt Pflegedienstleiterin Susanne Rauh, „ihnen sinngebende Tätigkeiten anzubieten und ihnen das Gefühl zu vermitteln, ich schaffe das, ich kann was, ich bin wichtig für die Gemeinschaft.“

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