Flensburger Innenstadt

Leerstände und neue Ideen: Perspektiven nach dem Lockdown

Leerstände und neue Ideen: Perspektiven nach dem Lockdown

Leerstände und neue Ideen: Perspektiven nach dem Lockdown

Mira Nagar/shz.de
Flensburg
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Auch mehrere größere Unternehmen haben die Stadt verlassen: Hallhuber, Desigual, Karstadt und Brax sind nicht mehr am Holm. Foto: Mira Nagar

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Wie sich Einzelhandel und Gastronomie verändern könnten.

Eine letzte Schlange wickelte sich einmal quer durch C&A, die Stille am Holm wurde leise untermalt von den meditativen Klängen eines Straßenmusikers auf seinem schildkrötenförmigen Blech-Instrument. Und nach und nach gingen die Lichter aus und die Türen zu in der Flensburger Innenstadt. Ohne dass jemand wusste für wie lange. Eine bedrückende Stimmung, mitten in der Weihnachtszeit, als noch keiner ahnte, dass Flensburg trotz aller Maßnahmen ein Corona-Hotspot werden würde.

Etwa drei Monate ist das nun her. Monate, in denen Geschäftsleute versuchten, ihren Betrieb irgendwie aufrecht zu erhalten. Oder der Stadt den Rücken kehrten, um den Lockdown in sonnigeren Gefilden abzuwarten. Inzwischen sind auch in Flensburg erste Lockerungen in Sicht – zumindest für Gartencenter sowie Blumen- und Buchläden.

Die Öffnungen sind nicht unumstritten. Für manche Kritiker kommen sie zu früh, andere sagen, es hätte schon längst wieder geöffnet werden müssen.

„Zu vermieten“-Schild hängt schon

Wie viele Läden und Restaurants die lange Durststrecke überstehen werden, ist noch unklar. Das sagt auch Jens Drews, Optiker in der Großen Straße und aktiv bei der Flensburger Gilde. Er sei nicht sicher, in welchen Läden man nach dem Lockdown weiter einkaufen könne und in welchen nicht. Einen Überblick, wo neue Leerstände drohen, gibt es nicht. Mit den Türen verschlossen sich auch manche Kontakte.

Foto: Mira Nagar/shz-Grafik: Can Yalim

„Teilweise sind die Fördergelder nicht geflossen, das ist wie ein Damoklesschwert“, sagt Drews. „Und die Leute bekommen teils keine Kredite mehr.“ Bei manchen seien Mieten gestundet worden, doch so mancher Einzelhändler hat keinen Ansprechpartner beim Vermieter.

Eine, die gehen wird, ist Katrin Schröder mit ihrem kleinen Schmuckladen KT-Schmuckdesign am Holm. Das „Zu vermieten“-Schild hängt schon im Fenster. „Wir haben den Laden zum 30. April gekündigt und ziehen dort in Kürze aus“, sagt die Unternehmerin aus Fahrdorf. „Der Laden ist noch nicht weitervermietet und wird wahrscheinlich bald leer stehen. Flensburg war mal eine so schöne Innenstadt. Wir wären gerne dort geblieben, doch es lohnt sich einfach nicht mehr.“

Tausende Quadratmeter Leerstand

Zuletzt verließen auch größere Marken wie Brax und Hallhuber die Stadt. Nicht zu vergessen der Leerstand am Holm Nummer 7. Der Weggang von Karstadt hat eine riesige Lücke hinterlassen. Corona war hier sicher ein Brandbeschleuniger, aber nicht der eigentliche Grund. Viele Leerstände in der Stadt bestehen schon seit Jahren. „Es gibt tausende Quadratmeter leerstehende Verkaufsflächen in der Innenstadt, das bedeutet auch hunderte Arbeitsplätze, die hier nicht entstehen“, sagt Optiker Drews.

Doch neue Mieter haben es schwer. „Im Moment ist die Nachfrage noch verhalten“, erklärt Bastian Schaper von der Immobilienverwaltung TFI. „Vor Weihnachten waren die Anfragen noch gut, aber die aktuelle Situation ist natürlich dafür verantwortlich, dass die Interessenten zögerlicher sind.“ Auch die „relativ hohen Mieten“ seien für viele ein Grund, eine Gewerbefläche nicht direkt in der Innenstadt anzumieten.

Anfragen für eine Immobilie, die er betreut, seien bislang vor allem aus dem Bereich Gastronomie gekommen, aber auch ein Buchhändler habe sich informiert. Wann genau eine Neuvermietung möglich ist, könne Schaper nicht sagen. „Bei einer Gewerbevermietung ist der Aufwand immer höher als bei einer Dreizimmerwohnung.“

Und so verzögert sich auch die Neuvermietung der Karstadt-Immobilie, auch wenn das Immobilien-Investment Corpus Sireo laufend betont, dass es Interesse gebe. „Wir sind tatsächlich in konkreten Gesprächen mit Mietinteressenten und arbeiten an verschiedenen Flächenkonstellationen – aber mehr lässt sich aktuell zum Stand (noch) nicht sagen“, teilt Maike Kolbeck von Corpus Sireo auch diesmal mit.

Wandel in der Innenstadt

Drews geht aber auch davon aus, dass sich mit einer Wiederöffnung die Innenstadt wandeln kann. „Einzelhändler mit Ideen bekommen ihre Chance“, sagt er. Dabei gehe es um die persönliche Bindung zum Kunden. Er sieht einen Trend zum Event-Shopping, bei dem Showrooms mit digitalen Möglichkeiten ergänzt werden. „Gerade die dänischen Kunden suchen eher das Individuelle in kleinen Boutiquen und Cafés“

„Die Leute entwickeln eine unglaubliche Kreativität“, sagt auch Petra Voigt von der IHK Flensburg. Von der Solidaritäts-Aktion über das Internet bis hin zu Angeboten über Instagram seien während des Lockdowns auch neue Möglichkeiten entstanden, an die Kunden heranzutreten. „Das kompensiert vielleicht nicht die Ausfälle, aber es eröffnet neue Kanäle“, sagt Voigt. Sie hofft, dass auch die Immobilienbesitzer auf die Entwicklung eingehen und beispielsweise auch Pop-Up-Stores ermöglichen, die für eine gewisse Zeit in Flensburg ihr Angebot austesten können. „Der Wechsel im Angebot ist ein belebender Faktor und das wird zum Standortvorteil.“

Etwas verhaltener zeigt sich Ulf von Finthel von der IG Innenstadt. „Die Blessuren werden sich noch zeigen, denn es müssen die KfW-Kredite zurückgezahlt werden“, sagt er. „Aber der Wille zum Durchhalten ist ungebrochen.“

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