Corona-Maßnahmen

Wie die Stadt multikulturelle Firmen über Corona informiert

Wie die Stadt multikulturelle Firmen über Corona informiert

Wie die Stadt multikulturelle Firmen über Corona informiert

Antje Walther/shz.de
Flensburg
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Corinna Paulussen, Personalmanagerin bei Ingram Micro Services, hat sich über die zusätzlichen Informationen der Stadt Flensburg gefreut. Foto: Marcus Dewanger

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Alexander Klindtworth-März setzt auf persönliche Gespräche und schickt Betrieben einen Corona-Newsletter, der gut ankommt.

Seit einigen Tagen ist die Zahl der Zeitarbeit zuzuordnenden Corona-Neuinfektionen sehr gering in Flensburg. Das ist erfreulich, aber war nicht immer so. Sie haben sich deshalb seinerzeit gefragt, „wie können wir die Firmen erreichen“, schildert Alexander Klindtworth-März die Ausgangslage in der Stadtverwaltung. „Wir waren uns einig: Das geht nur durch persönliche Gespräche.“

Alexander Klindtworth-März leitet die 2019 geschaffene Stabsstelle Integration bei der Stadt Flensburg. Foto: Michael Staudt

Klindtworth-März leitet die im Jahr 2019 gegründete Stabsstelle Integration. Weit über 20 Zeitarbeits- und weitere Firmen in Flensburg hätten positiv auf die Abfrage seitens der Stadt reagiert und Interesse an der Zusammenarbeit bekundet, berichtet er.

Die Gesprächspartner verlangten zielgerichtete Informationen in verschiedenen Sprachen. Jetzt, da der Kontakt hergestellt ist, melden sie sich auch von sich aus, wenn sie beispielsweise Material auf Russisch brauchten, berichtet der Stabsstellenleiter.

Weil manche Zeitarbeiter nur kurz eine Schulbildung genossen oder einige gar nicht lesen und schreiben gelernt haben, stellt sich die Stadt auch darauf ein und übersetzt Informationen in leichte Sprache. Mit Hilfe von Dolmetschern werden neuerdings auch Audio-Dateien aufgenommen, sagt Klindtworth-März.

Übertragung der Corona-Regeln in leichte Sprache

„Wir konnten nicht sicher sein, ob die Basis überhaupt da ist“, erläutert er, warum zunächst grundsätzliche Fragen wie „Was ist überhaupt Corona“ oder „Was bedeutet eine Quarantäne“ ge- und erklärt wurden. „Menschen aus anderen Ländern haben eine ganz andere Sicht darauf“, beobachtet Klindtworth-März.

Sein Werdegang hat viele Überschneidungen mit dem, was er heute macht. Nach dem Abi, erzählt der Mittelhesse, sei er mit 19 zur Marine gegangen. Und im Norden geblieben.

Auf See hat er viel von der Welt gesehen. Mit 32 nahm er an der Flensburger Universität ein Lehramtsstudium auf. Seit 2014/2015 habe er durchgehend im Integrationsbereich gearbeitet und unter anderem als Willkommenslotse „wertvolle Erfahrungen gesammelt“.

Laut Sozialatlas 2020 sind Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit folgender Länder am häufigsten in Flensburg vertreten:

Dänemark2242

Syrien2167

Rumänien1925

Polen949

Türkei739

Irak656

Afghanistan635

Für das Info-Material für die Firmen wurde aus den gültigen Allgemeinverfügungen die Essenz gezogen und in leichte Sprache übertragen, weil viele Veränderungen innerhalb kurzer Zeit folgten und man die Materialien nicht überfrachten wollte. Die Neuerungen enthält – wie der Name schon sagt – der Newsletter, den die Stadt herausgibt.

„Die Firmen sind generell sehr dankbar für die Informationen und nehmen das an“, resümiert der Leiter der Stabsstelle.

Positive Resonanz bei Ingram Micro Services

„Der Newsletter trifft genau ins Schwarze“, sagt Corinna Paulussen. Sie ist Personalmanagerin der Firma Ingram Micro Services, die Am Sophienhof ihr Domizil hat. Flensburgern werden die früheren Namen „Das Autotelefon“ oder „dat repair“ vertraut sein, denn als Mittelstandsunternehmen hat der Betrieb vor 28 Jahren begonnen. Im Mai 2014, sagt Paulussen, ging die Firma in den weltweit agierenden Konzern über.

Das Portfolio ist breit. Ganz aktuell: „Wir statten gerade deutsche Schulen mit Ipads aus“, bringt die Personalerin es auf den Punkt und erklärt, dass vor der Auslieferung die 30.000 Geräte mit Folie beklebt, Images aufgespielt und sicher verpackt werden.

Diversität wird bei uns groß geschrieben.

Corinna Paulussen, HR Business Partner bei Ingram Micro Services

Von der einstigen Kernkompetenz als autorisierter Dienstleister für Elektronik und Reparaturen habe sich das Unternehmen weiterentwickelt und biete für den E-Commerce-Kunden das gesamte Paket: von der Lieferung und Logistik, Reparatur bis hin zum technischen Support und sogar Aufbereitung alter IT-Ware.

Am Standort Flensburg arbeiten 300 Kollegen. Und, so betont Corinna Paulussen, sie seien ein „multikulturelles Team“. Rund zehn verschiedene Sprachen seien im Haus vertreten, die übergeordnete Sprache in einigen Bereichen des Elektronik- und Logistik-Dienstleisters ist Englisch. Die Zahl der Beschäftigten, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, schätzt Paulussen auf 100. „Diversität wird bei uns groß geschrieben“, sagt sie und deshalb sei auch nicht die Herkunft, sondern die Leistung entscheidend.

Lüftungskonzept, Wechselschichten, mobiles Arbeiten

„Ohne Leiharbeiter geht es bei uns auch nicht“, erläutert Corinna Paulussen, etwa wenn ein großer Auftrag reinkommt. Dennoch bevorzugt sie die Bezeichnung Mitarbeiter, denn die Kollegen werden ins Team aufgenommen und häufig eingestellt, wenn sie sich bewährt haben.

Bevor man mit Zeitarbeitsfirmen zusammenarbeite, erklärt die Personalmanagerin, werde die Firma auditiert; der dafür zuständige Kollege gemeinsam mit dem Qualitätsmanager prüfen die Bedingungen und sehen sich sogar die Unterkünfte an.

Mit dem Betriebsrat habe es schon immer eine (Betriebs-)Vereinbarung gegeben über mobiles Arbeiten, blickt Paulussen zurück. „Das war selbstverständlich.“ Kollegen an der Werkbank können natürlich nicht von zu Hause aus arbeiten. Für diejenigen im Betrieb gebe es deshalb jetzt in der Pandemie abwechselnde Schichten, Entzerrung der Arbeitsplätze und ein Lüftungskonzept. „Einmal wöchentlich testen wir auch selbst“, ergänzt Paulussen. Die regelmäßigen Mitarbeiterbefragungen ergäben „durchweg gute Resonanz“ auf die Maßnahmen.

Puzzleteil für Flensburger Firmen-Standort

Alexander Klindtworth-März stieß trotzdem auf „offene Ohren“, sagt Corinna Paulussen. Zwar seien immer Kollegen vor Ort, die Regelungen für die anderen übersetzen können. Und als weltweiter Konzern habe man die Kräfte bündeln können und eine standardisierte Kommunikation zur Corona-Prävention in den erforderlichen Sprachen. Dennoch fügen sich die „auf Flensburg zugeschnittenen Informationen“ wie das letzte Puzzleteil ein.

Das persönliche Gespräch ist am wertvollsten.

Alexander Klindtworth-März, Stadt Flensburg

Sein Fazit: „Das war sehr, sehr gelungen.“ Viele Besitzer sagten, sie informierten sich über die Stadt-Seite und Facebook, freuten sich dennoch über zusätzliches Material unter anderem auf Türkisch, das Klindtworth-März im Gepäck hatte. Außerdem machte er darauf aufmerksam, dass man für Gespräche und Vermittlung an die Ansprechpartner in Kiel bereitstünde bei Fällen von Diskriminierung und Rassismus.

Positive Rückmeldung auf die Vor-Ort-Runde sei auch vom Vorsitzenden des Runden Tisches gekommen, von Ramazan Kapusuzoglu. Alexander Klindtworth-März folgert: „Das persönliche Gespräch ist am wertvollsten.“ Bei einem Mal sei es jedoch nicht getan. Glück hatte das Team der Stadtverwaltung schließlich, den Imam der türkischen Moschee anzutreffen, der die Neuigkeiten in seine Predigt einbauen wollte, berichtet Klindtworth-März.

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