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Habeck kündigt Prüfung von Viessmann-Verkauf an

Habeck kündigt Prüfung von Viessmann-Verkauf an

Habeck kündigt Prüfung von Viessmann-Verkauf an

dpa
Berlin/Allendorf/Eder
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Ein Großteil des Verkaufserlöses aus dem Deal mit Carrier Global soll in die verbleibenden Geschäftsbereiche der Viessmann-Gruppe fließen. Foto: Uwe Zucchi/dpa

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Die Klimawende wirbelt die deutsche Heizungsindustrie durcheinander. Der Wärmepumpen-Marktführer wird an einen US-Konkurrenten verkauft. Wirtschaftsminister Habeck will den Deal prüfen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will den Verkauf der Viessmann-Wärmepumpensparte in die USA unter die Lupe nehmen. «Wir werden uns das Vorhaben im Rahmen der vorgesehenen Prüfschritte anschauen und sind im Gespräch mit dem Verkäufer und dem Investor, damit das Projekt unserer Wirtschaft und dem Standort Deutschland dient», sagte der Grünen-Politiker.

Die Vorteile der deutschen Energiepolitik und Gewinne, die damit erwirtschaftet würden, müssten weiter dem Standort Deutschland zugutekommen. Gerade deutsche Unternehmen hätten die Wärmepumpentechnik vorangebracht, sagte er. Habeck erwartet durch den Verkauf günstigere Preise für Wärmepumpen.

Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen sagte bei einer Veranstaltung der IG Metall in Berlin, es gehe um mögliche Zusagen für Investitionen und Arbeitsplätze.

Regierung sieht keinen Rückschlag für Deutschland

Die Bundesregierung sieht im Verkauf der Viessmann-Klimasparte allerdings keinen Rückschlag für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Ein Sprecher von Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte, im Gegenteil zeige dies, dass in deutsches Know-how investiert werde. Er sprach von einer für die Energiewende bedeutenden Branche.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte, das Beispiel zeige, dass deutsche Hersteller über Know-how für Zukunftstechnologien verfügten und internationales Kapital anzögen. Es gelte sicherzustellen, dass Wertschöpfung, Beschäftigung und Arbeitsplätze in Deutschland erhalten blieben. Das Wirtschaftsministerium werde den Verkauf entsprechend prüfen.

Viessmann verkauft Klimasparte an Carrier Global

Das nordhessische Unternehmen Viessmann hatte in der Nacht angekündigt, seine Klimasparte an den US-Konkurrenten Carrier Global zu verkaufen. Dazu gehören auch die lukrativen Wärmepumpen. Vor allem sie sollen in Deutschland längerfristig Öl- und Gasheizungen ersetzen.

Carrier Global bezifferte den Kaufpreis für die Sparte mit rund 11.000 Beschäftigten auf 12 Milliarden Euro. 20 Prozent sollen als Aktienpaket an die verbleibende Viessmann-Gruppe gehen, die damit zu einem der größten Anteilseigner der US-Firma wird. Das Geschäft soll bis zum Ende des Jahres abgeschlossen sein, wie beide Seiten mitteilten.

Harter internationaler Wettbewerb

Wärmepumpen werden nach Einschätzung von Experten künftig vor allem außerhalb Deutschlands gebaut. Schon vor dem Verkauf der Viessmann-Klimasparte sei zunehmend im europäischen Ausland investiert worden, berichtet das Münchener Beratungsunternehmen S&B Strategy. Beispiele seien Werke von Bosch und Viessmann in Polen sowie von Vaillant in der Slowakei. Dort lockten schnellere Genehmigungsverfahren, geringere Energiepreise und niedrigere Lohnkosten.

Mit dem nun beschlossenen Deal geht das Kerngeschäft des 1917 gegründeten Heizungbauers Viessmann im rund fünf Mal so großen Carrier-Konzern auf und erlangt so eine deutlich höhere Kapitalkraft. Schnelleres Wachstum werde möglich, hieß es in Unternehmenskreisen. Letztlich zähle im globalen Wettbewerb irgendwann nur noch Größe und Stückzahl. «Durch den Zusammenschluss entsteht aus einer Position der Stärke heraus ein schnell wachsender Innovationsführer in einem hart umkämpften Markt», sagte Firmenchef Max Viessmann, der auch einen Sitz im Carrier-Verwaltungsrat erhalten soll.

Die asiatischen Hersteller produzierten heute schon wettbewerbsfähiger und könnten aufgrund der ähnlichen Technik zu Klimaanlagen weitere Synergien in der Wertschöpfung realisieren, schreiben hingegen die Analysten Florian Moll und Christoph Blepp von S&B Strategy. Selbst wenn den Asiaten noch der Marktzugang über die Handwerker fehle, sei ein Anstieg der Importe zu erwarten: «Die Wärmepumpe wird deutlich internationaler sein als die klassische Gas- oder Ölheizung.»

Insbesondere für kleinere Heizungshersteller werde das Marktumfeld bei diesem Wettrüsten langfristig schwieriger. Für die Kunden werde der zunehmende Wettbewerb niedrigere Preise bei den Geräten bringen, erwartet S&B. Wesentlicher Preistreiber bleibe aber die meist mit hohem Aufwand verbundene Installation, für die Fachkräfte fehlten.

Kritische Stimmen

Die Bau- und Energieexpertin Lamia Messari-Becker von der Uni Siegen warnte hingegen vor einer Abhängigkeit von großen Konzernen in China, Südkorea und den USA. Nur diese könnten die notwendigen Millionen-Stückzahlen von Wärmepumpen liefern, während die deutsche Branche vor allem mittelständisch geprägt sei. Die IG Metall begrüßte Habecks Ankündigung einer Prüfung. «Die IG Metall erwartet für diese strategisch wichtige Produktion Standortgarantien und Beschäftigungssicherung am Standort Allendorf», erklärte Vorstandsmitglied Wolfgang Lemb.

CDU-Wirtschaftspolitikerin Julia Klöckner hielt Habeck vor, mit dem Heizungsverbot finanzstarke Wärmepumpenhersteller aus dem Ausland angelockt zu haben. «Sie wollen ihre Wärmepumpen hier verkaufen und können auch aufgrund niedriger Produktionskosten mit Dumpingpreisen unsere Unternehmen schwächen. Viessmann macht die Flucht nach vorn und verkauft jetzt, da es später nicht mehr so viel Geld für die Sparte bekommt.»

Carrier-Chef sieht enorme Wachstumschancen

Carrier-Chef David Gittin bezeichnete die Akquisition als «spielverändernde Gelegenheit». Die Viessmann-Klimasparte sei entscheidend für die europäische Energiewende. Das Unternehmen habe eine extrem starke Marktposition, einzigartige Vertriebskanäle und enorme Wachstumschancen. Das US-Unternehmen betonte den Marktzugang über 75.000 Installateure in 25 Ländern, die Viessmann-Produkte in die Haushalte bringen. Der europäische Wärmepumpen-Markt werde sich bis 2027 auf rund 15 Milliarden US-Dollar verdreifachen. Carrier kündigte gleichzeitig an, sich von anderen Aktivitäten wie Brandschutz und Kältegeräten verabschieden zu wollen.

Beide Seiten hätten sich auf langfristige Garantien geeinigt, ergänzte Viessmann. So seien betriebsbedingte Kündigungen für drei Jahre ausgeschlossen, wichtige Standorte für Produktion und Entwicklung fünf Jahre gesichert und Allendorf an der Eder für zehn Jahre als Hauptsitz gesetzt. An die Mitarbeiter der Sparte sollen 106 Millionen Euro als Sonderprämie «für 106 Erfolgsjahre» ausgeschüttet werden. Der Geschäftsbereich machte bei Viessmann im vergangenen Jahr 85 Prozent des Umsatzes aus, der für 2022 um 19 Prozent auf den Rekordwert von rund 4 Milliarden Euro angestiegen war.

Das Unternehmen Carrier aus dem US-Staat Florida gilt als Erfinder der modernen Klimaanlage und wurde 1902 gegründet. Der Konzern beschäftigt 52.000 Menschen und erlöste im vergangenen Jahr 20,4 Milliarden Dollar. 60 Prozent des Umsatzes entfielen auf Nord- und Südamerika. Das Unternehmen verfügt in Europa über drei Produktionsstätten in Frankreich und Spanien. 2004 hatten die Amerikaner die Kältetechnik der damaligen Linde AG übernommen, später aber die Fertigung in Deutschland eingestellt.

Firmeninhaber Max Viessmann betonte, das ein Großteil des Verkaufserlöses in die verbleibenden Geschäftsbereiche der Viessmann-Gruppe fließen soll. Dazu gehören Kältetechnik, Immobilien und Investment-Tätigkeiten. Einschließlich bislang nicht bilanzierter Gesellschaften erziele der verbleibende Teil bereits einen Jahresumsatz von rund 1 Milliarde Euro und solle bis zum Ende des Jahrzehnts die jetzige Größe der Klimasparte übertreffen. Mit Carrier werde man auch operativ eng zusammenarbeiten.

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