Gigantische Baustelle

Erst Beton, nun Technik - Nächster Schritt bei Beschleuniger

Erst Beton, nun Technik - Nächster Schritt bei Beschleuniger

Erst Beton, nun Technik - Nächster Schritt bei Beschleuniger

dpa
Darmstadt
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Im neuen Teilchenbeschleuniger in Darmstadt werden erste Magnete montiert. Foto: Arne Dedert/dpa

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Seit Jahren wird am Rande von Darmstadt auf einer der größten Baustellen für die Forschung gearbeitet. Ein neuer Teilchenbeschleuniger nimmt langsam Gestalt an

In einer bunkerähnlichen, 6,5 Meter breiten Tunnelanlage sollen künftig durch eine gerade mal zehn Zentimeter-Röhre für das bloße Auge nicht wahrnehmbare Teilchen sausen. Nach dem Willen von Wissenschaftlern fast in Lichtgeschwindigkeit. Auf einer der weltweit größten Forschungsbaustellen in Darmstadt entsteht der neue Teilchenbeschleuniger «Fair» (Facility for Antiproton and Ion Research; Anlage zur Forschung mit Antiprotonen und Ionen). Nach Jahren der Bauarbeiten haben Techniker aus dem In- und Ausland nun begonnen, die eigentliche Technik zwischen teils meterdicken Betonwänden zu installieren.

Tonnenschwere Magneten werden in die Tiefe gelassen

Nach der Fertigstellung des Rohbaus wird nach den Worten des technischen Geschäftsführers des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung und von «Fair», Jörg Blaurock, nach und nach die Technik teils 20 Meter in die Tiefe gelassen. Techniker montieren den Ring, durch den später Ionen, elektrisch geladene Atome, flitzen sollen - mit fast 300 000 Kilometern pro Sekunde. Hunderte Magnete sollen diese Teilchen in der Spur halten und zur Beschleunigung beitragen. Bevor die Teilchen in die Labore und Forschungsstätten gelangen, legen sie in dem 1,1 Kilometer langen Ring Blaurock zufolge rund zweimal eine Erdumrundung zurück. 

Ergänzung zu bestehender Anlage

Der neue Beschleuniger soll helfen, Fragen etwa der Raumfahrt und der Medizin zu erforschen. «Wir erforschen das Universum im Labor», sagte die Leiterin Forschung von GSI/«Fair», Yvonne Leifels. Er ergänzt eine bereits bestehende und ständig auf den neuesten Stand gebrachte Anlage, mit der auch schon Krebstherapien entwickelt wurden. 

Leifels zufolge geht es etwa darum, woher die Elemente kommen. Erforscht werden könnten auch Fragen zu Neutronensternen mit besonders dichter Materie oder das Innere der Planeten. In Kooperation mit der europäischen Raumfahrtagentur Esa geht es auch darum, wie Strahlung im All auf Mensch und Technik wirkt. 

«Fair» ist internationale Zusammenarbeit

Ende 2027 soll hier mit ersten Experimenten und Ende 2028 auch mit dem neuen 1,1 Kilometer langen Beschleunigerring geforscht werden, sagte Blaurock auf der Baustelle. Aber: «Der Betonbau ist fertig für die Anlage. «Fair» ist eine internationale Kooperation mehrerer Länder.

Größter Geldgeber ist Deutschland, zweitgrößter Russland. «Russland bleibt Mitglied, auch wenn es im Krieg ist», sagte Blaurock. Das Land zahle einen Teil seiner Beiträge weiter. Nach einem Budget von ursprünglich 1,3 Milliarden Euro 2005 liegt der aktuelle Kostenrahmen dem Helmholtzzentrum zufolge bei rund 3,3 Milliarden Euro. Gründe sind unter anderem die Corona-Pandemie, die Baustoffpreisentwicklung und Probleme mit Lieferketten. 

Mehr Möglichkeiten für die Wissenschaft

Künftig haben mehr Forscher Chancen auf Experimente mit dem Teilchenbeschleuniger. Konnten hier bislang rund 1.000 Wissenschaftler im Jahr Experimente machen, sollen es künftig 3.000 sein. Für die Arbeit und die riesigen Datenmengen wurde eigens ein Rechenzentrum gebaut. Leifels ist sich sicher: «Wenn "Fair" fertig ist, ist es weltweit eine der führenden Beschleunigungsanlagen.»

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