Partnerschaft
Die «Fünf Sprachen der Liebe»: Populär - und problematisch
Die «Fünf Sprachen der Liebe»: Populär - und problematisch
Die «Fünf Sprachen der Liebe»: Populär - und problematisch
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Millionen von Menschen weltweit haben schon getestet, welche ihre «Sprache der Liebe» ist. Das Konzept stammt von einem US-Pastor - und wird von Fachleuten und Paartherapeuten kritisch betrachtet.
Was bedeutet Ihnen mehr: Wenn Ihr Partner sich Zeit für Sie nimmt oder Sie küsst? Wenn er Ihnen ein Geschenk macht oder sich um die Wäsche kümmert? Mehr als 34 Millionen Menschen weltweit haben Fragen wie diese bereits beantwortet, um herauszufinden, welche der «Fünf Sprachen der Liebe» eigentlich ihre ist.
Die Annahmen hinter dem Beziehungstest stammen von Gary Chapman, einem Pastor und Paarberater aus den USA, dessen gleichnamiges, 1992 erschienenes Buch sich im Laufe der vergangenen 30 Jahre zum Zeitgeist-Phänomen entwickelt hat. Auf Social-Media-Plattformen wie Tiktok gibt es Millionen von Videos dazu, viele Menschen nutzen die Liebessprachen gar als Gesprächseröffnung für einen Flirt auf Datingportalen.
Doch was ist an der These von der bevorzugten Liebessprache überhaupt dran? Und stimmt es, dass Partner am besten dieselbe haben sollten, um miteinander glücklich zu werden?
Davon ist jedenfalls Chapman überzeugt. Demnach «spricht» jeder Mensch vor allem eine der fünf Liebessprachen und drückt seine Zuneigung also wahlweise mit Zärtlichkeit, Lob und Anerkennung, Hilfsbereitschaft, Zweisamkeit oder durch Geschenke aus. Legt ein Partner etwa besonderen Wert auf Zärtlichkeiten wie Umarmungen oder Küsse, während der andere sich vor allem Hilfsbereitschaft in Form von Unterstützung im Haushalt wünscht, ist es laut Chapman so, als würden sie für den jeweils anderen eine Fremdsprache sprechen. Beziehungsprobleme sind nach dieser Logik geradezu unausweichlich.
«Keine Belege für Chapmans Theorien»
Sowohl Paartherapeuten als auch Beziehungswissenschaftler sehen das Konzept der Liebessprachen kritisch. Eine von ihnen ist Amy Muise. Zusammen mit zwei Kollegen hat die Psychologin der kanadischen York University die zentralen Behauptungen von Chapman auf den Prüfstand gestellt und mit den Ergebnissen von zehn empirischen Studien verglichen. Ihr Fazit im Gespräch mit dpa: «Wir haben keine Belege für Chapmans Theorien gefunden.»
Um die eigene Liebessprache herauszufinden, müsse man Chapmans Test machen - doch dieser spiele die Liebessprachen in Form von Entweder-oder-Fragen gegeneinander aus. «Forschende ließen die einzelnen Elemente wie Zärtlichkeit oder Geschenke von Studienteilnehmern hingegen kontinuierlich bewerten. Sie mussten nicht wählen, sondern konnten ausdrücken, wie bedeutsam die einzelnen Elemente für sie sind», erklärt Muise.
Das Resultat: «Menschen bewerten alle fünf Elemente der Liebessprachen als sehr wichtig. Das ergibt Sinn. Was wäre eine intime Partnerschaft ohne Zeit zu zweit - also Zweisamkeit - oder Gesten der Zuneigung wie Geschenke oder Berührungen?» Deshalb, so Muises Rat, solle man den Test nicht allzu ernst nehmen - sein Ergebnis sei eben nicht unbedingt die präferierte Art, geliebt zu werden.
Generell sei Chapmans Metapher der Liebessprachen nicht passend, meinen Muise und ihre Kollegen. «Wir halten es für hilfreicher, sich die Liebe wie eine ausgewogene Art der Ernährung vorzustellen. Alle Zutaten sind wichtig.» Chapman jedoch benennt einige dieser Zutaten gar nicht erst, wie Muise schreibt. Demnach gibt es weitere Verhaltensweisen, die zur Zufriedenheit in einer Beziehung beitragen, etwa die Entwicklung effektiver Strategien, um mit Konflikten umzugehen, oder die Bereitschaft, den Partner in das eigene soziale Netzwerk zu integrieren.
Paartherapeutin empfiehlt andere Begriffe
Die «Fünf Sprachen der Liebe» seien ein starres Konzept, sagt die Paartherapeutin Nele Sehrt. «Es impliziert, dass wir so und so sind und genauso bleiben. Das ist aber nicht so. Die Neuroplastizität, also die Lern- und Veränderbarkeit, bleibt uns ein Leben lang erhalten.» Deshalb sei es wichtig, sich in einer Beziehung immer wieder gegenseitig über Bedürfnisse und Gefühle upzudaten.
Dabei könne man etwa die Liebessprachen als Anknüpfungspunkte nutzen. Wobei Sehrt andere Begrifflichkeiten als Chapman empfiehlt: «Intimität statt Zärtlichkeit, Wertschätzung statt Lob und Anerkennung, Engagement statt Hilfsbereitschaft, Priorisierung statt Zweisamkeit und ein aufmerksames Miteinander statt Geschenke.»
So würde auch Muise die «Fünf Sprachen der Liebe» am liebsten verstanden wissen: als eine unterhaltsame Möglichkeit, sich mit Partner oder Partnerin darüber auszutauschen, wonach man sich womöglich sehnt.
Missverstehe man das Konzept aber zum Beispiel als Entscheidungsgrundlage beim Dating, könne es durchaus mit Gefahren verbunden sein. «Es gibt keine Belege dafür, dass Partner, die die dieselbe Liebessprache haben, glücklicher miteinander werden als Paare, die in diesem Punkt nicht matchen», sagt die Wissenschaftlerin.
Für problematisch hält Muise außerdem, dass Chapmans Annahmen die Idee unterstützen können, man müsse nur einen möglichst kompatiblen Partner finden - und sei so vor dem Auftreten von Problemen gefeit. «Wir wissen aus der Forschung, dass Beziehungen viel Arbeit und Einsatz erfordern und dass Menschen, die diese Mentalität mitbringen, besser mit Herausforderungen umgehen können als Menschen, die an vorherbestimmte Verbindungen glauben.»
«Beziehungen werden individueller gelebt»
Was sowohl Muise als auch Sehrt grundsätzlich an Chapman kritisieren, sind seine fehlende psychologische Ausbildung und die Stichprobe der Paare, auf der seine Theorie basiert. Sie alle waren verheiratet, religiös, heterosexuell und teilten sehr wahrscheinlich ähnliche traditionelle Werte.
«Sein Konzept bedient Stereotype wie: Frauen wollen Geschenke. Das Buch ist von 1992, heutzutage werden Beziehungen individueller gelebt», so Sehrts Einschätzung. «Es geht nicht mehr darum, sich gegenseitig alle Bedürfnisse zu erfüllen - schließlich gibt es Bedürfnisse, die der Partner gar nicht erfüllen kann und die im Einvernehmen anderweitig gelebt werden.»
Doch wieso sind die «Fünf Sprachen der Liebe» noch immer so populär, dass sogar Teilnehmer von Datingshows wie «Love is blind» auf Netflix sich darauf beziehen? «Menschen lieben intuitive Metaphern, die ihnen dabei helfen, Beziehungen zu verstehen. Und sie machen gerne Tests, um etwas über sich zu erfahren», meint Muise. Für sie als Beziehungswissenschaftlerin bedeute das vor allem eines: «Die Öffentlichkeit ist geradezu hungrig nach Informationen darüber, wie man eine gute Partnerschaft führen kann.»