Computerspiele

Games-Branche unter Druck: Kleine Firmen geben auf

Games-Branche unter Druck: Kleine Firmen geben auf

Games-Branche unter Druck: Kleine Firmen geben auf

dpa
Köln
Zuletzt aktualisiert um:
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) steht bei einem Messerundgang bei der Computerspiele-Messe Gamescom 2022 in einem Simulator und trägt dabei eine Virtual-Reality-Brille. Foto: Henning Kaiser/dpa

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Ob Baller-Spiele, Strategie-Aufgaben oder sportliche Herausforderungen: Mit Games verbringt manch einer viel Zeit. Die Branche hat starkes Wachstum hinter sich, bekommt nun aber einen Dämpfer.

Die Gamescom sollte sein großer Auftritt werden: Als Chef des deutschen Studios Suspicious Games wollte Dennis Quaisser sein «Projekt Waldkauz» vorstellen, ein Abenteuer-Computerspiel mit Monstern und Helden. Drei Jahre hatte sein Team daran gearbeitet, der FilmFernsehFonds Bayern hatte knapp 100.000 Euro Fördergeld bereitgestellt. 

Dann aber kam die bittere Erkenntnis: «Das Geld war aufgebraucht und ein Marktstart nicht in Sicht», erinnert sich der 33-Jährige. «Aufträge anderer Studios für andere Arbeiten hielten uns auch nicht mehr über Wasser.» Im Frühjahr stellte er den Betrieb ein. Am Mittwoch startet die weltgrößte Computerspielemesse Gamescom in Köln - und zwar ohne Suspicious Games.

Kleine Studios kommen in Schieflage

Die Firmenschließung ist kein Einzelfall: Das Münchner Studio Mimimi brachte unlängst sein Spiel «Shadow Gambit: The Cursed Crew» heraus und zog danach den Stecker - das Spiel sei Mimimis «finales Spiel», so die Firma. Auch Flying Sheep aus Köln, Piranha Bytes aus Essen und Threaks aus Hamburg gerieten in einen Abwärtsstrudel. Die Party sei vorbei, hieß es von Threaks, einem 2009 gegründeten Studio, das über die Jahre diverse Branchenpreise bekommen hat für Spiele wie «Retro Invasion». Es herrscht Katerstimmung: Nach dem Corona-Hoch hat sich die Nachfrage abgeschwächt, höhere Zinsen und gestiegene Personalkosten haben Investoren verschreckt.

Branchenwachstum hat sich verlangsamt

Branchenzahlen des Verbandes Game zeigen ein verlangsamtes Wachstum. 2021 schnellte die Zahl der Games-Firmen in Deutschland um 20 Prozent auf 749 in die Höhe, 2023 lag das Plus noch bei 15 Prozent (auf 908). Mitte 2024 waren es 948 Firmen und damit nur vier Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Beschäftigtenzahl bei Entwicklungsstudios und Produzenten (Publishern) beträgt in Deutschland 12.408, was einem Plus von 3,5 Prozent in einem Jahr entspricht. Der Vergleichswert von 2023 lag bei sieben Prozent.

Es sind kleine Studios, denen die Luft ausgeht. Größere Firmen sind auch betroffen, aber nicht so heftig wie die Indie-Studios. 

Grundsätzlich bleibt es eine Wachstumsbranche: Die technischen Möglichkeiten werden besser, die Nachfrage steigt - es wird viel gespielt auf Konsolen, PCs und Smartphones. Die Corona-Jahre waren für die Branche eine Art Sonderkonjunkturprogramm - die Menschen waren viel daheim, also kauften sie kräftig ein für das digitale Daddeln. 2020 schnellte der Umsatz mit Games und Hardware um 32 Prozent nach oben und 2021 um 17 Prozent. Später schwächte sich das Wachstum ab, inzwischen ist man im Minus: Im ersten Halbjahr 2024 sank der Umsatz um acht Prozent.

Deutscher Anteil am Gamesgeschäft nur klein

Von dem Milliardengeschäft bekommt die deutsche Entwicklerszene nur einen kleinen Anteil, schätzungsweise fünf Prozent der Erlöse entfallen auf Spiele, die in Deutschland entwickelt wurden. Hiervon wiederum bekommen Branchengrößen wie Ubisoft («Anno 1800») den Löwenanteil, also internationale Konzerne mit starken Deutschland-Standorten. Es gibt nur wenige größere Studios, die in deutscher Hand sind, etwa Crytek aus Frankfurt mit dem Shooter-Spiel «Hunt: Showdown 1896». Hinzu kommen viele kleine Studios. 

Firmen mit ausländischen Müttern geht es besser

Eine Nummer größer als die Start-ups ist Deck 13 aus Frankfurt mit 90 Mitarbeitenden. Die Firma habe sich sehr stabil entwickelt, sagt Geschäftsführer Lars Janssen. «Unsere französische Mutterfirma PulluP Entertainment sorgt für die finanzielle Sicherheit, Projekte im zweistelligen Millionenbereich entwickeln zu können.» Einen Stellenabbau plane man nicht, man werde vielmehr «sehr moderat wachsen». Der Manager sagt, dass man mit Blick auf die allgemeine Marktentwicklung «derzeit sehr risikobewusst unterwegs» sei. 

Während Deck 13 auch dank der französischen Mutter relativ gut dasteht, kommen kleine unabhängige Studios unter die Räder. Der frühere Suspicious-Games-Chef Quaisser räumt ein, es sei letztlich absehbar gewesen, dass der Markt sich nach dem Corona-Hoch konsolidiert. «Wir hatten gehofft, dass wir es überstehen, wenn es mal abwärtsgeht - leider hat sich die Hoffnung nicht erfüllt», sagt der frühere Chef des Sechs-Mitarbeiter-Start-ups. Er hat inzwischen als Angestellter bei dem Studio Pixel Maniacs angeheuert. 

Sorgen beim Branchenverband

Beim Branchenverband Game sieht man die Entwicklung mit Sorgen. Der Verband moniert, dass die Rahmenbedingungen in anderen Staaten wie Frankreich und Kanada besser seien. Dass das Bundeswirtschaftsministerium im Mai 2023 einen Annahmestopp für Förderanträge verhängte und wohl erst Anfang 2025 neue Anträge eingereicht werden können, bewertet Game als dicken Nachteil. 

50 Millionen Euro an Bundesmitteln stehen für 2024 bereit. Diese Förderung fließt aber komplett in Projekte, die vor Mai 2023 eingereicht wurden und schrittweise über mehrere Jahre Geld bekommen. 

Wirtschaftsministerium spricht von Erfolg

Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums wertet es positiv, dass die Anzahl der Game-Firmen und Beschäftigten in Deutschland weiter wachse. 2025 wolle man erneut 50 Millionen Euro Bundesfördermittel bereitstellen. «Vor dem Hintergrund der aktuell sehr angespannten Haushaltssituation ist dies ein Erfolg und ein wichtiges Signal für die Games-Branche.» Der Verband Game fordert deutlich mehr Fördergeld. Ressortchef Robert Habeck (Grüne) wird bei der diesjährigen Gamescom als Gast erwartet, er hatte das Event bereits im Vorjahr besucht.

Im vergangenen November hatte der Haushaltsausschuss des Bundestages überraschend entschieden, dass die Bundeskulturbeauftragte Claudia Roth (Grüne) für drei Jahre insgesamt 100 Millionen Euro bekommen soll. Die erste Tranche davon - also 33,3 Millionen Euro für 2024 - lässt aber noch immer auf sich warten. Eine Sprecherin der Bundeskulturbeauftragten sagt, man sei bezüglich der Umsetzung der Förderung in Abstimmungen mit dem Bundeswirtschaftsministerium. «Die damit verbundenen Fragestellungen sind sehr komplex.» 

Mehr lesen