Coronakrise

Minister Garg: Ausgangssperre in Schleswig-Holstein „denkbar“

Minister Garg: Ausgangssperre in Schleswig-Holstein „denkbar“

Minister Garg: Ausgangssperre in Schleswig-Holstein „denkbar

dpa/hm
Kiel
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Heiner Garg (FDP), Minister für Gesundheit von Schleswig-Holstein, gibt Journalisten im Landtag mit großem Abstand ein Interview. Der Minister hält eine Ausgangssperre für „denkbar". Foto: Frank Molter/dpa

Droht nach dem Touristenstopp in Schleswig-Holstein jetzt auch noch eine Ausgangssperre für die Einwohner? Gesundheitsminister Garg hält das für „denkbar“, falls die bisherigen Maßnahmen von den Menschen nicht befolgt würden. Schulen und Kitas verlängern ihre Notbetreuung.

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie hat der schleswig-holsteinische Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) eine Ausgangssperre für das Bundesland nicht mehr ausgeschlossen. „Wenn sich die Menschen nicht an die bisher beschlossenen Maßnahmen halten, dann ist als allerletztes Mittel oder ein Mittel der Wahl auch eine Ausgangssperre denkbar“, sagte Garg dem „Schleswig-Holstein Magazin“ des NDR. „Wer immer noch meint, wir befinden uns hier auf einem Abenteuerspielplatz und proben gerade mal, der ist schief gewickelt.“

Garg appellierte an die Schleswig-Holsteiner, sich solidarisch zu zeigen - insbesondere mit der Generation der Eltern und Großeltern sowie mit den Menschen, die ein geschwächtes Immunsystem haben. „Wir tun das, um die Menschen zu schützen und irgendwann, wenn die Krise vorbei ist, auch unser Leben zurückzubekommen.“

Auch in Schleswig-Holstein steigt die Zahl der Infizierten

Unterdessen stieg die Zahl der bestätigten Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus in Schleswig-Holstein von 196 auf 253 Fälle - das ist ein Anstieg von 29 Prozent innerhalb eines Tages. Erfasst wurden die bis einschließlich Mittwoch gemeldeten Nachweise. 13 Patienten befinden sich mittlerweile in klinischer Behandlung, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Bislang wurde weiterhin ein Todesfall im Zusammenhang mit der Viruserkrankung gemeldet.

Corona-Diagnosezentren werden errichtet

Die Kassenärztliche Vereinigung (KVSH) hat in Schleswig-Holstein an zehn Standorten Diagnosezentren für konkrete Corona-Verdachtsfälle errichtet. Weitere sind im Aufbau, wie die KVSH mitteilte. Dort sollen Abstriche von Risikopersonen genommen werden, die sich über die Behördennummer 116117 gemeldet haben. Ziel ist es, Arztpraxen sowie Kliniken zu entlasten und das Infektionsrisiko zu senken.

Die KVSH appellierte, die Diagnosezentren nicht auf eigene Initiative aufzusuchen. „Die Menge der Testkits und die Kapazitäten der Labore sind endlich, so dass nur medizinisch notwendige Testabstriche genommen werden können.“ Die Patienten werden nach einem Test telefonisch über das Ergebnis informiert. Dies kann bis zu zwei Tage dauern. Bis zum Vorliegen der Ergebnisse sollten Patienten zuhause bleiben. Nach Angaben der KVSH wurde die Leitstelle personell mittlerweile verstärkt. Dennoch könne es aufgrund der anhaltend hohen Zahl von Anrufen weiter Wartezeiten geben.

Die Notbetreuung in Kitas und in einzelnen Schulen für Kinder von Mitarbeitern aus den Bereichen Gesundheit, Polizei, Feuerwehr oder Lebensmittelgeschäften wurde von der Landesregierung bis zum 19. April - dem Ende der Osterferien - verlängert.

Kieler Woche im September

Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wird die Kieler Woche verschoben. Das Sommerfest mit Millionenpublikum findet wegen der Corona-Krise erst Anfang September statt. Die Entscheidung sei nicht leicht gefallen, sagt Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD). Traditionell findet das nach Angaben der Veranstalter größte Sommerfest Nordeuropas Ende Juni statt. Die 126. Auflage des Segel-Spektakels ist nun vom 5. bis 13. September geplant. Im vergangenen Sommer hatten nach Schätzungen der Stadt mehr als 3,5 Millionen Besucher aus gut 70 Ländern die 125. Kieler Woche besucht. Zum weltgrößten Segelereignis kamen 2019 fast 4000 Sportler aus über 50 Nationen.

Hotel- und Gastronomiebranche kämpft ums Überleben

Nach dem Runterfahren des öffentlichen Lebens inklusive Tourismus-Stopp kämpft die Hotel- und Gastronomiebranche Schleswig-Holsteins ums Überleben. „Wir befürchten, dass bis zu 75 Prozent unserer 5200 Betriebe mit mehr als 80 000 Beschäftigten betroffen sind“, sagte der Geschäftsführer des Branchenverbandes Dehoga, Stefan Scholtis, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Diese Betriebe lebten vorwiegend vom Tourismus.

Hintergrund ist ein Erlass der Landesregierung, das alle Beherbergungsstätten für touristische Zwecke sowie alle Restaurants schließen müssen. Bis Donnerstag mussten alle Touristen das nördlichste Bundesland verlassen haben. Selbst Tagestouristen dürfen das Land derzeit nicht besuchen.

Bei einer Telefonkonferenz mit Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und Tourismus-Minister Bernd Buchholz (FDP) habe die Dehoga-Spitze am Donnerstag deutlich gemacht, dass staatliche Hilfen kurzfristig zur Verfügung gestellt werden müssten, die aber langfristig angelegt seien. „Eine denkbare Möglichkeit wären zins- und tilgungslose Darlehen über mehrere Jahre“, sagte Scholtis. Kurzfristige Kredite würden nicht helfen.

Einreiseverbotsschilder an Autobahnen

Mit Hinweisschildern an Autobahnen und Bundesstraßen weist Schleswig-Holstein jetzt Touristen auf das Einreiseverbot hin. Die ersten Leucht-Warnschilder sind laut Wirtschaftsministerium an der A7 am Horster und Buchholzer Dreieck mit dem Hinweis „Schleswig-Holstein für Touristen gesperrt“ bereits in Betrieb.

Noch keine Kontrollen des Verbots

Die Polizei plant bislang aber keine gezielten Kontrollen des Verbots. „Wir setzen nach wie vor auf die Besonnenheit der Menschen“, sagte der Sprecher des Landespolizeiamts, Uwe Keller, der dpa. Diese sei bislang weitgehend vorhanden. „Wir hoffen deshalb, dass wir keine weiteren Maßnahmen ergreifen müssen.“ Ausnahme sind allerdings die Fehmarnsundbrücke und die Fähranleger zu den Inseln. Dort gebe es Sichtkontrollen der Polizei.

Am Donnerstag sollten auch an der Elbquerung Glückstadt-Wischhafen im Zuge der Bundesstraße 495, an der Elbquerung bei Geesthacht (B404), an der Elbquerung bei Lauenburg (B209) sowie an der A20 bei Wakenitz und der A24 bei Gudow entsprechende Schilder aufgestellt werden. „Damit wollen wir Reisende aus dem Süden sowie aus Mecklenburg-Vorpommern und aus Berlin sensibilisieren und auf das Aufenthaltsverbot hinweisen“, sagte Wirtschaftsminister Buchholz.

Sonntags-Fahrverbot aufgehoben

Außerdem hat die Landesregierung in Kiel das Sonn- und Feiertags-Fahrverbot für Laster mittlerweile bis zum 26. April ganz aufgehoben. Dies soll angesichts der Öffnung von Supermärkten auch an Sonntagen den Waren-Nachschub gewährleisten. „Noch sind keinerlei Versorgungsengpässe bekannt, allerdings könnten die eingeführten Kontrollen an der Grenze zu Dänemark zu längeren Wartezeiten führen“, sagte Buchholz.

Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) lobte das vom Bund geplante Hilfspaket für Solo-Selbständige und andere Kleinstfirmen. „Es ist goldrichtig, dass nun auch der Bund die aktuelle Lage als Notfallsituation einstufen will“, sagte Heinold am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. „Die vom Bund angekündigte Hilfe ist zwingend notwendig, es braucht einen hohen Milliarden-Betrag, um ein starkes und wirksames Hilfspaket auf den Weg zu bringen.“

Bundesregierung plant Hilfspaket in Höhe von 40 Milliarden Euro

Die Bundesregierung plant angesichts von Existenznöten ein Hilfspaket von über 40 Milliarden Euro für Millionen von Solo-Selbstständigen und andere Kleinstfirmen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen. Im Gespräch sind demnach direkte Zuschüsse, um Pleiten zu verhindern.

Schleswig-Holsteins Landtag hatte bereits am Mittwoch einstimmig ein Nothilfeprogramm in Höhe von 500 Millionen Euro beschlossen. Damit will die Koalition aus CDU, Grünen und FDP dann helfen, wenn Bundeshilfen und Versicherungsleistungen nicht greifen.

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