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UNAIDS: Weltweiter Kampf gegen Aids und HIV am Scheideweg

UNAIDS: Weltweiter Kampf gegen Aids und HIV am Scheideweg

UNAIDS: Weltweiter Kampf gegen Aids und HIV am Scheideweg

dpa
München/Genf
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Tobias Weismantel, Geschäftsführer der Münchner Aids-Hilfe, unterstreicht die Bedeutung weltweiter Zusammenarbeit. Foto: Sabine Dobel/dpa

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Kann Aids überwunden werden? Es gibt große Erfolge, doch das Programm der Vereinten Nationen gegen Aids (UNAIDS) warnt: Fortschritte sind in Gefahr.

Trotz großer Erfolge im Kampf gegen Aids sind die Vereinten Nationen noch weit von ihrem Ziel entfernt, die Immunschwäche-Krankheit bis 2030 weitgehend zu besiegen. «Der Weg, der Aids beendet, ist kein Geheimnis. Es ist eine politische und finanzielle Entscheidung», betonte das UN-Programm für die Bekämpfung von Aids, UNAIDS, bei der Veröffentlichung seines neuen Reports. Immer noch sterbe jede Minute ein Mensch an den Folgen von Aids. 

Wenn die Verantwortlichen jetzt die Mittel aufstocken und unter anderem die Rechte von besonders betroffenen Gruppen schützten, könne das UN-Ziel für 2030 noch erreicht werden. Zu diesen Gruppen zählen Männer, die Sex mit Männern haben, Transgender-Menschen, Sexarbeitende und Menschen, die Drogen injizieren.

Finanzkürzungen, Diskriminierung und eine zunehmende Beschneidung der Menschenrechte gefährdeten dagegen bisherige Fortschritte, mahnte UNAIDS zum Start Welt-Aids-Konferenz in München. Erfolge im Kampf gegen Aids gebe es insbesondere in Afrika südlich der Sahara, obwohl dort die Zahlen weiter hoch sind. Vor allem in der Region Osteuropa und Zentralasien stiegen jedoch die Infektionen. 

Weit von Zwischenziel entfernt 

Im vergangenen Jahr infizierten sich nach Daten des Reports rund 1,3 Millionen Menschen neu mit dem Virus. Als Zwischenziel sollten die jährlichen Neuinfektionen bis 2025 auf unter 370.000 gesenkt werden - im Jahr 2023 lag die Zahl damit aber immer noch 3,5-mal so hoch. 

Die Zahl der Todesfälle infolge von Aids war mit 630.000 zwar nur noch halb so hoch wie noch 2010. Die Welt sei jedoch nicht auf Kurs, um das Zwischenziel für 2025 zu erreichen, die Aids-bedingten Todesfälle auf unter 250.000 zu reduzieren.

Auch wenn die Zahl der Menschen mit antiviraler Behandlung gestiegen ist: Noch immer hat fast jeder vierte Betroffene keinen Zugang zu lebensrettenden Medikamenten - die auch eine Weiterverbreitung des Virus verhindern. Ausgerechnet Kinder sind erheblich benachteiligt: Haben von den Infizierten ab 15 Jahren 77 Prozent Zugang, so sind es bei den Kindern bis 14 Jahren nur 57 Prozent.

 

Die UN wollen Neuinfektionen und Aids-assoziierte Todesfälle von 2010 bis 2030 um über 90 Prozent senken. Die Entscheidungen, die Staats- und Regierungschefs in diesem Jahr treffen, werden laut UNAIDS darüber bestimmen, ob dieses Ziel erreicht wird und Aids bis 2030 damit nicht mehr als Bedrohung für die öffentliche Gesundheit angesehen werden müsse. 

Millionen Leben retten

«Staats- und Regierungschefs können Millionen von Leben retten, Millionen neuer HIV-Infektionen verhindern und erreichen, dass alle Menschen mit HIV ein gesundes, erfülltes Leben führen können», mahnte Winnie Byanyima, Exekutivdirektorin von UNAIDS. Wichtig seien genügend Mittel zur Bekämpfung von HIV und der Schutz der Menschenrechte aller. 

Dem Report zufolge könnte sich die Zahl der mit HIV Lebenden, die eine lebenslange Behandlung benötigen, bis 2050 auf etwa 29 Millionen stabilisieren, wenn die Politik jetzt die notwendigen Maßnahmen ergreife. Es werde deutlich höhere Kosten verursachen, wenn Aids nicht entsprechend bekämpft werde. Dann könne einer Studie zufolge die Zahl der Menschen, die lebenslange Unterstützung benötigen, auf 46 Millionen steigen. Im Jahr 2023 waren es 39,9 Millionen. 

Erfolg im südlichen Afrika, Sorge um Osteuropa 

Die HIV-Neuinfektionen gingen laut UNAIDS seit 2010 weltweit um 39 Prozent zurück, im östlichen und südlichen Afrika sogar um 59 Prozent. In drei Regionen der Welt sei die Zahl der Neuinfektionen jedoch gestiegen: in Lateinamerika sowie in der Region Naher Osten und Nordafrika, vor allem aber in der Region Osteuropa und Zentralasien. In letzterer scheine angesichts politischer und finanzieller Herausforderungen die HIV-Bekämpfung gefährlich aus der Bahn zu geraten zu sein. 

2023 wurden in der Region Osteuropa und Zentralasien 140.000 neue Infektionen gemeldet, ein Anstieg um 20 Prozent im Vergleich zu 2010. Die weitaus meisten der neuen HIV-Infektionen konzentrieren sich auf Russland, die Ukraine, Usbekistan und Kasachstan. Die Region ist zudem die einzige weltweit, in der sich die Zahl der Aids-bedingten Todesfälle seit 2010 erhöhte, und zwar um 34 Prozent auf 44.000 Tote im Jahr 2023. Test- und Behandlungsprogramme seien für viele Menschen in der Region nicht verfügbar - das gelte besonders für die am stärksten betroffenen Gruppen wie Sexarbeitende, Männer, die Sex mit Männern haben, Transgender-Menschen und Menschen, die Drogen injizieren. 

Stigmatisierung erschwert Zugang zu Hilfe 

Die Herausforderungen in der Region Osteuropa und Zentralasien seien enorm, bedingt durch restriktive Gesetze, Stigmatisierung und eine unzureichende Ausweitung der HIV-Präventionsmaßnahmen für Risikogruppen, berichtete UNAIDS weiter. 

Stigmatisierung und Diskriminierung unter anderem gegenüber diesen Gruppen erschwerten auch andernorts den Zugang zu Prävention und Behandlung. Diese Menschen und ihre Sexualpartner machten weltweit einen höheren Anteil an den weltweiten Neuinfektionen aus als noch 2010. Damals waren es 45 Prozent, 2022 bereits rund 55 Prozent. Für 2023 gab es keine Zahl.

Die Verwendung von Kondomen bleibe die wirksamste und kostengünstigste Methode zur HIV-Prävention, jedoch werden sie Experten zufolge immer weniger genutzt. Der Zugang zu Mitteln zur Prävention von Infektionen wie der medikamentösen Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) sei außer in wohlhabenden Ländern gering.

Finanzielle Mittel fehlen 

Die globalen Finanzmittel für den Kampf gegen HIV in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen gehen laut UNAIDS zurück. 2023 sanken sie im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent auf 19,8 Milliarden US-Dollar (18,2 Milliarden Euro). Sie lagen damit um 9,5 Milliarden unter dem bis 2025 benötigten Betrag von 29,3 Milliarden US-Dollar. Die inländische Finanzierung gerade in ärmeren Ländern werde auch durch die Schuldenkrise eingeschränkt und verringerte sich von 2022 auf 2023 um sechs Prozent.

Sabine Dittmar, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium betonte, ihr Ministerium stelle 2024 für UNAIDS rund 6,75 Millionen Euro zur Verfügung. Sie sei froh, dass diese Mittel stabil gehalten werden konnten, sagte sie in München bei der Vorstellung der neuen Zahlen. Zudem engagiere sich Deutschland in den Jahren 2023 bis 2025 mit rund 1,4 Millionen Euro beim Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria.

 

 


 

 

 

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