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Verfassungsschutz soll auf Chatdienste zugreifen dürfen

Verfassungsschutz soll auf Chatdienste zugreifen dürfen

Verfassungsschutz soll auf Chatdienste zugreifen dürfen

dpa
Berlin
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Union und SPD halten es für notwendig, dass der Verfassungsschutz in Zukunft nicht nur SMS mutmaßlicher Extremisten mitlesen kann, sondern auch verschlüsselte Chats etwa in WhatsApp. Foto: Silas Stein/dpa

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Die Verschlüsselung in Chatdiensten ist Behörden schon lange ein Dorn im Auge. In Deutschland soll es nun eine rechtliche Grundlage für den Zugriff geben. Die Branche warnt vor weniger Sicherheit für alle.

Union und SPD halten es für notwendig, dass der Verfassungsschutz in Zukunft nicht nur SMS mutmaßlicher Extremisten mitlesen kann, sondern auch verschlüsselte Chats.

Bei der Opposition stieß ein Gesetzentwurf der Bundesregierung, der dem Inlandsgeheimdienst die Quellen-Telekommunikationsüberwachung erlaubt, dagegen am Freitag auf großen Widerstand. Auch aus der Tech-Industrie kam Kritik.

Bei klassischen SMS-Nachrichten ist es schon lange so, dass Telekommunikations-Anbieter Behörden die Überwachung ermöglichen müssen. Chatdienste wie WhatsApp, Signal, Threema oder Apples iMessage setzen dagegen auf sogenannte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Dabei sind Inhalte der Kommunikation generell nur für die beteiligten Nutzer, aber nicht einmal für die Anbieter selbst zugänglich.

Zugleich werden die Chats bei der Nutzung einiger Backup-Dienste zwar verschlüsselt, aber potenziell für die Plattform-Betreiber einsehbar gespeichert. Bisher sind Behörden darauf angewiesen, auf solche Backups zu hoffen, sowie über Schwachstellen oder Späh-Software die Inhalte direkt von den Geräten abzugreifen, bevor die Daten zur Übermittlung verschlüsselt wurden bzw. nach der Entschlüsselung.

Seit Jahren gibt es unter anderem in Großbritannien und den USA bisher erfolglose Versuche, Hintertüren für Behörden zum direkten Zugriff auf verschlüsselte Kommunikation vorzuschreiben. Die Tech-Industrie wehrt sich dagegen mit dem Einwand, dass solche Lücken auch von Kriminellen missbraucht werden könnten.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass auch Anbieter verschlüsselter Chatdienste verpflichtet werden, «die Einbringung von technischen Mitteln zur Durchführung einer Maßnahme nach § 11 Absatz 1a durch Unterstützung bei der Umleitung von Telekommunikation durch die berechtigte Stelle zu ermöglichen». In Paragraf 11 geht es um Überwachung und Aufzeichnung laufender Telekommunikation.

Der Digitalverband Bitkom mahnte, erweiterte Überwachungsbefugnisse dürften nicht das Vertrauen von Verbrauchern und Unternehmen in die Sicherheit ihrer Kommunikation zerstören. Bitkom-Präsident Achim Berg forderte einen breiten Dialog. «Mit einem regulatorischen Schnellschuss erweist man der Cybersicherheit einen Bärendienst.»

Der zu Facebook gehörende Chatdienst WhatsApp kritisierte die Vorschläge als «eine Gefahr für die Privatsphäre und IT-Sicherheit aller». Das deutsche Verfassungsschutzrecht wäre damit «potenziell eines der aggressivsten Überwachungsgesetze».

Während der ersten Beratung im Bundestag sagte Jens Maier (AfD), das Vorhaben stelle einen weiteren Schritt «in Richtung Totalüberwachung der Gesellschaft» dar. Maier wird der Rechtsaußen-Strömung in der AfD um den Thüringer Landeschef Björn Höcke zugerechnet, die das Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremistische Bestrebung einstuft und mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet.

Scharfe Kritik kam aber auch von der FDP, der Linksfraktion und vom Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz. Er forderte eine umfassende Reform des Verfassungsschutzes und eine bessere Kontrolle des Einsatzes sogenannter V-Personen. Das sind Menschen, die zur Gewinnung von Erkenntnissen aus bestimmten Milieus - etwa der Neonazi-Szene - angeworben werden. Benjamin Strasser (FDP) warnte, es sei fahrlässig, Sicherheitslücken in der Messenger-Software nicht zu schließen.

Thorsten Frei (CDU) sagte: «Wir wollen verhindern, dass unser Verfassungsschutz und unsere Sicherheitsbehörden blind werden in der digitalen Welt». Es sei niemandem zu erklären, weshalb für die Nachrichtendienste die Überwachung per Telefon und SMS erlaubt, das Abhören und Mitlesen von Kommunikation über Messenger-Dienste wie Skype oder WhatsApp aber verboten sei. «Wir können nicht von unseren Behörden erwarten, mit Methoden aus der Vergangenheit Anschläge in der Zukunft zu verhindern», sagte der SPD-Innenpolitiker Uli Grötsch. Die Quellen-Telekommunikationsüberwachung werde nicht gegen unbescholtene Bürger eingesetzt, sondern nur innerhalb enger Grenzen und nur nach unabhängiger Prüfung. Oberstes Ziel der geplanten Reform sei die Bekämpfung des Rechtsterrorismus.

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