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Hausarzt Hans-Iver Kley über die Abnehmspritze: „Die Leute kommen zuhauf“

Hausarzt Hans-Iver Kley über die Abnehmspritze: „Die Leute kommen zuhauf“

Hausarzt Kley über Abnehmspritze: „Die Leute kommen zuhauf“

Kopenhagen/Hadersleben
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Hausarzt Hans-Iver Kley bestätigt die Nachfrage nach der Abnehmspritze. Für ihn kann sie aber nur Teil der Lösung sein. Foto: Karin Riggelsen

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Abnehmen ist Arbeit, eine Abnehmspritze verspricht da eine gewisse Erleichterung des Weges. Für Hausarzt Hans-Iver Kley aus Hadersleben kann sie nur ein Baustein sein. Er hat eine Idee, wie sich die Ernährungsgewohnheiten positiv beeinflussen lassen.

Die Zahl der Menschen in Dänemark, die ein Rezept für ein Medikament zur Gewichtsreduktion eingelöst haben, ist im Zeitraum 2021 bis 2023 sprunghaft gestiegen. Dies zeigen Zahlen der dänischen Statistikbehörde Danmarks Statistik; die Behörde hat einen Bericht zu diesem Thema herausgebracht. Demnach haben 0,3 Prozent der Erwachsenen im Land 2021 ein solches Rezept eingelöst, insgesamt 15.200 Personen. 2023 waren es 117.500 Personen, was 2,4 Prozent der Bevölkerung im Erwachsenenalter entspricht.

Danmarks Statistik führt die Zunahme unter anderem auf die Markteinführung des Abnehm-Medikaments Wegovy Flextouch zurück, das im Dezember 2022 auf den Markt kam. Es wird bei einem sogenannten Body-Mass-Index (BMI) von über 30 verschrieben. Liegen bestimmte Krankheiten bereits vor, kann es auch unter dem genannten Wert verordnet werden. Das Medikament wird gespritzt. Laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) wird bei Erwachsenen von Übergewicht gesprochen, wenn der BMI größer/gleich 25 ist, bei über 30 handelt es sich um starkes Übergewicht (Adipositas).

Allerdings: Laut Danmarks Statistik nutzten um die Jahrtausendwende 3,1 Prozent der erwachsenen Bevölkerung ein Abnehm-Medikament. Als das damals weitverbreitete Medikament Letigen vom Markt genommen wurde, fiel der Prozentsatz auf 0,3 im Jahr 2003. Jahrelang blieb der Wert dann vergleichsweise niedrig. 

Der Wirkstoff in dem Medikament Wegovy ist Semaglutid, das auch bei der Behandlung von Typ-2-Diabetes zum Einsatz kommt, wenn der Blutzucker schwer einzustellen ist. Semaglutid senkt den Blutzuckerspiegel – und den Hunger, was es als Abnehm-Mittel interessant macht. Unter dem Namen Ozempic ist es seit einigen Jahren als Diabetes-Medikament zugelassen. 

Weniger Hunger

Die Menge des Wirkstoffes unterscheidet sich in beiden Medikamenten, in Wegovy ist die Dosierung höher. Beide Medikamente sind teuer. Während es aber in Dänemark für Diabetikerinnen und Diabetiker einen Zuschuss für Ozempic gibt, muss Wegovy von Menschen, die abnehmen wollen, aus eigener Tasche finanziert werden. 

Vor allem Frauen nutzen Abnehmspritze

Danmarks Statistik hat sich auch angeschaut, welche Bevölkerungsgruppe auf Abnehm-Medikamente setzt. 72 Prozent der Nutzenden waren Frauen, 28 Prozent Männer. Vor allem in der Altersgruppe 50 bis 59 finden die Medikamente Zuspruch. Wegovy hat seinen Preis, so ist es nicht verwunderlich, dass die Nutzung mit dem Einkommen zunimmt. Auch geografisch gibt es Unterschiede. 

Pro Einwohnende nutzen in Kommunen auf Seeland die meisten Menschen Abnehm-Medikament. Spitzenreiter ist Tårnby mit 2,9 Prozent. In Nordschleswig liegt die Prozentzahl mit 1 bis 2 Prozent vergleichsweise niedrig. Auf Læsø verwenden besonders wenige Einwohnende die genannten Medikamente. 

„Die Leute kommen zuhauf“

Dass die Nachfrage nach der Abnehmspritze groß ist, bestätigt Hans-Iver Kley, Hausarzt in Hadersleben. „Die Leute kommen zuhauf. In unserer Gemeinschaftspraxis, wir sind zu viert, haben wir das Medikament anfangs aber nicht verschrieben.“ Mittlerweile würden sie es – unter Auflagen, so Kley. Der BMI müsse über 30 liegen, der Patient, oder die Patientin dürfe keine Krankheiten haben, die gegen eine Verwendung spreche. Wichtig ist Hans-Iver Kley Folgendes:  regelmäßige Kontrolle und eine Veränderung des Lebensstils. Die Spritze allein könne es nicht sein. Die Ernährung muss aus seiner Sicht umgestellt werden, damit sich langfristig ein Erfolg einstellt – und der Geldbeutel nicht so belastet wird. „Ansonsten legt man wieder zu, wenn man das Medikament absetzt.“ Nach Kleys Worten praktizieren aber nicht alle Kolleginnen und Kollegen einen solchen restriktiven Umgang mit dem Medikament. 

Knapp ein Fünftel ist stark übergewichtig

Die Statistiker von Danmarks Statistik verweisen auf einen Bericht der Gesundheitsbehörde, laut dem 18,7 Prozent der Menschen im Land über 16 Jahre einen Body-Mass-Index (BMI) von über 30 haben und damit stark übergewichtig sind. 

Eine Zahl, die Hans-Iver Kley bekümmert. Er sieht die gesundheitlichen Folgen – Herz-Kreislauf-Krankheiten, überbelastete Gelenke und Knochen. Appelle, sich gesund zu ernähren, reichen seiner Erfahrung nach nicht. Diese erreichten nur wenige. Er kann stattdessen einer flexiblen Besteuerung von Lebensmitteln viel abgewinnen. Keine Mehrwertsteuer auf Gemüse, dafür eine hohe auf fett- und zuckerreiche Lebensmittel. „Es muss übers Portemonnaie gehen“, so Kley. 

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