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„Indigene Völker Russlands mit Appell an Soldaten: Bleibt zu Hause, legt die Waffen nieder!“

Bleibt zu Hause, legt die Waffen nieder!

Bleibt zu Hause, legt die Waffen nieder!

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Apenrade/Brüssel
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Für Opposition oder freie Meinungsäußerung eignen sich in Russland nur noch die Mutigsten, nachdem das Land sich in den vergangenen Jahren zu einer Autokratie entwickelt hat, schreibt Jan Diedrichsen in seiner Kolumne.

In den vergangenen Jahren hat sich Russland Schritt für Schritt unter unser aller Augen zu einer Autokratie gewandelt. Die Tschetschenien-Kriege, die Putin an die Macht gespült haben, 2008 der Krieg gegen Georgien, 2014 der Angriff auf die Ukraine, die russischen Kriegsverbrechen in Syrien. Eine lange Liste der Warnzeichen, auf welch katastrophalem Weg sich Russland befindet. Und nun, nach Beginn des Angriffs auf die Ukraine, hat sich die innenpolitische Lage so verschärft, dass von diktatorischen Verhältnissen gesprochen werden muss.

Für Opposition oder freie Meinungsäußerung eignen sich derzeit nur noch die Mutigsten. Denn wer sich äußert, muss gewillt sein, mehrere Jahre ins Gefängnis zu gehen oder Schlimmeres in Kauf zu nehmen. Was das für die indigenen Völker, Nationalitäten und Minderheiten der Russischen Föderation bedeutet, wird sich erst in Zukunft zeigen. Zivilgesellschaftliche Freiräume, die in den vergangenen Jahrzehnten erkämpft wurden, sind zerstört. Resignation und Verzweiflung machen sich breit.

Die Geschichte des russischen Reiches wird oft als russische Nationalgeschichte missverstanden. Russland besteht nicht nur aus Russen. Es gibt über 100 indigene Völker, Nationalitäten und Minderheiten, die derzeit entweder in die „innere Emigration“ gehen, sich der Putin-Propaganda andienen oder das Land verlassen.

Es mehren sich die Berichte von jungen Männern, Angehörigen der indigenen Völker und Nationalitäten Russlands, die losziehen und der Propaganda des Kreml folgen, sich durch die freiwillige Meldung für den Waffendienst eine bessere Zukunft buchstäblich zu erkämpfen suchen.   

In einem dramatischen Appell haben sich mehrere Organisationen der indigenen Völker und Nationalitäten Russlands an die Soldaten der russischen Invasionsarmee gewandt. An dem Aufruf beteiligen sich das Internationale Komitee der indigenen Völker Russlands, der Kongress des Oirat-Kalmyken-Volkes, die Burjatische demokratische Bewegung, die Nationale Bewegung der Völker des Nordens:

„Der imperiale Chauvinismus, den Putin seit 20 Jahren hegt, treibt dich heute zu dem Blutbad in der Ukraine, um den Freiheitswillen des ukrainischen Volkes zu unterdrücken.

Aber nur die Freiheit gibt jedem Volk die Möglichkeit, über das eigene Land zu entscheiden, sich voll zu entwickeln, die Sprache, Kultur und Traditionen zu bewahren und zu den zivilisierten Nationen zu gehören. Derzeit zeigen die Ukrainerinnen und Ukrainer allen, wie man sein Heimatland, sein Volk und seine Lebensweise lieben kann. Sie verteidigen heute nicht nur ihre Freiheit, sondern auch die Freiheit der Völker Russlands, deren Schicksal sich jetzt in der Ukraine entscheidet.

Soldaten Russlands! Heute habt ihr die Möglichkeit, euer Leben, die Zukunft eurer Völker und das Leben Tausender unschuldiger Einwohner der Ukraine zu retten. Beendet eure Beteiligung an dem Krieg. Lasse nicht zu, dass du und deine Kameraden in den Krieg geschickt werdet. Sabotiert die Befehle eurer Vorgesetzten, die verlangen, Ukrainer zu töten und ukrainische Städte zu zerstören.

Man droht euch mit Strafe, mit Gefängnis. Aber dafür werdet ihr nicht erschossen! Ihr werdet am Leben bleiben! Es gibt bereits Beispiele dafür, dass Soldaten der Nationalgarde sich weigerten, die ukrainische Grenze zu überschreiten, weil dies illegal ist und gegen russisches Recht verstößt. Sie wurden bestraft, sie wurden aus dem Dienst entlassen, kehrten aber lebend zu ihren Angehörigen zurück.

Sterbe nicht für die Paläste, Jachten und Milliarden von Putin und seinen Freunden. Gebe nicht dein junges Leben für ihren Besitz her. Begehe nicht die Sünde, Zivilisten – Kinder, Frauen und ältere Menschen – zu töten. Jeder von uns muss ein Mensch bleiben.

Deine Familien und Angehörigen warten zu Hause auf dich. Eure unterdrückten, armen, aber einheimischen Republiken, Bezirke und Dörfer, deren Zukunft von jedem einzelnen von euch abhängt, warten auf euch.

Krieg ist ein Verbrechen!

Treffe eine ehrliche Wahl!

Bleib zu Hause – sagt Nein zum Krieg!“

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