Russische Invasion

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

dpa
Kiew
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Ein Soldat der Kampfmittelabwehr (Explosive Ordnance Disposal, EOD) bei der Arbeit. Foto: -/Ukrinform/dpa

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Wenn die Ukraine russische Waffen in die Hand bekommt, untersucht sie, woher die Einzelteile stammmen. Oft sind Elektronikteile verbaut, die eigentlich Sanktionen unterliegen. Die News im Überblick.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert schärfere Techniksanktionen. «Die Sanktionen gegen Russland müssen ausgeweitet und verstärkt werden», sagte Selenskyj in einer Videoansprache.

In den Kampfdrohnen und Raketen, die Russland gegen die Ukraine einsetze, seien viele Teile aus anderen Ländern verbaut, auch von westlichen Firmen, sagte Selenskyj. Moskau könne die Sanktionen zu leicht umgehen. Jeder russische Angriff auf die ukrainische Infrastruktur sei «ein Beleg dafür, dass der Druck auf den Terrorstaat nicht ausreicht».

Der russische Präsident Wladimir Putin befahl vor mehr als 20 Monaten eine großangelegte Invasion in das Nachbarland. Die Ukraine verteidigt sich nach Kräften und erhält Militärhilfe vieler westlicher Länder. Die ukrainischen Streitkräfte zählen am Donnerstag den 610. Tag des Krieges.

Schäden am AKW Chmelnyzkyj

Selenskyj forderte von den Partnerländern auch mehr Flugabwehrwaffen, nachdem Explosionen Schäden an Gebäuden des AKW Chmelnyzkyj angerichtet haben. «Dieser Angriff auf das Kernkraftwerk ist eine weitere Erinnerung an alle unsere Partner, wie wichtig es ist, die Luftverteidigung der Ukraine zu stärken.» Das sagte Selenskyj am Mittwochabend in seiner Videoansprache in Kiew.

Ein russischer Drohnenangriff hatte in der Nacht zuvor das westukrainische Gebiet Chmelnyzkyj getroffen. Durch die Druckwelle von Explosionen in der Nähe des AKW barsten nach Angaben des Energieministeriums an mehreren Verwaltungsgebäuden die Fenster.

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) bestätigte die Schäden. «Dieser Zwischenfall unterstreicht erneut die sehr prekäre Lage der nuklearen Sicherheit in der Ukraine, solange dieser tragische Krieg andauert», sagte IAEA-Direktor Rafael Grossi in Wien.

Selenskyj: Russische Luftwaffe zieht sich zurück

Nach erfolgreichen ukrainischen Angriffe auf russische Fliegerhorste in Luhansk und Berdjansk beobachtet die Ukraine nach Angaben Selenskyjs, dass die russische Luftwaffe Fluggerät auch von der Halbinsel Krim abzieht. Bei den Attacken setzte Kiew mutmaßlich die von den USA gelieferten ATACMS-Raketen ein und viele russische Hubschrauber und Flugzeuge außer Gefecht.

«Erst flieht die russische Marine, und jetzt flieht die russische Luftwaffe», sagte Selenskyj zur Lage auf der Krim. Die Ukraine werde alle besetzten Gebiete ohne Ausnahme befreien, versprach er. Er dankte den Partnern, die seinem Land Waffen mit größerer Reichweite geliefert hätten.

Kaum Veränderungen an der Front

An der fast 1000 Kilometer langen Front im Osten und Süden der Ukraine gab es nach Angaben des ukrainischen Generalstabs zwar schwere Gefechte, aber kaum Veränderungen. Die ukrainische Armee habe russische Sturmangriffe bei den Orten Kupjansk, Lyman, Bachmut und Awdijiwka zurückgeschlagen, hieß es im Lagebericht.

Ihrerseits setze die Ukraine Angriffe bei Bachmut im Osten und Werbowe im Süden fort. Die Militärangaben waren nicht unabhängig überprüfbar. Der Kiewer Generalstab äußerte sich nicht zu angeblichen ukrainischen Vorstößen auf dem russisch besetzten Dnipro-Ufer im südlichen Gebiet Cherson. Davon berichteten Militärblogger.

Lage um umkämpfte Stadt in Ostukraine verschärft sich

Bei der umkämpften Stadt Awdijiwka im Osten der Ukraine verschärft sich die Lage für Kiews Truppen. «Hier findet eine Schlacht statt, in die der (russische) Feind seine Hauptkräfte wirft», schrieb der gut im Militär vernetzte Journalist Jurij Butussow bei Telegram. Russisches Militär hat nach seinen Angaben entlang eines Eisenbahndamms nördlich der Stadt ein Gebiet von etwa einem Kilometer Breite erobert.

Vorstöße über den Damm werden in Richtung der Dörfer Stepowe und Berdytschi und das Gelände der stadtprägenden Koksfabrik erwartet. Verschiedenen Quellen zufolge hat sich der ukrainisch kontrollierte Nachschubkorridor auf sechs bis acht Kilometer verringert.

Von einst über 30.000 Einwohnern sind in der stark zerstörten Industriestadt nur noch etwa 1000 verblieben. Awdijiwka ist bereits mehr als zur Hälfte von russischen Truppen eingeschlossen. Dem ukrainischen Generalstab zufolge sind in Stadtnähe im Verlauf des vergangenen Tages 15 russische Angriffe abgewehrt worden.

Orban verteidigt Treffen mit Putin


Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat am Rande des EU-Gipfels sein Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin verteidigt. Ungarn habe eine Friedensstrategie und man wolle alles tun, um Frieden zu schaffen, sagte Orban. Man halte alle Kommunikationskanäle zu den Russen offen, sonst gebe es keine Chance auf Frieden. Orban ergänzte: «Wir sind stolz darauf.»

Putin hatte vergangene Woche in Peking Orban zu einem längeren Gespräch getroffen. Dies war sein erstes persönliches Treffen mit einem EU-Regierungschef in diesem Jahr gewesen. In Brüssel hatte der Austausch für Verärgerung gesorgt, weil er Putin die Gelegenheit gab, die EU als gespalten darzustellen.

Teenager in Südukraine durch russischen Beschuss getötet

In der südukrainischen Region Cherson wurde offiziellen Angaben zufolge ein 13 Jahre alter Teenager durch russischen Beschuss getötet. Nach Angaben der ukrainischen Behörden vom Donnerstag seien zudem mindestens vier weitere Menschen durch die Angriffe verletzt worden.

Der regionale Militärgouverneur Olexander Prokudin rief vor diesem Hintergrund Eltern dazu auf, ihre Kinder aus der Region zu evakuieren. «Sorgen Sie für ihre Sicherheit! Ihr seht, wie intensiv der Beschuss ist», schrieb er auf Telegram. Am Mittwoch hatten die Chersoner Behörden bereits über den Tod eines 42 Jahre alten Mannes berichtet.

Neue slowakische Regierung will keine Waffen mehr liefern

Der slowakische Regierungschef Robert Fico erneuerte indes kurz nach seinem Amtsantritt seine Absicht aus dem Wahlkampf, die Ukraine nicht mehr mit Waffen zu unterstützen. Die Slowakei werde weiter zivile Güter ins Nachbarland liefern und ihm «allseitige» Hilfe leisten, geht aus einer Erklärung Ficos hervor, die der Europa-Ausschuss des neu gewählten Parlaments in Bratislava annahm. Die Lieferung von Waffen gehöre nicht dazu. Der Beschluss ist rechtlich nicht bindend.

«Als Regierungschef stehe ich für eine Null-Waffenhilfe an die Ukraine», zitierte die Nachrichtenagentur TASR den Ministerpräsidenten. Slowakische Firmen sollen nach früheren Ankündigungen jedoch weiterhin Waffen an die von Russland angegriffene Ukraine verkaufen können.

Arbeiten an finnischem Zaun an Grenze zu Russland kommen voran

In Finnland schreiten die Arbeiten an einem geplanten Zaun an der Grenze zu Russland voran. Der Bau eines schätzungsweise drei Kilometer langen Testmodells in der Nähe des Grenzübergangs Imatra sei mit leichter Verzögerung mittlerweile abgeschlossen worden, die Pilotphase geglückt und die Umsetzung der nächsten Phase bereits im Gange, teilte der finnische Grenzschutz mit.

Die gesammelten Erfahrungen könnten nun in den weiteren Phasen des Zaunbaus genutzt werden. Derzeit werde an einem vier Kilometer langen Zaunabschnitt am Grenzübergang Salla gebaut.

Der geplante Grenzzaun soll keinen neuen Eisernen Vorhang darstellen, sondern den Grenzschützern vielmehr die Überwachung der Grenze an strategisch wichtigen Punkten etwa in der Nähe der Übergänge erleichtern, vor allem in Südostfinnland. Als Nächstes sollen zwölf Streckenabschnitte mit einer Gesamtlänge von rund 70 Kilometern errichtet werden. Ziel ist nach Angaben des Grenzschutzes, mit dem Bau der längsten Abschnitte im Laufe des kommenden Winters zu beginnen.

EU nimmt russischen Diamantenhandel ins Visier

In der EU wird an einem zwölften Paket mit Sanktionen gegen Russland gearbeitet. Wie ranghohe EU-Beamte in Brüssel sagten, gibt es Pläne für die Beschränkung des Handels mit Diamanten aus Russland. Zudem könnte es unter anderem ein Importverbot für Aluminium geben sowie Exportbeschränkungen für weitere Güter, die sich zivil und militärisch nutzen lassen.

Es sei unglaublich, was für Bauteile von den Ukrainern in russischen Raketen gefunden würden, sagte ein Beamter zu Gütern mit doppeltem Verwendungszweck. Manchmal würden Mikrochips entdeckt, die normalerweise in Kühlschränken verbaut seien. Genau auf dieses Problem weist auch Selenskyj hin.

Die neuen EU-Sanktionen sollen im Idealfall noch dieses Jahr beschlossen werden. Schon länger gibt es weitreichende Einfuhrverbote für Rohöl, Kohle, Stahl, Gold und Luxusgüter aus Russland. Dazu kommen Strafmaßnahmen gegen Banken und Finanzinstitute.

Russland lässt seine Atomstreitkräfte üben

Russland hat nach Kreml-Angaben bei einer Übung der Nuklearstreitkräfte zwei Interkontinentalraketen und mehrere Marschflugkörper abgefeuert. Das Manöver fand demnach unter Leitung des Oberkommandierenden, also Präsident Wladimir Putin, statt. Eine Interkontinentalrakete sei von einem Atom-U-Boot abgeschossen worden, eine zweite von einer mobilen Abschussrampe auf dem Gelände des nordrussischen Weltraumbahnhofs Plessezk. Die Marschflugkörper seien von strategischen Langstreckenbombern des Typs Tupolew Tu-95MS aus gestartet worden.

Unterdessen kündigte der russische Sicherheitsrat eine Vergrößerung der Armee an. Anlass seien die Kämpfe in der Ukraine und die Erweiterung des militärischen Potenzials der Nato. Das sagte Ex-Präsident Dmitri Medwedew, jetzt Vizesekretär des Sicherheitsrates. Seinen Angaben nach sollen 2024 ein neues Armeekorps, 7 Divisionen, 19 Brigaden, 49 Regimenter und eine Marineflotille aufgestellt werden.

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