Kultur

Nadia – Eine Ladinerin in Nordschleswig

Nadia - Eine Ladinerin in Nordschleswig

Nadia - Eine Ladinerin in Nordschleswig

Katja Elsberger
Apenrade/Aabenraa
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Nadia Mahlknecht hat ein Praktikum an der Deutschen Privatschule in Apenrade absolviert. Foto: Nadia Mahlknecht

Aus einer kleinen Minderheit in Italien nach Dänemark: Mit dem „Nordschleswiger“ hat die 22-jährige Nadia Mahlknecht über ihr Leben in der ladinischen Minderheit in Südtirol gesprochen. Die Lehramtsstudentin hat ein Semester am UC Syd studiert und hat ein Praktikum an der Deutschen Privatschule Apenrade gemacht.

Am Sonnabend hieß es für Nadia Mahlknecht Abschied nehmen von Dänemark. Die Lehramtsstudentin hat ein Semester am „University College Syddanmark“ studiert und ein Praktikum an der deutschen Privatschule Apenrade absolviert. Das Besondere: Nadia gehört der ladinischen Minderheit in Südtirol an. Nur etwa 30.000 Menschen sind Teil dieser Minderheit. Mit dem „Nordschleswiger“ hat die 22-jährige über ihre ladinischen Sprache und Kultur gesprochen und hat das Schulsystem der Ladiner genauer erklärt. 

Ladinisch: Eine gesprochene und geschriebene Sprache

„Es gibt fünf ladinische Täler in Italien, nämlich das Grödnertal, Gadertal, Fassatal, Buchenstein und Ampezzo“, erklärt Nadia. Zwei davon, das Grödnertal und Gadertal, befinden sich in Südtirol. Ladinisch gehört zur Gruppe der romanischen Sprachen. „Ladinisch hat eine eigene Grammatik und Rechtschreibung – es wird sowohl gesprochen als auch geschrieben“, sagt Nadia. Eine Eigenheit der ladinischen Sprache ist der Buchstabe „ë“. Dieser klingt wie eine Mischung aus „a“ und „e“.

Wenn man Italienisch kann, könne man vielleicht einen kleinen Teil verstehen, so Nadia, ansonsten ist es aber eine eigenständige Sprache. 

Nadia Mahlknecht stammt aus dem Dorf St. Ulrich im Grödnertal, das etwa 5.000 Einwohner hat. Auf Italienisch heißt der Ort „Ortisei“ und auf Ladinisch „Urtijëi“. Ihr Heimatdorf liegt in der Provinz Bozen in Südtirol. „Südtirol gehört seit Ende des Ersten Weltkrieges zu Italien, davor war es ein Teil von Österreich“, erzählt Nadia. „Das erklärt auch, dass in Südtirol so viele Deutsch sprechen, aber es auch viele italienisch- und ladinischsprachige Menschen gibt.“ 

Nur etwa 30.000 Sprecher

Ladiner sind eine wahre Rarität. Nur etwa 30.000 Menschen sprechen Ladinisch: „Die Sprache ist offiziell als Minderheitensprache in Italien anerkannt“, erklärt Nadia – und weil Ladinisch als Sprache anerkannt ist, gibt es auch Ladinisch-Unterricht an den Schulen. Um festzustellen, wie viele Menschen die Minderheitssprache sprechen, wird alle zehn Jahre eine Volkszählung durchgeführt – die jüngste war im Jahr 2011“, so die 22-Jährige. Bei dieser Zählung sei festgestellt worden, dass nur vier Prozent der Südtiroler Bevölkerung Ladiner sind. 
 

„Crossing Borders“

Nadia studiert „Lehramt Primarstufe“, also Grundschullehramt, an der pädagogischen Hochschule in Innsbruck in Österreich. Zwei Semester muss Nadia noch studieren, dann hat sie ihren Bachelor fertig. Danach plant die Ladinerin einen Master zu machen. „Mit einem Master kann ich auch in Italien und Südtirol unterrichten“,  so die Ladinerin. 

Für ein Auslandssemester am „University College Syddanmark“ ist die 22-Jährige nach Nordschleswig gekommen und hat hier ein halbes Jahr, von August bis Dezember, verbracht. Angelockt hat sie ein spezielles Angebot am „University College Syddanmark“: „Hier in der UC Syd haben sie ein Modul angeboten, das Crossing Borders heißt – da haben wir viel über Diversität gelernt und wie man den Schülern Vielfalt übermittelt.“ 

Zudem hat sie ein Praktikum an der Deutschen Privatschule Apenrade gemacht. „Ich fand es sehr interessant zu sehen, wie die meisten Kinder untereinander Dänisch kommuniziert haben, aber während des Unterrichts mit den Lehrpersonen auf Deutsch gesprochen haben“, erzählt Nadia. „Ich nehme viele Erfahrungen mit nach Hause: Vor allem fand ich es sehr toll, dass es Veranstaltungen gab, bei denen die gesamte Schule mitgewirkt hat. Ich mag es sehr, dass deutsche und dänische Traditionen, zum Beispiel Santa Lucia, praktiziert werden.“

Die Ladinerin Nadia hat ein halbes Jahr in Apenrade gelebt. Foto: Nadia Mahlknecht

Das paritätische Schulmodell

Die 22-jährige kann sich gut in ihre zweisprachigen Schüler hineinversetzen. Denn sie ist selbst dreisprachig, also ladinisch, italienisch und deutsch aufgewachsen. „Zu Hause mit meinen Eltern spreche ich Ladinisch“, erklärt die 22-jährige. Auch im Kindergarten sprechen die Kindergärtnerinnen Ladinisch mit den Kindern  – es werden aber auch viele Aktivitäten auf Italienisch und Deutsch angeboten.

„Speziell für ladinischsprachige Täler gibt es das paritätische Schulmodell. Das bedeutet, dass Deutsch, Italienisch und Ladinisch gleichgestellt sind“, erklärt Nadia. „Ziel des paritätischen Schulmodells ist die Erhaltung und Entwicklung der ladinischen Sprache und Kultur.“ Dafür, dass die verschiedenen Schulmodelle mit der Dreisprachigkeit geduldet werden, sei jahrelang gekämpft worden, so Nadia. Sie ist vom trilingualen Schulsystem überzeugt: „Ich finde dieses dreisprachige Schulmodell sehr gut, da es einem später leichter fällt, weitere Sprachen zu erlernen.“ 

Ladinisch als Schulfach

Die Ladiner gehen in der Regel bis zur 15. Klasse in die Schule. Die Grundschule dauert fünf Jahre. „In der Grundschule werden wir in allen drei Sprachen alphabetisiert, das heißt, wir lernen, Deutsch, Italienisch und Ladinisch zu lesen und zu schreiben. Ab der zweiten Klasse werden die Inhalte wöchentlich abwechselnd auf Deutsch und Italienisch vermittelt. Ladinisch wird als eigenes Fach unterrichtet, bei dem wir viel über unsere Sprache und Kultur lernen“, so die 22-Jährige. 

In der Mittelschule ist dann klar festgelegt, welche Fächer in welcher Sprache unterrichtet werden – es findet also kein wöchentlicher Wechsel mehr statt. Ladinisch fungiert als „Hilfssprache“ in den Fächern. Die Mittelschule, die bis zur 9. Klasse dauert, schließen die Ladiner mit einer dreisprachigen Abschlussprüfung ab.

Danach besuchen die Schüler bis zur 15. Klasse eine Oberschule. „Die Schüler können frei wählen, ob sie auf eine deutsche, italienische oder ladinische Oberschule gehen wollen. „Ich war an einem deutschsprachigen Gymnasium und habe auch Englisch und Französisch dazugelernt“, erklärt Nadia. 

Es gibt auch zwei ladinischsprachige Schulen, nämlich eine Kunstschule und ein ladinisches Sprachgymnasium. „Die Wahl der Oberschule hat großen Einfluss auf die Universitätswahl – also, ob man später zum Beispiel nach Österreich zum Studieren geht oder in Italien bleibt.“ 

Nadia aus St. Ulrich im Grödnertal. Foto: Nadia Mahlknecht

Ladinische Medien

Ladiner engagieren sich sehr, ihre Sprache und Kultur zu erhalten. „Es gibt zum Beispiel ladinische Vereine und Organisationen“, erklärt Nadia. Es gibt es auch eine ladinische Zeitung namens „La usc di Ladens“ für die Ladiner in Südtirol. Zudem werden ladinische Radiosendungen produziert. Im Fernsehen werden die Nachrichten fünf Minuten auf Ladinisch vorgestellt, und „einmal die Woche gibt es eine Sendung über irgendwas Typisches im Grödnertal“, so Nadia. 

„Jufa“ und „ghërlanda spiza“

„Es gibt verschiedene Veranstaltungen, wo die ladinischen Traditionen vorgestellt werden.“ Einheimische kochen zum Beispiel „Jufa“, eine traditionelle Mehlspeise, die die Besucher probieren können. Bei festlichen Anlässen wird im Grödnertal die Grödener Tracht getragen, die auf Ladinisch „ghërlanda spiza“ genannt wird. Die Mädchen tragen rote Haarbänder und reich verzierte, spitze Hüte. 

Die ladinischen Täler in Südtirol sind sehr beliebt bei Touristen: „Es kommen viele Touristen zum Skiurlaub oder im Sommer zum Wandern.“ Früher habe das Augenmerk der Touristen mehr auf den Menschen vor Ort gelegen. Mittlerweile liegt das Interesse aber mehr auf Skifahren, weniger auf der Lebensart der ladinischen Einheimischen. 

Nadia bedauert, dass in ihrem Tal immer mehr Familien beginnen, mit den Kindern vor allem Deutsch und Italienisch zu sprechen. „Ich bin überzeugt davon, dass ich die Sprache mit meinen Kindern sprechen werde, da ich es sehr wichtig finde, eine Minderheitensprache zu erhalten.“

 

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