Geschichte
Polnisches Gesetz löst diplomatische Krise mit Israel aus
Polnisches Gesetz löst diplomatische Krise mit Israel aus
Polnisches Gesetz löst diplomatische Krise mit Israel aus
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Ein umstrittenes polnisches Gesetz sorgt für die schwerste diplomatische Krise zwischen Polen und Israel seit Jahren. Für Polen geht es darum, Rechtssicherheit zu schaffen. Israel sieht Ansprüche von Holocaustüberlebenden bedroht.
Der israelische Außenminister Jair Lapid hat am Samstagabend den Gesandten der israelischen Botschaft in Warschau zu unbefristeten Beratungen zurückgerufen.
Er reagierte damit auf die Unterzeichnung einer umstrittenen Änderung des polnischen Verwaltungsrechts durch Präsident Andrzej Duda wenige Stunden zuvor. Sie sieht vor, dass Verwaltungsentscheidungen nach 30 Jahren nicht mehr gerichtlich angefochten werden können. Israel befürchtet damit ein Ende der Entschädigungen für Enteignungen von Juden im Zuge des Holocausts.
Auch der neue israelische Botschafter in Polen, der demnächst an seinen neuen Einsatzort reisen sollte, werde derzeit nicht aufbrechen, hieß es. Das Außenministerium werde zudem empfehlen, dass der polnische Botschafter in Israel in seinem Heimaturlaub bleibe.
«Diese Zeit sollte genutzt werden, um den Menschen in Polen die Bedeutung des Holocausts für die Bürger Israels zu erklären», sagte Lapid in einer Stellungnahme. «Polen hat heute - nicht zum ersten Mal - ein antisemitisches und unethisches Gesetz erlassen.» Israel führe zudem Gespräche mit den USA, um künftige Reaktionen abzusprechen.
In einer Stellungnahme des polnischen Außenministeriums hieß es, die Schritte Israels seien «ein schwerer Schaden für unsere Beziehungen». Die rangmäßige Herunterstufung der diplomatischen Vertretung Israels in Warschau sei grundlos. Die polnische Regierung werde entsprechende politische und diplomatische Maßnahmen ergreifen.
Der nationalkonservative Regierungschef nannte das israelische Vorgehen auf seiner Facebook-Seite «unverantwortlich». Die Worte Lapids würden «jeden anständigen Menschen» erzürnen, schrieb er darin. «Polen wird seit vielen Jahren von israelischen Politikern fälschlich eine Mitwirkung am Holocaust vorgeworfen», so Morawiecki. «Wenn die israelische Regierung Polen weiter auf diese Weise angreift, wird das einen sehr schlechten Einfluss auf unsere Beziehungen haben, sowohl bilateral als auch auf internationaler Ebene.»
Das polnische Parlament hatte die Reform in der abgelaufenen Woche verabschiedet. Präsident Andrzej Duda hatte zwar zwei Wochen Zeit, das Gesetz zu unterzeichnen oder sein Veto dagegen einzulegen. Er hatte aber bereits am Samstag knapp drei Tage nach der Abstimmung seine Unterschrift unter das Gesetz gesetzt. Duda erklärte, das Gesetz beseitige Rechtsunsicherheit für polnische Wohnungs- und Grundstücksbesitzer, falls sich nach mehr als 70 Jahren ein früherer Eigentümer finde. Damit ende eine «Ära des Rechtschaos» und der «Reprivatisierungsmafia», sagte er der Nachrichtenagentur PAP.
Auch Morawiecki verteidigte das Gesetz. Nach den neuen Vorschriften könne jeder, der Eigentum verloren habe, eine Entschädigung fordern, betonte er. «Aber er kann nicht verlangen, dass anderen Menschen das Dach über dem Kopf weggenommen wird.»
Der israelische Ministerpräsident Naftali Bennett kritisierte die polnische Gesetzesänderung als «schwerwiegenden Schritt», der Israel nicht gleichgültig lassen könne. Das Gesetz hindere Juden daran, Entschädigung für den Verlust von Eigentum während des Holocausts zu bekommen. Israel bedauere, «das Polen die Wahl getroffen hat, weiterhin denen zu schaden, die alles verloren haben», sagte Bennett in einer am Samstagabend veröffentlichten Mitteilung.
Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte Polen die größte jüdische Gemeinde Europas. Dreieinhalb Millionen Menschen, ein Zehntel der polnischen Bevölkerung, waren Juden. Während der deutschen Besatzung kamen rund drei Millionen polnischer Juden in den Vernichtungslagern, Ghettos oder bei «Sonderaktionen» der Nationalsozialisten ums Leben. Auch andere Polen hatte unter der nationalsozialistischen Besatzung schwer gelitten, rund drei Millionen nichtjüdischer Polen kamen im Zweiten Weltkrieg ums Leben.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die kommunistischen Behörden in Polen zahlreiche Häuser und Grundstücke verstaatlicht, deren Eigentümer getötet oder aus dem Land geflohen waren. Gerade in vielen Kleinstädten im Süden und Osten Polens hatte einst die überwiegende Zahl der Häuser im Stadtzentrum jüdische Eigentümer gehabt.
«Es mag sein, dass das Restitutionsgesetz in Polen nicht explizit gegen jüdische Ansprüche im Zusammenhang mit dem Holocaust formuliert wurde, doch tatsächlich setzt dieses Gesetz allen möglichen Ansprüchen der Erben von Holocaust-Opfern auf Wiedererlangung verlorener Vermögenswerte ein Ende», sagte am Sonntag der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER) und Oberrabbiner von Moskau, Pinchas Goldschmidt. «Insgesamt gibt es in Osteuropa einen Trend des Geschichtsrevisionismus, der auch jüdisches Leben zunehmend in Frage stellt. Das ist ein alarmierender Trend der uns mit großer Sorge erfüllt.»